Reinheitsgebot: Ein halbes Jahrtausend deutscher Braukunst

1516 legte eine Verordnung in Bayern fest, was ins Bier darf. Trotz strenger Vorgaben kam dabei keinesfalls geschmackliche Langeweile auf. Ein kurzer Exkurs in die Geschichte des deutschen Bieres.

Von Andrew Curry
Veröffentlicht am 6. Aug. 2020, 14:06 MESZ

Am 7. August wird auf den Internationalen Tag des Bieres angestoßen. 

Foto von Halfpoint, Shutterstock

2016 feierte das berühmte deutsche Reinheitsgebot sein 500-jähriges Jubiläum. Durch die strenge Beschränkung der Zutaten, die Brauereien verwenden durften, machte dieser schicksalhafte Erlass Bier im Wesentlichen zu jenem Getränk, als das wir es heute kennen.

Im Frühjahr 1516 erließen die beiden bayerischen Herzöge Wilhelm IV. und Ludwig X. in Ingolstadt eine neue Landesordnung, die es den Biermachern verbot, in ihren Brauereien etwas anderes als Hopfen, Gerste und Wasser zu verwenden. (Welche Rolle Hefe als die vierte Hauptzutat des heutigen Bieres spielte, verstand man erst später dank den Erkenntnissen von Louis Pasteur.)

Ein halbes Jahrtausend mag wie eine lange Zeit erscheinen. Aber der Experte für historischen Alkohol, Dr. Patrick E. McGovern vom University of Pennsylvania Museum, betont, dass das Reinheitsgebot tatsächlich „erst vor relativ kurzer Zeit definiert hat, was Bier ist“.

Und „relativ kurz“ trifft es, wenn es um die Geschichte des vielleicht ältesten alkoholischen Getränks der Welt geht.

Bier früher und heute

Jahrtausendelang verwendeten Bierbrauer verschiedenste Zutaten – von Kiefernharz bis hin zu einer Kräutermischung („Grut“) –, um Bier zu aromatisieren und haltbar zu machen. Der Trunk konnte aus fast jedem vergärbaren Getreide hergestellt werden. Honig und Früchte waren oft Teil früher Rezepte, um Süße hinzuzufügen – und um den Geschmack von schlecht gewordenem Gebräu zu überdecken.

Laut dem Historiker Max Nelson von der University of Windsor in Kanada ist den Klöstern zu verdanken, dass der Zauber der Hopfenpflanze im 9. Jh. n. Chr. erstmals entdeckt wurde. Es dauerte nicht lange, bis sich herumsprach, wie gut sich Hopfens als Konservierungsmittel eignete. „Das verdrängte andere Mischungen“, sagt er, „sodass das Reinheitsgebot tatsächlich etwas bereits Vorhandenes kodifizierte“.

Zwar wird es oft als die weltweit älteste Qualitätsregelung für Lebensmittel angeführt, aber tatsächlich mag das Gesetz auch andere Beweggründe gehabt haben. Vermutlich wollte man bayerische Brauereien vor internationaler Konkurrenz schützen oder verhindern, dass Bauern wertvollen Weizen für ihr Getränk verwendeten.

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BELIEBT

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    Erst Ende der Achtziger wurde in Deutschland wieder der Verkauf und die Deklaration von ausländischen Bieren zugelassen, die nicht nach deutschem Reinheitsgebot gebraut wurden. Aber selbst in dieser neuen Ära liberalisierter Vorschriften ist Deutschland kein Land, das jenseits seiner Grenzen nach Bier sucht: Importbiere machen weniger als 10 Prozent des Marktes aus.

    Trotz einer Lockerung der Brauvorschriften hält Deutschland weiterhin am Reinheitsgebot fest – eine Frage des Nationalstolzes. „Das Erbe des Gesetzes von 1516 ist der weltweite Qualitätsruf des deutschen Bieres“, sagt Marc-Oliver Huhnholz, Sprecher des Deutschen Brauer-Bunds.

    Ein Festzelt auf dem Oktoberfest in München.

    Foto von Christian Sinibaldi, Eyevine, Redux

    Huhnholz betont, dass fünf Jahrhunderte gesetzlicher Einschränkungen das deutsche Bier keineswegs langweilig gemacht haben. Es gibt mehr als 200 Hopfensorten und ebenso viele Hefestämme, die alle in den über 1.300 Brauereien des Landes – die Hälfte davon Mikrobrauereien – auf unterschiedliche Weise zu Tausenden von unverwechselbaren Gebräuen kombiniert werden.

    Und es lässt sich nicht leugnen, dass das Reinheitsgebot dank der deutschen Einwanderer, die ihre Bierkultur mitnahmen, eine globale Wirkung hatte. Vom brasilianischen Brahma bis zum chinesischen Tsingtao wurde der Biergeschmack auf der ganzen Welt durch Wilhelms Dekret aus dem 16. Jahrhundert geprägt.

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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