Seit wann tragen Menschen Kleidung?
Was heute in den meisten Kulturen ganz selbstverständlich ist, war nicht immer so: Stoffe, die den Körper bedecken, haben die Menschen erst nach und nach für sich entdeckt.

Ob Neandertaler oder frühe Menschen: Meist stellen wir sie uns mit Kleidung vor. Doch entspricht dieses Bild der Wahrheit?
Kleidung kann vor Sonne, Kälte, Wind und Regen schützen – und gleichzeitig dazu dienen, sich individuell auszudrücken. In vielen Kulturen ist das Bedecken des Körpers mit Kleidung außerdem gesetzlich vorgegeben. Kurz: Ein Leben ohne Kleidung ist in vielen Gesellschaften nicht möglich. Das war die meiste Zeit der Menschheitsgeschichte allerdings anders.
Trugen schon unsere menschlichen Vorfahren Kleidung?
Seit wann genau der Mensch seinen Körper mit Stoff bedeckt, kann man heute nicht eindeutig sagen. Das liegt daran, dass die Stoffe, aus denen Kleidung möglicherweise gemacht wurde, nicht lange genug überdauern, um heute noch archäologisch nachgewiesen zu werden. So ist das älteste, heute noch weitestgehend vollständig erhaltene gewebte Kleidungsstück gerade einmal etwas über 5.000 Jahre alt: ein altägyptisches Kleid, das in einem Grab in der Nähe von Kairo gefunden wurde. Erhalten sind außerdem Teile der Kleidung der 5.300 Jahre alten Eismumie Ötzi: Diese bestand aus Leder, Fell und Pflanzen.

So könnte die Kleidung ausgesehen haben, die von Homo heidelbergensis, einer Art der Gattung Homo, getragen wurde.
Älter als 5.000 Jahre ist die Geschichte der Kleidung aber allemal. Möglich ist sogar, dass bereits menschliche Vorfahren Kleidung getragen haben. Die brauchten sie vermutlich, um mit den niedrigen Temperaturen zurechtzukommen, mit denen sie konfrontiert waren, als sie vor etwa 500.000 in die kälteren Gegenden Europas und Asiens vordrangen. So zeigen Funde aus Schöningen beispielsweise, dass die Art Homo heidelbergensis vor etwa 300.000 Jahren möglicherweise Bärenfelle so bearbeitete, dass sie diese am Körper tragen konnte.
Auch Neandertaler haben mehreren Studien zufolge zumindest zeitweise und an bestimmten Orten aufgrund der Temperaturen etwa 80 Prozent ihres Körpers bedecken müssen, um überleben zu können.
Kleidung und der moderne Mensch
Ab wann der moderne Mensch Kleidung trug, konnten Forschende unterdessen anhand einer eher ungeliebten Tierart näher bestimmen. Laut einer Studie aus dem Jahr 2010 differenzierten sich Kopf- und Kleidungsläuse vor spätestens 83.000 Jahren, möglicherweise aber auch schon vor etwa 170.000 Jahren, auseinander. Das heißt, dass Angehörige der Gattung Homo Sapiens spätestens zu dieser Zeit zumindest in gewissen Kontexten Kleidung trugen.
Insgesamt verlief die Etablierung von Kleidung aber nicht linear. Studien zeigen beispielsweise, dass Aboriginal People in Tasmanien vor etwa 30.000 Jahren eine Zeit lang Kleidung trugen, um sich vor Kälte zu schützen, diesen Brauch aber wieder ablegten, als das Klima wärmer wurde. Anfangs war somit vor allem die Umgebung, in der die Menschen wohnten, ein Auslöser für das Tragen von Kleidung, nicht aber das Bedürfnis, sich mit Kleidung auszudrücken oder den Körper aus anderen Gründen wie Scham bedecken zu müssen.
Die Entwicklung von Überwürfen und Fellen zu der Art von Kleidung, die wir heute tragen – also Hosen, Hemden oder Kleidern – begann vermutlich erst vor etwa 40.000 Jahren. Aus dieser Zeit sind erste Funde von Nähnadeln bekannt, die Menschen erlaubten, präziser mit den Stoffen zu hantieren, aus denen sie die Kleidung anfertigten.
