Steinzeitliche Kleinfamilie: Älteste menschliche Fußabdrücke Deutschlands gefunden

In Niedersachsen wurden 300.000 Jahre alte Hominin-Fußabdrücke entdeckt – inmitten von Elefanten- und Nashornspuren. Der Fund in Schöningen verrät einiges über die dazugehörigen Frühmenschen.

Von Lisa Lamm
Veröffentlicht am 19. Mai 2023, 10:16 MESZ
Illustration: Drei Menschen am Ufer des Sees.

So könnten die Fußabdrücke damals in den Schlamm gekommen sein: Drei Frühmenschen unterschiedlichen Alters suchen Nahrung am Ufer eines Sees.

Foto von Benoît Clarys

In der Region des heutigen Schöningen in Niedersachsen tummelten sich vor 300.000 Jahren noch unzählige Tiere. Ganze Herden von Elefanten, Nashörnern, Hirschen und anderen Pflanzenfressern fanden sich am Ufer eines dort gelegenen Sees ein, um sich inmitten der Graslandschaft mit den offenen Birken- und Kiefernwäldern auszuruhen und zu trinken.

Unter ihnen: mindestens drei Frühmenschen, deren Spuren nun von einem internationalen Forschungsteam im Schlamm des ehemaligen Seeufers entdeckt wurden. In ihrer Studie stellt das Team, zu dem auch Forschende der Universität Tübingen und des Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment (SHEP) gehören, die Abdrücke vor. Sie sind die ältesten jemals in Deutschland entdeckten hominiden Fußspuren.

Eine frühmenschliche Kleinfamilie am See

Die Fußspuren stachen zwischen den anderen Abdrücken zunächst vor allem durch Form und Größe heraus. Nach genaueren Untersuchungen stellten die Forschenden fest: Die Spuren stimmen mit anderen, bereits identifizierten Fußspuren von Frühmenschen überein. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass an genau diesem Ort vor etwa 300.000 Jahren drei Individuen der Art Homo heidelbergensis, auch Heidelberger Mensch genannt, unterwegs waren. 

Links: Oben:

In diesem Durcheinander von Abdrücken befinden sich hauptsächlich Abdrücke von Elefanten. 

Rechts: Unten:

Einer der Fußabdrücke, die das Forschungsteam als Spur eines Hominin identifizierte.

bilder von Senckenberg

Die unterschiedlichen Größen der Spuren – nach heutiger Schuhgrößentabelle 37, 33 und 27 – zeigen außerdem: Unter den dreien waren ein Erwachsener, ein Teenager und ein Kleinkind. „Es handelte sich also [...] eher um einen Familienausflug als um eine Gruppe erwachsener Jagender“, sagt Flavio Altamura, Archäologe vom SHEP und Erstautor der Studie.

Er und seine Kolleg*innen vermuten, dass sich die drei Frühmenschen in dieser Region aufhielten, weil der See ihnen Nahrung bot: Je nach Jahreszeit wuchsen dort Pflanzen, Früchte, Blätter, Triebe und Pilze, von denen sich die Frühmenschen teilweise ernährten. „Unsere Funde bestätigen, dass sich die ausgestorbene Menschenart an See- oder Flussufern mit flachem Wasser aufhielt“, sagt Altamura. 

Leben zwischen Elefanten und Nashörnern

Der Ausgrabungsort Schöningen, an dem die Spuren entdeckt wurden, ist ein 300.000 Jahre alter paläolithischer Fundstellenkomplex, der sich am Höhenzug des Elm befindet und bereits unzählige weitere Funde aus der Urgeschichte preisgegeben hat. Darunter Werkzeuge von Hominiden und gut erhaltene Überreste der damaligen Pflanzenwelt. Von den aktuellen Untersuchungen erhoffen sich die Forschenden, das Leben der Frühmenschen in dieser Region noch genauer nachvollziehen zu können – darunter auch das Zusammenleben mit den Tieren, die damals die Landschaft dominierten. 

BELIEBT

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    Zum Beispiel mit der Elefantenart Palaeoloxodon antiquus, auch Europäischer Waldelefant genannt. Die Spuren der ausgestorbenen Art wurden ebenfalls im Rahmen der Ausgrabungen entdeckt. Ein ausgewachsener Bullen konnte ein Körpergewicht von bis zu 13 Tonnen erreichen. Auch eines der Exemplare, das seine Spuren im Flussufer hinterließ, hatte wohl eine beeindruckende Größe – seine Spuren waren ganze 55 Zentimeter groß.

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