Vermeintlicher Schädel von Kleopatras Schwester gehört jungem Römer

Ein Schädel, der einst Kleopatras Schwester Arsinoë IV. zugeordnet wurde, gehört eigentlich zu einem Teenager aus Rom. Doch wie kam der Junge in die prunkvolle Grabstätte, in der er 1929 entdeckt wurde?

Von Lisa Lamm
Veröffentlicht am 17. Jan. 2025, 15:36 MEZ
Der Schädel liegt in einem Büro.

Der Schädel, von dem man einst vermutete, er gehöre zu Kleopatras Schwester.

Foto von Universität Wien, Gerhard Weber

1929 entdeckte der Archäologe Joseph Keil gemeinsam mit Kolleg*innen in den Ruinen von Ephesos an der heutigen türkischen Westküste eine Grabstätte. Darin: ein Sarkophag mit einem vollständig erhaltenen Skelett. In den darauffolgenden Jahrzehnten erforschten verschiedene Wissenschaftler*innen sowohl die Fundstätte als auch die Überreste des Individuums. Dabei kamen sie schließlich zu einer spannenden Hypothese: Die Person, die in der Grabstätte – dem sogenannten Oktogon – beerdigt wurde, ist Kleopatras Schwester Arsinoë IV.

Diese Theorie hat sich lange gehalten – bis jetzt. Ein Forschungsteam der Universität Wien in Österreich hat die Knochen aus dem Oktogon mit modernsten Methoden erneut untersucht und festgestellt: Die Überreste stammen gar nicht von einer Frau, sondern von einem Römerjungen, der zu seinem Tod zwischen elf und 14 Jahren alt war.

 Historisches Bild: die Überreste des Oktogons.
Heute ist vom Oktogon nur noch der Sockel erhalten.
Links: Oben:

 Historisches Bild: die Überreste des Oktogons.

Rechts: Unten:

Heute ist vom Oktogon nur noch der Sockel erhalten.

bilder von ÖAW-ÖAI

Kleopatras Schwester: Wie der Irrtum entstand

Doch wie konnte es überhaupt zu der Verwechslung kommen? Auf die Idee, dass sich Arsinoë IV. in dem Grab in Ephesos befinden könnte, kamen Forschende im Jahr 1990, basierend auf einer ganzen Reihe an Fehlschlüssen in den Jahrzehnten zuvor. 

Nachdem Keil das Skelett 1929 entdeckt hatte, nahm er zunächst nur den Schädel mit, um ihn in seinem Labor in Greifswald zu untersuchen. Er kam zu dem Schluss, dass es sich bei der Toten um eine etwa 20 Jahre alte Frau handeln musste, die – gemessen an der aufwändig gebauten Grabstätte – hoch angesehen war. Im Jahr 1953 baute der Archäologe Josef Weninger, damals Vorstand des Anthropologie-Institutes der Universität Wien, auf diesen Erkenntnissen auf und veröffentlichte einen Artikel. Darin stand, dass der Schädel einer jungen Frau gehörte, die der Aristokratie der Antike angehört haben muss.

Zu der Arsinoë-Hypothese trugen schließlich noch weitere Erkenntnisse bei. Man erkannte zum einen, dass das Oktogon architektonisch nach ägyptischem Vorbild errichtet wurde und datierte die Grabstätte zum anderen auf ein Erbauungsjahr zwischen 50 und 20 v. Chr. Arsinoë IV. soll im Jahr 41 v. Chr. in Ephesos ermordet worden sein. Somit ist es möglich, dass sie sich tatsächlich in einer Grabstätte in Ephesos befindet – allerdings nicht im Oktogon. Denn das gehörte – wie man nun weiß – zu einem jungen Römer.

BELIEBT

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    Blick auf die Holzwände und den Boden der Kammer.

    Junger Römer in Ephesos

    Aufgedeckt hat das Forschungsteam aus Wien diesen Irrtum nun mithilfe moderner DNA-Analysetechniken. Sie wollten der Theorie aus den 1990-Jahren noch einmal auf den Grund gehen und untersuchten für ihre Studie erneut den Schädel, der damals von Keil mit nach Deutschland gebracht wurde, sowie den Oberschenkelknochen des Skeletts. Um den genetischen Status und das Alter des Individuums zu bestimmen, nahm das Team aus beiden Überresten extrem kleine Proben. Bei der DNA-Untersuchung kam dann schnell die Überraschung: „Schädel und Oberschenkelknochen zeigten beide ganz eindeutig in wiederholten Versuchen das Vorliegen eines Y-Chromosoms“, sagt Gerhard Weber, Anthropologe von der Universität Wien und Erstautor der Studie. Um Kleopatras Schwester konnte es sich somit also nicht handeln.

    Zusätzlich offenbarten die DNA-Untersuchungen das Alter des Bestatteten und seine Herkunft. Vermutlich stammte der zwischen elf und 14 Jahre alte Junge vom italienischen Festland oder der Insel Sardinien und war somit ein junger Römer. Wie genau er in das recht prunkvolle Grab kam und wer genau er war, könne basierend auf den aktuellen Ergebnissen in zukünftigen Studien genauer untersucht werden, so das Team.

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