2.000 Jahre altes Grabmonument der Römer rekonstruiert
Nahe Ingelheim stand einst ein monumentales römisches Grabmal, auf dem drei bunte Figuren thronten. Ein Projekt zur digitalen Kulturvermittlung lässt das Denkmal nun wieder in altem Glanz strahlen – mithilfe einer Augmented Reality App.
So oder so ähnlich muss damals das Grabmonument der Römer in der Landschaft ausgesehen haben. Mithilfe einer App kann man das Bauwerk nun in seinem ursprünglichen Standort bewundern.
Im Laufe des 1. Jahrhunderts n. Chr. schritt die Romanisierung der keltischen Welt immer weiter voran. Auch im heutigen Deutschland begannen die Römer Landschaft, Menschen und Infrastruktur durch ihre Bauwerke, Kleidung und Handelsrouten zu prägen.
Weil viele der damaligen Bauwerke nicht mehr existieren, ist diese Lebensrealität für uns heute aber kaum noch greifbar. Ein Forschungsteam will dies nun im Rahmen des Projekts museum4punkt0 ändern und hat dafür die Augmented Reality App „Ingelheim zur Römerzeit“ ins Leben gerufen. Mit ihr kann man ein 2.000 Jahre altes monumentales Grabmal mitsamt seiner drei bemalten römischen Statuen an ihrem ursprünglichen Standort bewundern.
Grabmonument aus der Römerzeit erwacht zum Leben
Die drei Figuren wurden bereits vor 170 Jahren von einem Bauern in der Nähe von Ingelheim entdeckt: Zwei Frauen und ein Mann, bäuchlings in der Erde vergraben. Erst Jahrzehnte später wurde bei Untersuchungen der Statuen klar: Sie bestehen aus lothringischem Kalkstein – und repräsentieren vermutlich, bunt bemalt, die Menschen, die unter dem Grabmal bestattet worden waren.
Die römischen Grabfiguren, die im Rahmen des Projekts digital rekonstruiert wurden. Zwei der Statuen waren beim Fund noch fast vollständig, von einer wurde nur der Torso gefunden.
Im Rahmen des Rekonstruktions-Projekts wurden die Statuen digital wieder in den Zustand versetzt, in dem sie im 1. Jahrhundert noch waren. Dazu untersuchten die Forschenden zunächst die Farbreste, um die originale römische Bemalung möglichst genau nachvollziehen zu können. Dabei beeindruckte vor allem die detailgenaue Arbeit der römischen Maler: Durch helle und dunkle Abstufungen der Farbtöne erzielten sie Licht- und Schatteneffekte, die die Statuen fast lebensecht aussehen lassen.
Doch nicht nur die Statuen wurden rekonstruiert, auch von dem Grabmal selbst erstellten die Forschenden eine digitale Version. Dabei halfen Daten zur römerzeitlichen Siedlungstopographie rund um das heutige Ingelheim. Bewundern kann man die Rekonstruktion nun dank digitaler Lebenswelterweiterung, bei der Bauwerke und Personen in eine existierende Landschaft eingefügt werden, direkt an seinem ursprünglichen Standort.
Romanisierung der Kelten
Das Grabmal wurde für die Rekonstruktion ausgewählt, weil es heute als Zeichen der zur damaligen Zeit bereits fortgeschrittenen Romanisierung der Region gilt. Einheimische Kelten begannen langsam, Sitten und Bräuche der Römer zu übernehmen – auch die römische Baukunst breitete sich aus. So waren Gräber mit figürlichen Darstellungen der Verstorbenen der ansässigen keltischen Kultur fremd. Die Sitte kam erst mit den Eroberern aus Italien in die Region.
Auch die Kleidung, die die Bildhauer den Statuen an den Körper meißelten, spiegelt diesen Prozess wider: Beide Frauen tragen sowohl Accessoires, die keltisch geprägt sind, als auch solche, die deutlich den römischen Einfluss zeigen – beispielsweise eine traditionelle Gewandnadel in Kombination mit einem römischen Obergewand. Statuen und Bauwerk demonstrieren also, wie stark die Kulturen im Jahr 53. n. Chr. bereits vermischt waren.
Die Menschen vor 2.000 Jahren konnten von einer der neuen römischen Handelsstraßen aus einen Blick auf das Grabmal werfen. Heute ist das dank moderner Technik wieder möglich.