Geheimnisvoller Papyrus aus der Antike offenbart Kriminalfall

Steuerhinterziehung, Sklavenhandel und Finanzbetrug: Eine römische Schriftrolle liefert Einblicke in eine Gerichtsverhandlung aus dem 2. Jahrhundert n. Chr.

Von Lisa Lamm
Veröffentlicht am 13. Feb. 2025, 09:31 MEZ
Papyrus mit Loch in der Mitte.

Ausschnitt aus dem Papyrus, das einen Einblick in die römische Rechtsprechung im Nahen Osten gibt.

Foto von Shai Halevi, Courtesy of the Leon Levy Dead Sea Scrolls Digital Library, Israel Antiquities Authority

Zu seiner Hochzeit erstreckte sich das römische Reich weit über Italien hinaus bis nach Afrika und auf die Arabische Halbinsel. Hier, in einer Höhle in der Judäischen Wüste nahe dem Toten Meer, wurde vor Jahrzehnten eine teilweise zerstörte Schriftrolle, der sogenannte Papyrus Cotton, entdeckt.

Ein Studienteam hat das antike Dokument nun entschlüsselt und festgestellt: Der Papyrus enthält Aufzeichnungen über einen brisanten Kriminalfall, der im 2. Jahrhundert zur Anklage zweier Männer führte, denen korrupte Machenschaften vorgeworfen wurden. 

Geheimnisvolle Schriftrolle erst nach Jahren entschlüsselt 

Entdeckt wurde die Schriftrolle bei Ausgrabungen in den Jahren 1960 und 1961, gemeinsam mit weiteren offiziellen Dokumenten. Weil die Schriftrolle aber besonders stark beschädigt und damit nur schwer entzifferbar war, hat sich ihm erst jetzt ein Studienteam der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), der Universität Wien und der Hebrew University angenommen. Die Forschenden erklären in ihrer Studie, die in der Zeitschrift Tychie erschienen ist, dass die Schriftrolle die Konzeptpapiere zweier Ankläger enthält, die eine teilweise Rekonstruktion des damaligen Prozesses zulassen.

Detailansicht der Schrift auf dem Papyrus.

Detailansicht des Papyrus Cotton, auf dem die Details des Kriminalfalls vermerkt sind.

Foto von Israel Antiquities Authority

Abgespielt hat sich der Fall in den römischen Provinzen Iudaea und Arabia, also im heutigen Israel und Jordanien. Verhandelt wurde vor einem römischen Gericht gegen zwei Männer, Gadalias und Saulos. Die Vorwürfe: Steuerbetrug, Fälschung und betrügerische Freilassung von Sklaven. So soll Saulus Sklaven durch einen Scheinkauf an einen Komplizen weitergegeben und schließlich freigelassen haben, ohne dafür die fällige Steuer zu zahlen. Zur Vertuschung des Betrugs soll Saulus mithilfe von Gadalias zudem Urkunden gefälscht haben.

Zwar gibt es in dem Papyrus keinen Hinweis mehr auf den Ausgang des Prozesses, die Studienautor*innen betonen aber, dass auf derartige Vergehen hohe Strafen standen, im schlimmsten Fall sogar der Tod.

Waren die Angeklagten Aufrührer gegen die römische Herrschaft?

Der Prozess fand in einer von Konflikten geprägten Zeit statt. Denn in den Provinzen Iudaea und Arabia gab es im 2. Jahrhundert nach Christus mehrere Aufstände gegen die römische Herrschaft. Als die Anklageschriften verfasst wurden, war die Diaspora Revolte (115 bis 117 n. Chr.) gerade vorbei und der Bar-Kochba-Aufstand (132 bis 136 n. Chr.) stand bevor.

BELIEBT

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    Deshalb unterstellten die Ankläger den Männern nicht nur einfachen Betrug und Urkundenfälschung. Vielmehr sollen Saulos und Gadalias Teil einer Verschwörung gegen die römische Herrschaft gewesen sein. Genauere Informationen dazu, wie es zu dieser Anschuldigung kam, gibt es in dem Papyrus aber nicht mehr. Unklar ist auch, wie genau der Papyrus in die Höhle kam. Die Studienautor*innen vermuten, dass er während des Bar-Kochba Aufstands dort versteckt wurde. 

    Weitreichende römische Strukturen

    Bisher wusste man nicht viel darüber, wie das Recht in weit entfernten römischen Provinzen ausgeübt wurde. Der Papyrus Cotton zeigt nun erstmals, dass die Gerichte auch im Nahen Osten ähnlich funktionierten wie in Rom – und die institutionellen Strukturen des Römischen Reiches damit sehr einheitlich organisiert waren.

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