
Bizarres Ritual: Abgeschlagene Köpfe wurden mit Nägeln aufgespießt
Einer der Schädel, die vor über 2.000 Jahren in Spanien aufgespießt und ausgestellt worden waren.
Im ersten Jahrhundert vor Christus konnte man in einigen Gemeinden der Iberischen Halbinsel Zeuge eines heute undenkbaren Brauches werden. Damals wurden abgeschlagene Menschenköpfe öffentlich ausgestellt, häufig aufgespießt mit großen Nägeln. Diente das Ritual zur Abschreckung von Feinden? Oder wollte man auf diese Weise besonderen Menschen ihre letzte öffentliche Ehre erweisen?
Diesen Fragen ist nun ein Forschungsteam der Universitat Autònoma de Barcelona (UAB) im Rahmen einer Studie nachgegangen. Das überraschende Ergebnis: Je nach Gemeinde erfüllten die abgeschlagenen Köpfe einen anderen Zweck.
Zwischen Abschreckung und Huldigung
Das Studienteam untersuchte insgesamt sieben abgeschlagene Köpfe, die bereits Anfang des 20. Jahrhunderts bei Ausgrabungen in den spanischen Orten Ullastret und Puig Castellar bei Barcelona gefunden worden waren. Bei einigen konnte man damals noch die Spuren der Nägel erkennen, die einst in den Köpfen steckten. Bei anderen befand sich der Nagel sogar noch im Schädel. Alle sieben Köpfe sind über 2.000 Jahre alt: Sie gehörten einst männlichen Erwachsenen aus der Eisenzeit.
Ob sie einst Feinde oder angesehene Personen waren, versuchten die Forschenden mithilfe einer Bestimmung der Strontium-Isotope zu beantworten. Mit ihnen lässt sich nachvollziehen, in welcher Region eine Person einst aufgewachsen ist. Dazu verglich das Forschungsteam die Strontium-Isotope in den Schädeln mit denen, die im Sediment und der Vegetation an den Fundorten vorkamen.
Die These der Forschenden: Stimmen die Werte in den Schädeln mit denen in der Vegetation überein, stammen die Individuen aus dem Ort, an dem sie gefunden wurden. Das würde bedeuten, dass es sich wahrscheinlich um besonders wichtige Mitglieder der Gemeinschaft handelte. Stimmen die Isotop-Werte nicht überein, handelt es sich wahrscheinlich um Feinde von außerhalb – die als Kriegstrophäen ausgestellt wurden, um weitere Eindringlinge abzuschrecken. Diesen Brauch kennt man in ähnlicher Form bereits von den Kelten, die aus demselben Grund abgeschlagene Köpfe an ihren Stadttoren zur Schau stellten.
Unterschiedliche Rituale im eisenzeitlichen Spanien
Das überraschende Ergebnis der Studie: Nur in Puig Castellar scheint das Ritual einen einheitlichen Zweck gehabt zu haben. Alle dort gefundenen Schädel stammten laut der Isotop-Analyse von Männern außerhalb der Region. Außerdem wurden sie in der Nähe der ehemaligen Stadtmauern gefunden, weshalb sie vermutlich als Kriegstrophäen ausgestellt wurden – und der Abschreckung von Feinden dienten. In Ullastret stammen die Schädel sowohl von Männern von außerhalb als auch von Männern, die in der Gemeinde aufgewachsen waren. Das könnte bedeuten, dass es dort verschiedene Rituale gab: Einmal spießte man die Schädel vermutlich zu Ehren des Individuums auf und ein anderes Mal zur Abschreckung von Feinden.
Die Ergebnisse zeigen, so das Studienteam, dass die Gemeinden bereits damals unterschiedlicher waren als bisher gedacht. „Diese Differenzierung spiegelt eine dynamische und komplexe Gesellschaft mit wichtigen lokalen und externen Wechselwirkungen wider“, sagt de la Fuente-Seoane. Da man bisher nur wenig über die Gesellschaftsentwicklung in Katalonien vor 2.000 Jahren weiß, sind die Forschenden trotz der fehlenden eindeutigen Antworten von den Ergebnissen begeistert.
