Auf der Jagd nach der Sonnenfinsternis

Der Sonnenfinsternisjäger Babak Tafreshi bereiste sieben Kontinente auf der Jagd nach den nur Sekunden dauernden Erlebnissen. Für ihn ist es die Mühen immer wert.

Von Babak A. Tafreshi
Veröffentlicht am 9. Nov. 2017, 03:32 MEZ

Totale Sonnenfinsternisse machen süchtig – so sehr, dass eine neue Art des Tourismus um sie entstanden ist. Sonnenfinsternisjäger reisen um die ganze Welt, um nur ein paar Minuten der Totalität zu erleben, wenn der Mond sich zwischen die Erde und die Sonne schiebt und der Tag zur Nacht wird. Es ist eine unvergessliche Erfahrung, die einen mit dem Wunsch nach mehr zurücklässt.

Der schmale Pfad der Totalität (wenn der Mond die Sonne komplett verdeckt) ist üblicherweise 16.000 km lang, aber nur 160 km breit. Er bedeckt weniger als ein Prozent der Erdoberfläche. Die Menschen außerhalb des Pfads können vielleicht eine partielle Sonnenfinsternis sehen, aber diese Erfahrung reicht bei Weitem nicht an die einer totalen heran.

“Sonnenfinsternisjäger reisen um die ganze Welt, um nur ein paar Minuten der Totalität zu erleben”

von Babak Tafreshi

Im Schnitt gibt es alle 18 Monate irgendwo auf der Erde eine totale Sonnenfinsternis. Derselbe Ort wird eine Totalität allerdings nur alle 375 Jahre erleben. Das bedeutet, dass eine totale Sonnenfinsternis ein einmaliges Ereignis im Leben ist (wenn überhaupt). Es sei denn, man ist ein Sonnenfinsternisjäger.

Meine Sonnenfinsternisabenteuer begannen 1995, als ich 17 Jahre alt und in Teheran im Iran zu Hause war. Ich reiste 1.600 km über Land bis an die Grenze zu Afghanistan, um 14 Sekunden der Totalität zu sehen. Ich hatte eine lange Liste an Fotoaufgaben für diesen Moment, aber als er schließlich kam, war ich einfach nur ein Höhlenmensch, der im Angesicht der Natur erzitterte. Ich habe nur ein einziges Foto gemacht.

BELIEBT

    mehr anzeigen
    Eine Frau posiert 2008 vor einer partiellen Sonnenfinsternis in Sibirien.
    Foto von Babak Tafreshi, National Geographic Creative

    Die verlockend kurzen Schattenmomente hatten es mir angetan. In einem äußerst seltenen Fall gab es vier Jahre später eine weitere Sonnenfinsternis über dem Iran. Ich begann damit, die Erfahrungen in einem Filmprojekt festzuhalten, das ein Jahrzehnt umspannte. Jede Sonnenfinsternis hat ihren eigenen Charakter.

    Im Juni 2010 reiste ich in die afrikanische Wildnis nach Sambia. Ich schloss mich mit einem Fotojournalisten-Pärchen zusammen, das für das Ereignis aus Europa angereist war. Auf unserem Weg teilten wir Sonnenfinsternisbrillen mit den einheimischen Stammesangehörigen, damit auch sie die partiellen Phasen sicher betrachten konnten. In der Zentralzone der Sonnenfinsternis, im Kafue-Nationalpark, saßen wir um ein Lagerfeuer herum unter dem Sternenhimmel. Unser kleines, aber internationales Team offenbarte mir, wie Sonnenfinsternisse kulturelle Grenzen aufbrechen und Menschen zusammenbringen können. Dort spürte ich auch, wie die Natur auf die unerwartete Dunkelheit reagierte. Wenige Minuten vor dem Beginn der Totalität flogen die Vögel in ihre Nester, eine seltsame Stille brach herein und die Insekten zelebrierten die kurze Nacht.

    2003 bereiste ich das entgegengesetzte Extrem und fuhr an Bord des Eisbrechers Kapitan Khlebnikov in die Antarktis. Meine Mitreisenden und ich waren die ersten Menschen, die je eine totale Sonnenfinsternis von der Antarktis aus beobachtet haben. Wir stachen mit 100 Passagieren aus 15 Ländern von Port Elizabeth in Südafrika aus in See. Mehrere Passagiere, ich eingeschlossen, erlitten während schwerer Stürme Verletzungen, bevor wir schließlich das ruhige Wasser das Antarktis erreichten. Vom Schnee verdeckte Gletscherspalten stellten eine weitere Gefahr dar, als die Passagiere von Bord gingen. Es war keine Option, irgendjemanden zurück in die Zivilisation zu schicken – der nächste Transport in diese Gegend würde erst fünf Monate später eintreffen.

    Ein Schiff durchbricht auf dem Weg zu einer Sonnenfinsternis in der Antarktis das Eis.
    Foto von Hamid Khodashenas & Babak Tafreshi

    Am Tag der Sonnenfinsternis, dem 23. November, standen die Jäger und ich in gelben Parkas auf einem dicken Eisschelf, umgeben von Kaiserpinguinen und neugierigen kleinen Adeliepinguinen. Im Gegensatz zu den meisten Tieren, die ich beobachtet habe, interessierten sich die Pinguine um mich herum überhaupt nicht für die Sonnenfinsternis! Den Menschen ging es da anders, als sie auf der eisigen Unterseite der Welt langsam dahindrifteten, um sie herum die Eisberge und unter ihnen das Südpolarmeer.

    2005 dokumentierte ich zwei ringförmige Sonnenfinsternisse in Panama und Spanien. Bei diesen verdeckt der Mond die Sonne nicht vollständig, daher bildet sich ein „Ring aus Feuer“ um ihn herum. Diese Sonnenfinsternisse erreichen nie eine Totalität.

    Die Sonnenfinsternis 2005 in Mittelamerika war etwas Besonderes. Es war eine Hybrid-Finsternis, die auf einem Teil ihres Pfads total war und auf dem Rest einen sehr dünnen, durchbrochenen Ring aus Lichtperlen oder „Baily‘s beads“ hatte.

    Zur Sonnenfinsternis 2008 war ich in der Welterbe-Region des Altai-Gebirges im Süden Sibiriens, nahe der Grenze zur Mongolei und zu Kasachstan.

    Ein Jahr später, im Juli 2009, begann die längste totale Sonnenfinsternis des 21. Jahrhunderts in Indien und Ostasien und erreichte ihre maximale Totalität über dem Pazifik. Wieder war ich auf einem Schiff, diesmal als Dozent auf der Costa Classica zusammen mit etwa 1.500 Sonnenfinsternisjägern. Wir waren die einzige Gruppe, welche sechs Minuten und 42 Sekunden im Schatten verbrachte (die längste mögliche Totalität würde 7,5 Minuten dauern). Wir beobachteten das Ereignis vom Schiff aus, nicht weit von Iwojima entfernt, wo sich noch immer eine Militärstation befindet.

    Die Sonnenfinsternis fand zur Mittagszeit statt, und dank des tropischen Breitengrades stand die Sonne zu diesem Zeitpunkt direkt im Zenit. Die Sonnenkorona um den dunklen Mond herum schien wie ein Auge am Himmel, das auf die Erde herabschaute. Die Totalität war lang genug, um vier Kameras zu bedienen, sich die Farben am Horizont sowie ein paar sichtbare Sterne und Planeten anzusehen, Auffälligkeiten an der Korona durch ein Fernglas zu betrachten und sogar ein kurzes Interview zu führen!

    Nicht jedes Sonnenfinsternisabenteuer ist so ein Erfolg. 2010 verpasste ich eine großartige Sonnenfinsternis an der Südspitze Patagoniens, weil das argentinische Konsulat keine Visa an iranische Bürger ausstellt. 2013 erzeugte ein plötzlicher Sandsturm nur wenige Minuten vor der Totalität seine ganz eigene Nacht am abgelegenen Turkana-See im Norden Kenias.

    Um sich eine Sonnenfinsternis auf sichere Art anzusehen, benötigt man spezielle Sonnenbrillen, wie hier zu sehen in Surakarta, Indonesien.
    Foto von Solo Imaji, Barcroft Media/Getty Images

    Zuletzt war ich im März 2016 auf der Insel Ternate in Indonesien. Ich fotografierte die Sonnenfinsternis über einer spektakulären Vulkankette, die sich aus dem Ozean erhob.

    Die nächste Sonnenfinsternis steht bereits auf der Liste von Millionen Menschen: Die Große Amerikanische Sonnenfinsternis, wie sie genannt wird, findet am 21. August 2017 statt. Der Pfad wird durch 14 Staaten führen.

    Babak Tafreshi ist Fotograf und Gründer des The World at Night (TWAN) Fotoprogramms. Man kann ihm auf Twitter folgen.

    loading

    Nat Geo Entdecken

    • Tiere
    • Umwelt
    • Geschichte und Kultur
    • Wissenschaft
    • Reise und Abenteuer
    • Fotografie

    Über uns

    Abonnement

    • Magazin-Abo
    • TV-Abo
    • Bücher
    • Disney+

    Folgen Sie uns

    Copyright © 1996-2015 National Geographic Society. Copyright © 2015-2024 National Geographic Partners, LLC. All rights reserved