Adventure Trip, Tag 3: Insel der Geschichte
Das Wetter vermasselt das Weiterpaddeln. Aber so entdeckt unsere Abenteurergruppe die Geheimnisse einer Schäreninsel.
Vielleicht ist dies der letzte Tagebuch-Eintrag vom diesjährigen NATIONAL GEOGRAPIC Adventure Trip. Wir haben Pilze gegessen. Selbst gefundene. Ich könnte zu den Überlebenden zählen, denn ich habe nur probiert.
Unser Fotograf Hardy entdeckte heute morgen im angrenzenden Wald „sen-sa-tio-nelle“ Steinpilze. Dazu, ganz in der Nähe, Pfifferlinge. Herbert, der zu Hause im Allgäu auch mal in die Pilze geht, ausschließlich Steinpilze und Pfifferlinge sucht und insofern als Experte anzusehen ist, begutachtete Hardys Fund und wies in seiner wunderbar ruhigen Art darauf hin, dass Steinpilze doch etwas dicker am Stil sein müssten. Hardy aber war überzeugt, und so gab es heute Abend ein immerhin duftendes Pilzrisotto. Norman, Sonja und ich hatten Gemüsepfanne. Und Herbert.
Zeit zum Pilzesuchen? Nun ja, an Paddeln war heute vormittag nicht zu denken hier auf Midtre Bolærne im Oslofjord. Draußen auf dem Wasser schäumten die Wellen, es blies mit sieben bis acht Windstärken, so dass unser Guide Günther von der Globetrotter Akademie ganz klar entschied: Wir bleiben hier.
Und so haben wir heute eine Insel erkundet, die aus der Ferne wie so viele Schäreninseln aussieht, aber tatsächlich eine ungewöhnlich spannende Geschichte bietet. Es gibt drei Bolærne-Inseln, die westliche, die östliche und eben die mittlere, auf der wir gerade sind. Sie ist die größte und misst von West nach Ost knapp zwei Kilometer. Das ist eher unspektakulär. Strategisch interessant jedoch wurde die kleine Inselgruppe aufgrund ihrer Lage am westlichen Eingang des Oslofjords, rund 70 Kilometer südlich der norwegischen Hauptstadt.
Bis vor wenigen Jahren war Midtre Bolærne militärisches Sperr- und Übungsgebiet. Wir haben heute überall auf der Insel – im Wald und an den Stränden – rote Plastikpatronen gefunden. Übungsmunition.
Viel bedrückender jedoch ist das Kriegsgefangenenlager, dass die Deutschen an der Ostküste gebaut und betrieben haben. Zwischen dem Sommer 1943 und dem Herbst 1944 inhaftierten die Deutschen hier unter widrigsten Bedingungen 300 Russen, die als Zwangsarbeiter an den strategisch wichtigen Festungsanlagen arbeiten mussten. Im Dezember 1944 wurden 376 Russen, die an Tuberkulose erkrankt waren, in dem Lager untergebracht und mehr oder weniger sich selbst überlassen. Bis zum Kriegsende starben mindestens 28 Männer, die meisten von ihnen wurden in einer wunderschönen kleinen Bucht am Südufer beerdigt. Ihre Leichname wurden in den 50er Jahren auf einen Kriegsgräberstätte in Oslo umgebettet. Die Bucht ist heute von kniehohen Diesteln und Hagebutten zugewuchert. Nur eine kleine Plastiktafel erklärt, was hier geschehen ist. Vom Lager sind nur die Ruinen der Wachmannschaften erhalten.
Nur eine Bucht neben dem Friedhof liegt eine der ältesten Freizeithütten Norwegens, Grevestuen, ein wunderschöner hochkantiger Holzbau mit einzigartigem Blick aufs Wasser. 1845 erbaut von Graf Peder Jarlsberg, dessen Leidenschaft die Jagd und das Angeln waren, und der sich hier ein kleines Paradies schuf. Er pflanzte für Norwegen so untypische Bäume wie Eichen und siedelte Rehwild an, und diese Aufforstung macht Midtre Bolærne heute zu einer der wald- und abwechslungsreichsten – und damit schönsten – Inseln des Fjords.
Und so entpuppte sich dieser Tag als ein Ausflug in das Abenteuer Geschichte: Diese Insel zeugt vom Besten und Schlimmsten, was der Mensch anrichten kann.
Als sich am Nachmittag der Wind etwas legte und die Sonne hervorkam, sind wir dann doch noch gepaddelt: einmal um die Insel herum. Günther hat einen Seehund gesehen, nur er allein, aber er ist sich ganz sicher. Pilze hatte er da noch nicht gegessen.
Der NATIONAL GEOGRAPHIC Adventure Trip ist eine Kooperation mit Fjällräven, Swarovski Optik und der Globetrotter Akademie.