Wildnis vor der Haustür: Die Weiten des Nordens

Der German Roamers-Fotograf Leo Thomas verrät, warum die Gegend um St. Peter-Ording für ihn zu den spannendsten Orten Deutschlands gehört.

Von Melissa Holland-Moritz
Veröffentlicht am 5. Juli 2019, 12:20 MESZ
Wattenmeer Nordsee
Das größte Wattenmeer der Welt: Keine einschüchternden Berge, dafür erdende Weite.
Foto von Leo Thomas

Wo ist Deutschland am schönsten? Fünf Naturfotografen des Kollektivs „German Roamers“ haben uns ihre Lieblingsorte verraten. Leo Thomas erzählt von St. Peter-Ording.

Dass Leo Thomas sein Leben mit Fotografie finanziert, hat er seinem Telefon zu verdanken. 2015 reist er neun Monate durch die USA und fotografiert die Landschaften mit seinem Handy. „Dadurch, dass man mit dem Smartphone sehr begrenzte Möglichkeiten hat, habe ich viel gelernt, was Komposition angeht.“ Bald merkt er, dass ihm die Touri-Schnappschüsse nicht mehr reichen.

Zurück in Deutschland kauft er sich als erstes eine richtige Kamera – auch wenn er, überwältigt von den Naturwundern der USA, sicher ist, dass er erst wieder in ein Flugzeug steigen muss, um seinem neuen Hobby nachzugehen: „Ich dachte: Hier in Deutschland gibt es nichts, was sich zu fotografieren lohnt.“

Seine Einstellung ändert sich schlagartig, als er durch einen Freund von den German Roamers erfährt. „Die tollen Aufnahmen haben mich dazu ermutigt, mich in meiner Nachbarschaft umzusehen“, sagt er. Und offensichtlich gefällt man sich gegenseitig: Seit 2017 ist der mittlerweile 25-Jährige Teil des Kollektivs und die Fotografie ist sein fester Job. Nebenbei studiert er Mediendesign in Trier.

Entdeckt eure Nachbarschaft: Die atemberaubende Kraft der See in Thomas' Heimatort Eckernförde.
Foto von Leo Thomas

Die Wurzeln von Leo Thomas liegen im Norden Deutschlands. Kein Wunder also, dass dort einer seiner absoluten Hotspots für Landschaftsfotografie liegt: St. Peter-Ording. Der Ferienort an der Nordsee ist nur etwa eineinhalb Fahrstunden von Thomas' Heimatstadt Eckernförde entfernt. „Damals haben wir dort Drachen steigen lassen und gecampt, aber als Kind hat man die Schönheit der Landschaft nicht so wahrgenommen“, sagt er. Diese habe er erst zwanzig Jahre später entdeckt, vielleicht auch, weil sich hier Kindheitserinnerungen und schöne Motive vermischen. „Du kannst kilometerweit durchs Watt gehen und um dich herum ist einfach nichts – das ist etwas Besonderes.“

BELIEBT

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    Zuletzt war Leo Thomas im Dezember 2018 vor Ort. Der Grund dafür war ein Problem, das mittlerweile alle Küstenregionen kennen: Nach jeder Flut kommt neuer Plastikmüll ans Ufer geschwemmt. Mit den Einnahmen des 2017 erschienenen Bildbands der German Roamers unterstützt das Kollektiv wohltätige Projekte in Deutschland, unter anderem den Verein Küste gegen Plastik in St. Peter-Ording. Mit weiteren Roamers besuchte Thomas die engagierten Menschen vor Ort und produzierte mit ihnen ein Video, um mehr Reichweite für das Projekt zu schaffen. Eine nahezu intakte Margarinepackung aus den 60er Jahren und eine Getränkedose aus Taiwan waren für ihn einprägsame Funde, die das weltweite Plastikproblem verdeutlichen. „Den Müll einzusammeln ist Sisyphusarbeit, denn nach jedem Gezeitenwechsel sieht es aus wie vorher“, sagt Thomas.

    Thomas und weitere „Roamers" begleiteten das „Küste gegen Plastik"-Team bei einer Müllsammelaktion in den Salzwiesen der Region. In den wichtigen Ökosystemen verfängt sich nach jedem Gezeitenwechsel neuer Plastikmüll.
    Foto von Leo Thomas

    Eine andere Art, sich für den Schutz der Natur stark zu machen, ist sicherlich auch die Naturfotografie. Gerade für minimalistische Motive biete die Region um St. Peter-Ording zahlreiche Möglichkeiten, erklärt Thomas: Den grünen Deich, auf dem Schafe friedlich grasen, die für diese Region typischen Reetdachhäuser und die hölzernen Pfahlbauten an den Küsten. Diese bis zu sieben Meter hohen Hütten auf Stelzen prägen seit mehr als 100 Jahren das Strandbild und gelten als das Wahrzeichen St. Peter-Ordings. Doch ohne die Landschaft, die sie umgibt, wäre ihr Anblick nur halb so beeindruckend. „Das ist etwas anderes als in Bayern, wo man von gigantischen Bergen umgeben ist“, sagt Thomas. „Dein Blickfeld wird von nichts unterbrochen. Du kommst zur Ruhe. Mich erdet das.“ In einer Welt, in der wir täglich Bilder konsumieren, vergisst man schnell, dass weniger oft mehr ist.

     

    Um die endlose Weite des Nordens bestmöglich einzufangen, sollte man jedoch außerhalb der Haupturlaubszeit im Sommer anreisen, denn ein Geheimtipp ist St. Peter-Ording schon lange nicht mehr. Doch auch fernab touristischer Gegenden erstrecken sich weitläufige Salzwiesen, die das Watt wie ein natürliches Mosaik einrahmen. Die nördliche Region eignet sich perfekt, um sich auf sein ganz persönliches Fotoabenteuer zu begeben.

    Leo Thomas von den German Roamers.
    Foto von Leo Thomas

    Thomas' Aufnahmen sind gezeichnet von Kälte und Melancholie. Das Beste beim Fotografieren sei für ihn der Moment, in dem er eine spannende Lichtstimmung erlebt: „Jeder Sonnenaufgang ist einmalig“, sagt er. Sein Job und Hobby führten ihn bereits in viele Länder. Seine Heimat bleibt jedoch weiterhin auf seinem Radar. „Es ist ein Ort, an den ich immer wieder gerne zurückkehre.“

    Über German Roamers:

    Wer spektakuläre Natur sehen will, muss nicht nach Island fliegen. Es reicht ein Ausflug in die Eifel, in den Harz, oder in eine der anderen vielfältigen Landschaften, die oft direkt vor der Haustür liegen. Nach dieser Maxime arbeiten die 14 Fotografen des Kollektivs German Roamers, was übersetzt so viel wie deutsche Wanderer bedeutet. Seit 2015 veröffentlichen sie auf Instagram ihre Naturaufnahmen aus Deutschland und erreichen damit heute über 350.000 Menschen. Damit sind die German Roamers die größten Influencer unter deutschen Outdoor-Fotografen. Zu sehen gibt es mystische Naturaufnahmen und spektakuläre Drohnenschüsse. Unter dem von ihnen etablierten Hashtag #weroamgermany posten mittlerweile auch tausende Hobbyfotografen ihre Aufnahmen deutscher Landschaften.

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    Wildnis vor der Haustür: Im Nebelmeer der Sächsischen Schweiz

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