Geplante Aufhebung von Schutzmaßnahmen für Grizzlys löst Kontroverse aus

Einige Naturschützer feiern die Rückkehr der Bären, andere sind besorgt, dass die Art noch nicht bereit für ein Management durch Bundesstaaten ist, die eine Jagd auf sie erlauben könnten.

Von Craig Welch
Veröffentlicht am 27. Okt. 2017, 09:51 MESZ

Um zu begreifen, welche Fortschritte man beim Schutz der Grizzly-Populationen im Yellowstone-Nationalpark und dessen Umkreis gemacht hat, braucht man bloß einen Blick auf die Zahlen werfen: Es gibt dort nun fünfmal mehr Grizzlys als 1975, als sie erstmals im Zuge des Endangered Species Act (ESA) unter Schutz gestellt wurden. Das Gesetz dient dem Schutz bedrohter Tier- und Pflanzenarten. Das Gebiet, durch welches die Grizzlys nun streifen, ist um 50 Prozent gewachsen. Mittlerweile stellen Konflikte mit Bären, die sich zu den Hühnchen von Landbesitzern hingezogen fühlen, eine größere Bedrohung für die Tiere dar als die Jagd.

Bislang ist die Erholung der Grizzlybärbestände des Yellowstone die größte amerikanische Erfolgsgeschichte im Bereich Naturschutz.

Aber ist das genug?

Innenminister Ryan Zinke kündigte letzte Woche an, dass die Regierung unter Trump plant, die Bären im Yellowstone nicht länger durch das ESA unter Schutz zu stellen.  Naturschützer sprachen sich fast einstimmig gegen diese Pläne aus.

Die Bundesregierung beabsichtigt, das Management des geschichtenumwobenen Raubtiers in die Hände der Bundesstaaten Idaho, Wyoming und Montana zu legen. Dieses Vorgehen markiert den krönenden Abschluss eines Prozesses, der bereits unter dem ehemaligen Präsidenten Obama seinen Anfang nahm. Letztendlich könnte diese Entscheidung zu einer legalen Jagd auf  Grizzlybären führen.

In seiner Mitteilung lobte Zinke, ein ehemaliger Kongressabgeordneter für Montana, die Jahrzehnte der Arbeit und des Fortschritts.

„Als jemand, der als Kind in Montana aufgewachsen ist, kann ich Ihnen sagen, dass das schon lange zu erwarten war und dass das wirklich gute Neuigkeiten für viele Gemeinden und Verfechter der Yellowstone-Region sind“, äußerte er sich in einer Mitteilung.

Laurie Wolf von der staatlichen Behörde Montana Fish, Wildlife and Parks stimmt dem zu: „Es ist Zeit, glücklich und stolz zu sein. Wir sind sehr begeistert.“

Die Reaktionen von Naturschützern reichten allerdings eher von skeptisch bis geradezu feindselig.

„Diese Entscheidung ist extrem verfrüht und könnte die Erholung der Grizzlybären im Yellowstone um Jahrzehnte zurückwerfen“, sagte Bonnie Rice von Grizzlybär-Programm des Sierra Clubs in Bozeman, Montana.

Andrea Santarsiere von Zentrum für Biodiversität sagte, dass ihre Organisation „ernsthaft über einen Rechtsbehelf nachdenkt.“

DAS ERBE DER JAGD

Die Grizzlypopulationen, die einst 50.000 oder mehr Tiere zählten, waren bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts von Jägern dezimiert worden. In der Region des Yellowstone verblieben nur 136 Exemplare, und in Teilen Washingtons, Idahos und Montanas waren es sogar noch weniger. Der Kampf um die Zukunft der Yellowstone-Bären tobt seit über einem Jahrzehnt. Die Bundesstaaten wollten die Kontrolle über das Bärenmanagement schon wiedererlangen, noch bevor die Bush-Regierung 2007 verkündete, dass sie den Schutz der Bären unter dem ESA aufheben würde. Diese Entscheidung wurde vor Gericht jedoch erfolgreich angefochten.

Umweltschützer und einige Wissenschaftler äußerten letzte Woche ihre Befürchtungen, dass die neuen Pläne zur bundesstaatlichen Kontrolle die Yellowstone-Bären isolieren könnten. Womöglich könnten sie sich dann nicht eines Tages wie erhofft mit den Populationen in Montana und im Norden Idahos vermischen. Selbst, wenn die Regierung unter Trump sich zunächst an die vorläufigen Pläne halt, die von Obama angekündigt wurden, könnte das den Bundesstaaten am Ende die Möglichkeit geben, zu viele Bären zu töten, so die Sorge. Eventuell könnte die Population sogar wieder unter ihr aktuelles Niveau fallen.

BELIEBT

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    Der Antrag „versagt auf so vielen Ebenen“, sagte Theresa Pierno, die Präsidentin der National Parks Conservation Association. Er „ignoriert diverse Streitpunkte, die von der Öffentlichkeit und den Verantwortlichen des Wildtiermanagements vorgetragen wurden.“

    Wolf vom Bundesstaat Montana sagte, wenn Zinkes Entscheidung die rechtlichen Herausforderungen besteht, würde sich nur wenig sofort ändern. Das Bärenmanagement würde weiterhin von derselben Artenschutzstrategie gelenkt werden, äußerte sie sich, und der Staat hätte es nicht eilig, mit der Jagd auf Bären zu beginnen. Jeder Schritt in diese Richtung würde denselben öffentlichen Prozess wie alle anderen Jagdsaisons durchlaufen, sagte sie.

    „Wir planen, auch weiterhin Weibchen mit ihren Jungen zu zählen und die Verteilung und Sterblichkeit der Bären zu überwachen“, sagte Wolf. „Die Jagd würde von der Populationsgröße und der generellen Sterblichkeitsrate abhängen.“

    Dennoch sind Umweltschützer besorgt, dass Jagd ein unvermeidbarer Teil des Managements durch Bundesstaaten wäre, und dass die Reaktion der Öffentlichkeit die Diskussion um die Erholung der Bärenbestände noch weiter polarisieren könnte.

    Früher oder später, so Rice vom Sierra Club, „wird es Trophäenjagd direkt an der Türschwelle des Yellowstone- und des Grand-Teton-Nationalparks geben. Falls und wenn das passiert, wird es eine ordentliche Gegenreaktion geben.“

    Manche befürchten auch, dass die Bedrohungen durch den Klimawandel nicht ernst genug genommen wurden. Die steigenden Temperaturen haben bereits für einen Rückgang der Weißstämmigen Kiefer gesorgt, da sie anfälliger für Käferbefall wird. In manchen Gebieten dienen die Samen dieser Bäume Grizzlys schon seit Langem als Hauptnahrungsmittel. Allerdings scheinen einige Bären bereits gut in Gebieten zu gedeihen, in denen es keine solchen Bäume gibt – eine Erinnerung daran, dass Grizzlys Allesfresser sind, die sich durchaus gut anpassen können.

    Die Populationen in den nördlichen Rocky Mountains und dem North-Cascades-Nationalpark in Washington sind allerdings auf nur ein halbes Dutzend verschiedener Gebiete beschränkt. Das macht ihre Zukunft umso unsicherer. Manche Verfechter des Wildtierschutzes machen sich am meisten darüber Sorgen, dass sich die Bären nicht von politischen Grenzen einschließen lassen.

    „Ich weiß, wenn die Menschen daran arbeiten, mit den Grizzlys zusammenzuleben, und es ihnen gestatten, ihr Gebiet weiter auszudehnen, dann schaffen die Grizzlys den Rest allein“, sagt Jonathan Proctor von Defenders of Wildlife. „Sie werden überleben und gedeihen und sich ausbreiten, wenn wir sie nur lassen.“

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