Bizarre violette Froschart mit Schweineschnauze
Diese Froschart verbringt fast ihr ganzes erwachsenes Leben unter der Erde.
Wissenschaftler haben im Jahr 2017 eine ungewöhnliche Froschart in den indischen Westghats entdeckt. Der Frosch hat eine glänzende, violette Haut, einen hellblauen Ring um die Augen und eine spitze Schnauze, die an die eines Schweins erinnert.
Wissenschaftler haben die neue Froschart Nasikabatrachus bhupathi getauft, zu Ehren ihres Kollegen Dr. Subramaniam Bhupathy. Der angesehene Herpetologe starb 2014 in den Westghats.
Die Amphibien mögen merkwürdig aussehen, aber jedes anatomische Merkmal der violetten Frösche ist das Ergebnis zahlloser Jahrhunderte der Evolution. Die kleinen Augen, die lange Schnauze und die kurzen Gliedmaßen mit den verhärteten „Schaufeln“ ermöglichen es dem Frosch, fast sein gesamtes Leben unter der Erde zu verbringen.
Die Amphibien kommen nicht einmal zum Fressen an die Oberfläche. Stattdessen nutzen die indischen Frösche ihre lange, geriffelte Zunge, um Ameisen und Termiten unter der Erde in ihr Maul zu ziehen, sagt Elizabeth Prendini. Die Herpetologin am American Museum of Natural History ist die Co-Autorin der Studie, welche die neue Art in der Fachzeitschrift Alytes beschreibt.
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Die Art ist eng mit einem anderen violetten Frosch (N. sahyadrensis) verwandt, der 2013 in der Region entdeckt wurde. Zusammen bilden die zwei Frösche die einzigen bekannten Mitglieder ihrer Familie. Der Fund gelang im Rahmen eines Projekts, das von der indischen Regierung gefördert wird. Ziel ist es, DNA-Proben aller Frosch- und Krötenarten des Landes zu nehmen.
„Diese Abstammungslinie der Frösche ist sehr alt und weist eine sehr geringe Diversität auf, deshalb ist dieser Fund ganz besonders und ungewöhnlich“, sagt Prendini.
SINGING IN THE RAIN
Es gibt nur eines, das die violetten Frösche aus ihren unterirdischen Bauten herauslocken kann: Regen.
Wenn die Regenzeit beginnt und der Monsun einsetzt, erzeugen die Männchen laute Rufe unter dem Sand der Bergflüsse, sagt Ramesh Aggarwal, der Hauptautor der neuen Studie und ein Molekulargenetiker am Zentrum für Zell- und Molekularbiologie in Hyderabad, Indien.
Die Männchen paaren sich dann mit den Weibchen in den Flüssen und Bächen, wo auch die befruchteten Eier abgelegt werden. Nach einem oder zwei Tagen schlüpfen daraus Kaulquappen.
Im Gegensatz zu den Kaulquappen vieler anderer Froscharten verbringen sie ihre Zeit aber nicht damit, in Pfützen und Teichen herumzuschwimmen. Stattdessen entwickeln sie ein größeres Maul, mit dem sie sich an den Felswänden hinter Wasserfällen ansaugen. Dort fressen sie mit ihren winzigen Zähnen Algen von der Oberfläche des Gesteins.
Die kleinen Tiere verbringen etwa 120 Tage an dem Wasserfall, sagt Karthikeyan Vasudevan, Co-Autor der Studie, Biologe und ein Kollege von Aggarwal.
„Das scheint in der gesamten Lebensspanne der Art der größte Zeitraum zu sein, den sie überirdisch verbringt“, so Vasudevan. Nach diesem Stadium verabschiedet sich Nasikabatrachus bhupathi von der Oberfläche und beginnt seine unterirdische Existenz.
DIE WUNDERVOLLE WELT DER FRÖSCHE
„Frösche weisen einfach ganz erstaunliche Anpassungen auf, und dieser Frosch beweist das“, sagt Jodi Rowley, eine Amphibienbiologin am Australischen Museum und National Geographic Explorer. Sie war an der neuen Studie nicht beteiligt.
Rowley sagt, dass es auf der ganzen Welt Froscharten gibt, die sich eingraben können, um Trockenperioden zu überstehen. Nasikabatrachus bhupathi hat diesen Lifestyle jedoch so ins Extreme getrieben, dass er fast sein ganzes Leben unter der Erde verbringen kann.
Der Fund ist auch deshalb besonders interessant, weil die violetten Froscharten nur entfernt mit ihren nächsten Verwandten verwandt sind.
„Beide violette Froscharten haben sich über einen sehr langen Zeitraum unabhängig von anderen Arten weiterentwickelt“, sagt Rowley. „Ihre nächsten Verwandten findet man nicht in Indien, sondern auf den Seychellen, die näher an Afrika als an Indien liegen.“
Insgesamt zeigt diese Art, wie wenig wir im Allgemeinen noch über Frösche wissen.
„Obwohl sie zu den am stärksten bedrohten Tiergruppen des Planeten gehören – 42 Prozent aller bekannten Froscharten sind vom Aussterben bedroht –, wissen wir noch nicht einmal, wie viele Froscharten und andere Amphibien es überhaupt gibt“, so Rowley.
Ihr zufolge werden jedes Jahr mehr als 100 neue Froscharten in wissenschaftlichen Fachzeitschriften beschrieben. (Entdeckt wurden noch viel mehr, aber es braucht Zeit und Mühe, sie offiziell zu beschreiben.) Womöglich wird diese seltsame, schweineschnäuzige Froschart ja auch die nächste Generation junger Biologen inspirieren.
„Da draußen gibt es eine wundervolle Welt voller verblüffender Tiere. Deshalb denke ich, dass wir diese guten Nachrichten feiern sollten“, sagt Rowley.
Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.
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