Perfider Plan machte Waranpenisse zu begehrter Schwarzmarktware

Die Tiere wurden bereits seit Längerem wegen ihres Fleisches und ihrer Haut gejagt.

Von Jani Actman
Veröffentlicht am 9. Nov. 2017, 03:45 MEZ
Bengalenwaran
In Indien gibt es vier Waranarten, darunter den Bengalenwaran, der hier abgebildet ist.
Foto von Joël Sartore, National Geographic Photo Ark

Jose Louies, ein Ermittler für Kriminalität im Bereich Wildtiere, hätte sich nie träumen lassen, dass er seine Zeit einmal damit verbringen würde, Echsenpenisse aufzuspüren. Aber genau das tat er am 22. Juni 2017, als er und ein Kollege in einen Tantraladen in der nordindischen Stadt Noida gingen und dort Interesse am Kauf von Reptiliengenitalien vortäuschten.

Louies leitet die Einheit für Verbrechensbekämpfung der Naturschutzorganisation Wildlife Trust of India. Er war als verdeckter Ermittler in dem Laden, um den Ladenbesitzer Acharya Kalki Krishna zu überführen. Der ehemalige Zollbeamte, der zum Anführer einer okkulten Gemeinschaft wurde, stand unter dem Verdacht, Echsengenitalien zu verkaufen.

Nachdem die Polizisten das vereinbarte Signal – eine Textnachricht – erhalten hatten, stürmten sie den Laden und verhafteten Krishna für den versuchten Verkauf illegaler Wildtierprodukte.

Die Festnahme war nur die jüngste in einer Reihe von Razzien in Indien, die zum Ziel haben, eine weitere absonderliche Praxis in der Welt der Wildtierkriminalität zu beenden. Nur geht es diesmal nicht um Elfenbein oder Hörner, sondern um Hemipenisse – Begattungsorgane – von Waranen.

Die Echsen, die auch die Insekten- und Nagetierpopulationen in Schach halten, stehen in Indien gesetzlich unter Schutz. Zudem verbietet ein internationales Abkommen jeglichen Handel, der das Überleben einer Tierart bedroht. Obwohl die vier in Indien heimischen Waranarten vom Status einer gefährdeten Art noch weit entfernt sind, sind Tierschützer über diese neu entdeckte Bedrohung besorgt. Den Waranen macht bereits Wilderei zu schaffen – ihr Fleisch wird gegessen und aus ihrer Haut werden Trommeln und Sandalen hergestellt.

Um das Interesse an dieser eigentümlichen Ware zu steigern, haben Verkäufer einen Plan ausgeheckt, der den Aberglauben ihrer Kunden ausnutzt, so Louies. Dazu trocknen sie die Penisse und vermarkten sie nicht als Reptiliengenitalien, sondern als magische Wurzeln, die ihren Besitzern Glück und Zufriedenheit bescheren.

„Sie sagen, dass sie Glück bringen und einem bei Gerichtsverhandlungen helfen können“, sagt Louies.

Die Betrüger nennen das Produkt Hatha jodi, was aus dem Hindi übersetzt etwa „verschränkte Hände“ bedeutet und auf die äußerliche Ähnlichkeit der Genitalien mit zwei Händen anspielt, die wie zum Gebet ineinander verschränkt sind.  Um den Reiz des Produkts noch zu steigern, behaupten einige, die „Wurzel“ stamme von seltenen Pflanzen, die an heiligen Orten wachsen, beispielsweise im nepalesischen Lumbini, dem Geburtsort des Buddha, oder den Hügeln des Ortes Amarkantak im Bundesstaat Madhya Pradesh.

Aber Kontrollen und Laboruntersuchungen der beschlagnahmten Hatha-jodi-Produkte erzählen eine ganz andere Geschichte.

„WIR KONNTEN ES NICHT FASSEN“

Das Geschäft mit den Genitalien fiel Louies 2016 zum ersten Mal auf, als ein Informant ihm eine Probe brachte und ihm erzählte, dass Wilderer im Zuge einer Betrugsmasche Warane töteten.

Der Mann sagte, dass er Wilderer dabei beobachtet hätte, wie sie männliche Warane totschlugen, Einschnitte machten, um ihre fünf Zentimeter großen Hemipenisse herauszuziehen (die bis zur Paarung in einer Körpertasche versteckt sind) und sie dann mit einer scharfen Klinge abzutrennen. Die Körperteile werden dann in der Sonne getrocknet und in Indien und im Ausland als Pflanzenwurzeln verkauft.

In indischen Läden und online werden die getrockneten Penisse männlicher Warane als magische Wurzeln verkauft, die Glück bringen.
Foto von Jose Louies, IFAW-WTI

„Wir konnten es nicht fassen“, sagt Louies. „Wir haben schon davon gehört, dass Tigerpenisse verwendet werden, aber das ist eine charismatische Art. Wir reden hier über verdammte Echsen!“

Sein Staunen nahm noch zu, als eine kurze Google-Suche nach Hatha jodi mehr als 100 Werbeanzeigen für das Produkt zutage förderte. Die Preise variierten bei Onlinehändlern wie Amazon, Snapdeal, eBay und Alibaba zwischen fünf und 70 Dollar.

Neil D‘Cruze, ein Berater für die britische Organisation World Animal Protection, entdeckte diesen Handel etwa zur selben Zeit wie Louies und führte online und in Indien seine eigenen Recherchen durch.

„Als ich in Delhi durch die Läden ging und die Produkte sah, wurde es zu 100 Prozent deutlich, dass es sich um Warane handelte“, sagt D‘Cruze. Der Herpetologe arbeitet aktuell an seiner Promotion an der Oxford Brookes Universität in Großbritannien.

Naturschützer und Polizeibeamte begannen mit einer groß angelegten Untersuchung des Handels. Sie haben verdeckt mit Händlern gesprochen, die die Vorteile ihrer Waren anpriesen und Möglichkeiten aufzeigten, sie „energetisch aufzuladen“, zum Beispiel durch das Eintauchen in Honigmilch oder indem man um Mitternacht in ihrer Gegenwart singt.

Louies glaubt, dass der Großteil des Handels online passiert, auch wenn die vermeintliche Wurzel in Tantrashops in ganz Indien zu finden ist. Durch die wachsende Bedeutung von Onlinehändlern hat auch die globale Nachfrage in den letzten Jahren enorm zugenommen.

„Das ist ein Binnenhandel, der seine Tentakel jetzt auch über die Ländergrenzen hinausstreckt und wahrscheinlich auf Gemeinden im Ausland lebender Inder in Europa, den USA und Kanada abzielt“, sagt Cruz.

ERFOLGE DURCH HARTES VORGEHEN

Die erste Razzia wurde in Indien im Mai durchgeführt, als die Polizei Hatha jodi von einem Händler in Hyderabad beschlagnahmte. Sie schickten etwa 30 Proben an das indische Zentrum für Zell- und Molekularbiologie, wo ein Gentest offenbarte, dass es sich bei dem Material um die Penisse von Waranen handelte.

Seitdem haben Polizeibeamte laut Louies weitere zehn bis 15 Verhaftungen durchgeführt. Bei einer davon in Bhubaneswar wurden 210 Exemplare von Hatha jodi beschlagnahmt.

„Wir wollten die Händler überraschen“, sagt Louies. „Es war der Plan, sie dann zu treffen, wenn sie es nicht erwarteten.“

BELIEBT

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    Ein Zollbeamter in Bangkok hält einen von 1.800 Waranen hoch, die auf dem Weg vom Süden Thailands in die Hauptstadt beschlagnahmt wurden. Warane werden schon seit Längerem illegal wegen ihres Fleisches und ihrer Haut gejagt.
    Foto von Sakchai Lalit, Ap

    Es gibt Anzeichen dafür, dass die Razzien dem Handel den Wind aus den Segeln nehmen. D‘Cruze sagt, dass Alibaba und eBay Hatha-jodi-Produkte aus ihrem Sortiment entfernt haben. Die amerikanischen und kanadischen Amazon-Seiten bieten sie jedoch weiterhin an.

    „Amazon gestattet den Verkauf illegaler Produkte nicht, daher ermitteln wir gerade“, teilte ein Sprecher National Geographic mit.

    Louies hat auf seinem PC einen Alarm eingerichtet, der ihn darüber informiert, wenn Hatha jodi online zum Verkauf angeboten wird. Außerdem will er eine Webseite einrichten, um die Öffentlichkeit über die eigentliche Beschaffenheit des Produkts aufzuklären.

    Trotz allem, was Louies und andere Interessierte im vergangenen Jahr über diesen Schwarzmarkt in Erfahrung bringen konnten, bleibt ein Geheimnis noch offen. „Aktuell“, so D‘Cruze, „haben wir wirklich keine Ahnung, wer sich diesen perfiden Plan ausgedacht hat, der die illegale Jagd auf Tausende Warane beinhaltet.“

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