Klimawandel macht Bartagamen dümmer

Eine Studie lässt darauf schließen, dass höhere Nesttemperaturen die Gehirne der Echsen in den Eiern nachhaltig beeinflussen könnten.

Von Christie Wilcox
Veröffentlicht am 29. Nov. 2017, 16:38 MEZ
Bartagame
Bartagamen, deren Eier höheren Temperaturen ausgesetzt sind, lernen als ausgewachsene Tiere langsamer.
Foto von Joël Sartore, National Geographic Creative

Viele Arten – darunter auch Menschen, haben Probleme, bei zu hohen Temperaturen zu überleben. Schon ein kleiner Temperaturanstieg kann bei manchen Arten eine große Wirkung erzielen und Veränderungen im Körperbau oder dem Verhalten nach sich ziehen.

Für manche Echsenarten könnte das wärmere Klima besonders perfide Nachteile bringen. Eine neue Studie, die in „Royal Society Open Science“ veröffentlicht wurde, fand heraus, dass der durch den Klimawandel erwartete Temperaturanstieg Bartagamen dümmer machen kann.

Bartagamen sind australische Echsen, die mittlerweile auch als beliebte Haustiere gelten und wie die meisten Reptilien nicht so dumm sind, wie man vielleicht annimmt. „Reptilien galten lange als träge und unintelligente Tiere“, sagt Anna Wilkinson, eine Wissenschaftlerin für Tierkognition an der Universität von Lincoln. Diese Wahrnehmung änderte sich jedoch, als Forschungen zeigten, dass viele Echsen komplexe kognitive Fähigkeiten wie jene zur Problemlösung oder zur Navigation besitzen.

Kürzlich fanden Wilkinson und ihre Kollegen in einer Studie heraus, dass Bartagamen (Pogona vitticeps) sich gegenseitig nachahmen können, um neue Verhaltensweisen zu erlernen. Ein solches Maß an sozialer Wahrnehmung sprach man vor gar nicht langer Zeit noch lediglich Primaten zu.

„Lernen durch Beobachten eines anderen Individuums kann eine Abkürzung darstellen, um eine Lösung zu finden. Es kann Tieren ermöglichen, solche Aufgaben zu bewältigen, die sie vielleicht nicht durch Ausprobieren lösen können“, erzählt Wilkinson National Geographic. Reptilien werden zudem alle Lernstrategien brauchen, die sie aufbringen können, um sich an die Veränderungen in der Welt anzupassen, wie sie hinzufügt.

VERWÖHNTE EIER

Reptiliengehirne werden – genau wie die Organe pelziger und gefiederter Lebewesen – schon während ihrer Entwicklungsphase geformt und beeinflusst. Das bedeutet, dass die Umweltbedingungen, denen Reptilieneier ausgesetzt sind, dauerhafte Auswirkungen haben können.

Wilkinson und ihre Kollegen wollten untersuchen, ob die Inkubationstemperatur sich auf die Intelligenz der Bartagamen auswirkte. Untersuchungen hatten ergeben, dass die Nesttemperaturen trotz der Bemühungen der Reptilienmütter durch die globale Erwärmung insgesamt ansteigen.

Die Forscher nahmen ein einziges Gelege aus 13 Eiern und teilten es in zwei Gruppen auf. Sieben Eier wurden bei 30 °C ausgebrütet, während die anderen sechs bei 27 °C heranreiften. Weibchen und Männchen waren fast gleich verteilt.

Beide Gruppen wurden ein Jahr lang getrennt voneinander gehalten, aber unter gleichen Bedingungen. Als die Individuen ausgewachsen waren, wurden sie getestet. Jedem der Tiere wurde ein Video einer Echse gezeigt, die eine Schiebetür öffnete, um an eine leckere Belohnung dahinter zu kommen. Dann erhielt jedes Exemplar fünf Minuten Zeit, um die Tür selbst zu öffnen und sich die Belohnung abzuholen.

Obwohl eine Schiebetür wie eine einfache Aufgabe anmuten mag, haben Wilkinson und ihre Kollegen bei vorigen Tests herausgefunden, dass diese Tiere sie nur lösen können, wenn sie zuvor andere Artgenossen dabei beobachtet haben. Wenn ein Exemplar die Tür also öffnen konnte, galt das als Beweis dafür, dass es aus dem Tutorial gelernt hat. Jede Bartagame durchlief den Test zehnmal.

Die Forscher fanden heraus, dass jene Tiere, deren Eier der höheren Temperatur ausgesetzt waren, den Test mit etwas geringerer Wahrscheinlichkeit meisterten. Was noch wichtiger war: Selbst, wenn sie die Tür öffneten, brauchten sie im Schnitt anderthalb Minuten länger dafür als jene Echsen, deren Eier bei der kühleren Temperatur inkubierten. Für Wilkinson weist das darauf hin, dass die wärmere Inkubation die Fähigkeit der Tiere beeinträchtigte, von anderen zu lernen.

Weitere Forschungen könnten offenbaren, was genau im Gehirn der Bartagamen während der Entwicklungsphase diese kognitive Ungleichheit auslöst und wie sie sich auf die Überlebens- und Fortpflanzungsfähigkeit auswirkt.

MANCHE MÖGEN‘S HEISSER

Wilkinsons Ergebnisse ähneln denen des Wildtierökologen Jonathan Webb, der untersucht hat, wie sich die Nesttemperatur auf das räumliche Lernvermögen des Doppelfingergeckos Amalosia lesueurii auswirkt. Die Geckos, deren Eier bei höheren Temperaturen inkubierten, waren nicht nur etwas stumpfsinniger, sondern hatten in der Wildnis auch geringere Überlebenschancen.

BELIEBT

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    Amalosia lesueurii
    Auch Vertreter der Art Amalosia lesueurii scheinen durch Hitze an Intelligenz einzubüßen.
    Foto von Joël Sartore, National Geographic Photo Ark

    Webb, ein Professor an der University of Technology Sydney in Australien, verwies darauf, dass bisherige Studien dieser Art nur frisch geschlüpfte Tiere untersuchten. „Diese Abhandlung betritt Neuland, indem sie zeigt, dass Auswirkungen auf kognitive Fähigkeiten, die aus der Inkubationszeit stammen, bis ins Erwachsenenalter anhalten können“, erzählte er National Geographic.

    „Der einzige Schwachpunkt der Studie ist der geringe Stichprobenumfang“, sagte er – eine Einschränkung, die auch dem Neurowissenschaftler Josh Amiel auffiel.

    Amiel entdeckte einen gegenteiligen Effekt – einen Anstieg der kognitiven Fähigkeiten durch eine höhere Inkubationstemperatur –, als er das nicht-soziale Lernen von frisch geschlüpften Skinks der Art Bassiana duperreyi untersuchte. Da Skinks und Agamen auf dem Echsenstammbaum nicht allzu nah verwandt sind, „ist es nicht wirklich überraschend, dass [die höhere Temperatur] andere Auswirkungen als auf die Skinks in meiner Studie hat“, sagte Amiel.

    Reptilien galten schon vor dieser Erkenntnis als durch den Klimawandel gefährdet: Man vermutet, dass bis 2080 etwa ein Fünftel aller Echsenarten aussterben könnte. Mentale Einschränkungen könnten diese Überlebenschancen noch weiter schmälern. Amiel vermutet, dass es ein paar Gewinner wie die Skinks geben könnte – aber eben auch Fälle wie jenen der Bartagamen. „Sie könnten die Verlierer sein, und das erlaubt es anderen Tieren, ihren Anspruch auf diesen Lebensraum anzufechten“, sagte er.

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