Wie gehen Erdhörnchen mit Kälte um?

Mindestens zwei winterschlafhaltende Säugetiere haben Eigenheiten in ihrem zentralen Nervensystem, das sie kälteunempfindlich macht.

Von Jason Bittel
Veröffentlicht am 27. Dez. 2017, 18:21 MEZ
Das Dreizehnstreifen-Hörnchen (Foto) lebt in den Grasebenen Nordamerikas, wo der Winter eisig kalt sein kann.
Das Dreizehnstreifen-Hörnchen (Foto) lebt in den Grasebenen Nordamerikas, wo der Winter eisig kalt sein kann.
Foto von Gracheva lab

Frieren Tiere, die Winterschlaf halten?

Es wirkt vielleicht wie eine einfache Frage, aber Wissenschaftler haben lange gerätselt, wie Bären, Fledermäuse, Schlangen und viele andere Tierarten den Winter überdauern können, ohne zu erfrieren.

Laut neuester Studienergebnisse könnte das daran liegen, dass Tiere im Winterschlaf die Kälte nicht so empfinden wie wir.

„Wenn man die Neuronen einer Maus oder eines Menschen Kälte aussetzt, fangen sie an zu feuern ... wie verrückt“, sagt die leitende Autorin Elena Gracheva, eine Neurophysiologin an der Yale University School of Medicine.

Aber als Gracheva und ihre Kollegen Winterschläfer wie das Dreizehnstreifen-Hörnchen und Goldhamster im Labor niedrigen Temperaturen aussetzten, beobachteten sie nur wenig Aktivität in ihrem TRPM8-Kanal. Dies ist ein Bereich des zentralen Nervensystems, der Kälteinformationen verarbeitet.

VON FEUER UND EIS

In einem anderen Laborexperiment ließen die Forscher Erdhörnchen, Hamster und Mäuse zwischen zwei Plattformen wählen: Eine hatte kuschelige 30 Grad Celsius, die andere eine Absenkung von 30 Grad Celsius bis zum Gefrierpunkt bei 0 Grad.

Die winterschlafhaltenden Tiere zeigten zwar eine Präferenz für die warme Plattform, untersuchten jedoch auch scheinbar unbeeindruckt vom Temperaturwechsel die kalten Bereiche.

Ein Goldhamster beim Experiment auf einer Plattform mit variierenden Temperaturen.
Foto von Gracheva lab

Die Mäuse jedoch reagierten ganz anders auf die kalte Plattform.

„Sie berührten sie mit einer Pfote und meinten dann: ‚Oh oh, ich will da nicht hin. Das ist zu kalt für mich‘“, sagt Gracheva, deren Studie im Dezember 2019 im Wissenschaftsmagazin Cell Reports erscheint.

Tatsächlich berührten die Mäuse nach ihrer ersten Erfahrung die kalte Plattform nie wieder.

Was ist also für die unterschiedlichen Reaktionen von Mäusen, Erdhörnchen und Hamstern verantwortlich?

BELIEBT

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    Ursprünglich hatten Gracheva und ihr Kollegen die Hypothese aufgestellt, dass die Winterschläfer vielleicht weniger Kälterezeptoren in ihrem Nervensystem besitzen. Stattdessen fand das Team nach der Sezierung der Wirbelsäulen einiger Tiere heraus, dass Erdhörnchen und Hamster über die gleiche Anzahlt von Rezeptoren verfügen – ihre Empfindlichkeit ist nur anscheinend viel niedriger.

    „Ihnen ist vielleicht ein bisschen kalt, aber ich vermute, dass es ihnen möglicherweise einfach egal ist“, sagt sie.

    LEBEN UND TOD

    Für Winterschläfer ist die höhere Kältetoleranz mehr als ein netter Partytrick.

    Um den Winter und den Futtermangel zu überleben, durchlaufen diese Tiere eine Reihe physiologischer Veränderungen. So reduzieren sie beispielsweise ihre Körpertemperatur, Herz- und Atemfrequenz.

    Daher ist es nicht überraschend, dass Winterschläfer versteckte Tricks in ihrem zentralen Nervensystem entwickelt haben, das ihre Körper im Umgang mit der Kälte unterstützt. (Lesenswert: Der Winterschlaf ist gar kein Schlaf)

    Doch laut Brian Barnes, Leiter des Institute of Arctic Biology an der University of Alaska Fairbanks ist der Verlust der Empfindlichkeit, wie in der neuen Studie beschrieben, auch aus anderen Gründen interessant: Kälte zu spüren ist einer der Indikatoren, an denen die Körper dieser Tiere erkennen, dass es Zeit für den Winterschlaf wird.

    „Es ist überraschend, dass die Rückmeldung der Nerven im Rückgrat über die Körpertemperatur für ein Tier scheinbar nicht wichtig ist, wenn es abkühlt“, sagt Barnes, der den Winterschlafzyklus von arktischen Erdhörnchen und Bären studiert.

    ORGANISMEN IN EXTREMEN LEBENSRÄUMEN

    Barnes warnt jedoch auch, dass diese Winterschläfer-Superkräfte Grenzen haben könnten.

    Ein eingerolltes Dreizehnstreifen-Hörnchen. Diese Spezies ruht und wirft seine Jungen ebenfalls in seiner Erdhöhle.
    Foto von Gracheva lab

    Er vermutet, dass  die Gehirne der Winterschläfer mehr oder weniger normale Signale aussenden, wenn die Temperaturen unter den Gefrierpunkt sinken.

    Dann ist es praktisch, wenn man ein dickes Fell, Körperfett und einen schützenden Bau besitzt. (Lesenswert: Der Affe, der in die Kälte ging)

    Gracheva hofft, bei ihrem nächsten Projekt noch tiefer in die Mysterien des Winterschlafs vordringen zu können. Dieses sieht vor, die für Kälteempfindlichkeit zuständigen Gene aus Erdhörnchen und Hamstern zu entnehmen und sie Mäusen einzusetzen.

    Sie fügt hinzu, dass die weiter andauernde Forschung vielleicht zu medizinischen Fortschritten für den Menschen führt. Zum Beispiel könnte man die Auswirkungen einer durch Kälte verursachen Neuropathie umkehren oder die Schäden an Transplantationsorganen reduzieren, die auf Eis gelagert werden.

    „Organismen in extremen Lebensräumen [wie Erdhörnchen und Hamster] können uns eine Menge über allgemeine Biologie beibringen“, sagt sie, „ und vielleicht sogar die menschlichen Gesellschaft profitieren lassen.“

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