Die Jäger der Schmetterlinge

Sie fangen seltene Falter und töten sie, dabei sind die funkelnden Schätze dann nur noch halb so schön. Sammler auf der ganzen Welt zahlen dennoch viel Geld dafür.

Von Matthew Teague
bilder von Evgenia Arbugaeva
Veröffentlicht am 27. Juli 2018, 06:00 MESZ
In der Küche eines Hauses in Westpapua (Indonesien) schlüpft ein Ornithoptera goliath. Er wird bald getötet ...
In der Küche eines Hauses in Westpapua (Indonesien) schlüpft ein Ornithoptera goliath. Er wird bald getötet werden,
 damit seine Flügel erhalten bleiben und die Farben konserviert werden. Der Handel mit seltenen Schmetterlingen blüht weltweit.
Foto von Evgenia Arbugaeva

Den Schmetterling Papilio blumei zu jagen ist eine tückische Angelegenheit. Die Spezies aus der Familie der Schwalbenschwänze lebt nur auf der indonesischen Insel Sulawesi und dort in einer ganz bestimmten Höhenlage. Steile Felsen bestimmen den Lebensraum, bedeckt von einer dünnen Schicht feuchter Erde. Bei jedem Schritt löst man eine kleine Schlammlawine aus. Das Klettern ist sehr mühsam. Und so wird einem auf dem Weg Richtung Gipfel klar, warum für manche Schmetterlinge solche Unsummen Geld bezahlt werden: Sie sind selten, schwer zu erreichen – und da sie unter Artenschutz stehen, nur auf dem Schwarzmarkt zu bekommen.

Der Jäger, ein Mann namens Jasmin Zainuddin, bleibt kurz stehen. Mit einem Stock stochert er im Schlamm, um zu prüfen, ob der Pfad trägt. „Nur noch ein bisschen höher“, sagt er. Jasmin hat sein ganzes Leben auf Sulawesi verbracht und sich über Jahrzehnte ein Netzwerk aus Informanten, Kurieren und Fängern aufgebaut, das ihm hilft, Schmetterlinge von den hiesigen Berggipfeln an Sammler auf der ganzen Welt zu liefern.

Jedes Wort von Jasmin, jeder Gegenstand, den er berührt, jede Erinnerung, von der er berichtet, dreht sich um Schmetterlinge. Er hat sie gesucht, studiert und gefangen, seit er als kleiner Junge einem Ausländer begegnet ist. Heute bezahlt er selbst eine ganze Armee kleiner Jungen mit hauchdünnen Netzen. Gemeinsam bilden sie den Ausgangspunkt einer Handelskette für Schmetterlinge, die in privaten Salons und Vorstandsetagen von Unternehmen in fernen Ländern endet. Dort zahlen manche Sammler viele Tausend Dollar für Exemplare, die sie hinter Glas zur Schau stellen.

Handel mit Schmetterlingen – das hört sich antiquiert an, aber erst das Internet hat den modernen Vertrieb überhaupt möglich gemacht. Britische Behörden verurteilten 2017 erstmals einen Mann, der einen Quendel-Ameisenbläuling gefangen und getötet hatte. Dieser war in Großbritannien ausgestorben und mühsam wieder angesiedelt worden. Die Ermittler konnten den Täter mit einem Nutzerkonto eines Online-Auktionshauses in Verbindung bringen.

2007 führten langjährige Ermittlungen der US-Fischerei- und -Jagdbehörde in Los Angeles zur Verurteilung des Japaners Hisayoshi Kojima, der sich selbst als „meistgesuchten Schmetterlingsschmuggler der Welt“ bezeichnete. Er hatte einem verdeckten Ermittler eine illegale Sammlung im Wert von mehr als einer Viertelmillion Dollar angeboten. Welches Ausmaß der weltweite Schwarzmarkt für Schmetterlinge heute insgesamt hat, ist kaum zu beziffern; die Schätzungen reichen bis zu mehreren Hundert Millionen Dollar im Jahr.

Eines Abends bei Sonnenuntergang sitzen einige Fänger auf Jasmins Ausguck und unterhalten sich. Dann steht einer plötzlich auf, greift nach seinem Netz und springt hinunter auf den Boden. Die anderen jubeln, während er bergauf rennt und sein Netz in Richtung einer dunklen, geisterhaften Gestalt in der Luft schwenkt.

Als er zurückkehrt, inspizieren die Männer den Fang: ein birdwing, zu Deutsch: „Vogelfalter“. Das ist eine Gruppe besonders seltener, großer Schmetterlingsarten, die ebenfalls zur Familie der Schwalbenschwänze zählt und weltweit unter Schutz steht.

„Es ist nur ein kleiner“, sagt Jasmin.

Dennoch ist er riesengroß und bedeckt eine ganze Männerhand. Die Flügel sehen düster gefleckt aus, bis Jasmin den Vorderflügel vom Hinterflügel wegschiebt und einen gelben Streifen offenlegt. Eine verborgene Schönheit.

Die Männer feiern. Das Exemplar wird einen noch höheren Preis erzielen als der Papilio blumei. Warum das so ist, darüber sprechen sie nicht: Das Fangen von Papilio blumei ist zwar im Nationalpark Bantimurung Bulusaraung verboten, aber den birdwing darf man nirgendwo auf der Welt fangen. Also wird er auf dem Schwarzmarkt landen.

Am folgenden Tag macht sich Jasmin auf den Weg zum Markt vor den Toren des Parks Bantimurung. Der Markt liegt vor dem Eingang zum Bantimurung Ecotourism Park, der das Tor zum Nationalpark bildet. Der Gegensatz zur Einsamkeit, in der die Fänger im Nebel des Gebirges ihre Falter ködern, könnte größer nicht sein: Es herrscht buntes Gewimmel wie an Karneval. Die Händler rufen „kupukupukupu-kupu!“ – „Schmetterlinge! Schmetterlinge!“ –, während die Menschenmassen sich zwischen den Reihen der Stände hindurchschieben.

Die Vorschriften für den Fang, Verkauf und Export von Schmetterlingen sind in Indonesien kompliziert und voller Ausnahmen. Wenn sie extra dafür gezüchtet wurden, dürfen selbst gefährdete Arten unter bestimmten Bedingungen gekauft und verkauft werden. Denn dadurch geraten die natürlichen Bestände nicht weiter unter Druck. Aber wie unterscheidet man einen wilden Schmetterling von einem Exemplar, das auf einer Zuchtfarm herangewachsen ist?

Während Jasmin zwischen den Ständen hindurchgeht, frage ich ihn: Gibt es hier einen Bereich für den legalen Handel und einen für den Schwarzmarkt? Er verschränkt erst die Arme, dann Hände und Finger – er will damit zeigen, dass beide Märkte miteinander verflochten sind. Ob er mich auf geschützte Schmetterlingsarten in der Auslage hinzuweisen könnte? Er setzt ein sanftes Lächeln auf, dann geht er zwischen den Ständen hindurch und deutet auf mehrere Ausstellungsstücke: „Der hier“, sagt er. „Der ... der ... der...der...der...der...der...“ Er zeigt auf ungefähr die Hälfte der Schmetterlinge.

Wie Jasmins Tiere sind sie von Jungen auf weit entfernten Inseln gefangen und von Zwischenhändlern in Kleinbussen hierher transportiert worden – ganze Berge von ihnen. Nun warten sie auf Käufer, die sie womöglich ins Ausland exportieren.

Dieser Artikel wurde gekürzt und bearbeitet. Die ganze Reportage steht in der Ausgabe 8/2018 des National Geographic Magazins. Jetzt ein Magazin-Abo abschließen!

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