Die Tapferen

Meistens gehen Männer gegen Wilderer vor. Doch Die Akashinga in Simbabwe beweisen: Frauen sind die besseren Ranger.

Von Lindsay Smith
bilder von Brent Stirton
Veröffentlicht am 23. Mai 2019, 03:14 MESZ
weiblicher Ranger in Simbabwe
Petronella Chigumbura trainiert Aufklärungstechniken im Busch von Simbabwe. Sie ist keine Soldatin, sondern eine Akashinga: So nennen sich die Mitglieder einer gemeinnützigen Wildhütermission, die nur aus Frauen besteht.
Foto von Brent Stirton

Mühsam hält Sergeant Vimbai Kumire ihr Handy hoch und zeigt das Foto eines toten Leoparden. Der Hals der Großkatze ist aufgeschlitzt, ihre blutigen Pfoten hängen schlaff herunter.

„Vor meinem Job habe ich mir über so etwas keine Gedanken gemacht“, sagt Kumire. Heute ist das anders. Sie und ihr Team – alles Frauen – gehören jetzt zu den entschlossensten Beschützern der Tiere. Akashinga werden die Wildhüterinnen genannt, „Tapfere“ in der Sprache der Shona. Sie bilden einen Zweig der gemeinnützigen International Anti­Poaching Foundation. Die Anti­Wilderer­Organisation beaufsichtigt die Phundundu Wildlife Area: ein 300 Quadratkilometer großes Ökosystem des Sambesitals, ein einst bei Trophäenjägern beliebtes Re­ vier. In dieser Region sind in den vergangenen zwei Jahrzehnten Tausende Elefanten illegal getötet worden. Menschen und Tiere leben hier eng zusammen, was zu Konflikten führt. Wie dem Vorfall mit dem toten Leoparden, zu dem Kumire gerade fährt.

Als sie angekommen ist, muss sich die 1,60 Meter große Frau einen Weg durch die wütende Menschenmenge bahnen. Sie spricht leise, aber bestimmt mit den Menschen. Zehn verletzte Männer treten zögerlich vor. Einer hat einen Verband an der Wange, der Arm eines anderen ist in blutige Baumwollstreifen gewickelt. Auch die restlichen Männer mit Kratzern und punktförmigen Bisswunden drängen sich schließlich um sie. Naturschutzbeauftragte hatten den Leopardenkadaver beschlagnahmt und die Männer bezichtigt, das Gesetz gebrochen zu haben. Die aufgebrachten Einwohner bestreiten die Tat. Die verletzten Männer behaupten, der Leopard habe sie zuerst angegriffen. Allerdings sind die Wunden nur oberflächlich – was die Wildhüterinnen skeptisch macht: Hätten sich die Männer aus reiner Notwehr gegen eine Attacke gewehrt, wären sie wohl schlimmer verletzt. Es ist eine Straftat, Wildtiere ohne Genehmigung zu töten, das wissen alle. Aber Fell, Zähne, Krallen und Knochen des Leoparden sind auf dem Schwarzmarkt Hunderte Dollar wert. Das entspricht in Simbabwe einem Monatsgehalt.

Die Akashinga stellen den Kadaver sicher und protokollieren, was passiert ist. Dann lassen die Frauen die Verwundeten in ihrem Transporter Platz nehmen und bringen sie in die Klinik. Zu ihren Aufgaben gehört es auch, das Verhältnis zwischen Tieren und Menschen zu verbessern.

Damien Mander, der Gründer der Akashinga­ Mission, kennt solche Szenen gut. Er stammt aus Australien, ist ein ehemaliger Elitesoldat mit Tätowierungen an Armen und Beinen und bildet seit mehr als einem Jahrzehnt Wildhüter in Simbabwe aus. Seine Erfahrungen im Irak und im Krieg gegen die Wilderer haben ihn gelehrt: Veränderungen – egal ob es um Frieden zwischen verfeindeten Völkern oder zwischen Mensch und Tier geht – funktionieren nie ohne die Einbindung der örtlichen Bevölkerung. „Einheimische haben ein ureigenes Interesse an den Orten, aus denen sie stammen und in denen sie leben“, sagt er. „Für Ausländer gilt das nicht.“

Als Mander Wildhüter für die Phundundu Wildlife Area brauchte, suchte er sie daher in den umliegenden Dörfern – vor allem unter den Frauen. Er war über die Jahre zu dem Schluss gekommen, dass diese in mancherlei Hinsicht besser für den Job geeignet sind als Männer: Sie sind weniger anfällig für Bestechung durch Wilderer und erfolgreicher, wenn es darum geht, gefährliche Situationen zu deeskalieren. Mander kannte auch Studien, die zeigen, dass arbeitende Frauen in Entwicklungsländern 90 Prozent ihres Einkommens in ihre Familien investieren – Männer dagegen nur 35 Prozent. Außerdem erkennen Frauen eher, dass Wildtiere wertvoller für die Gemeinschaft sind, wenn sie leben. Tote Tiere dienen vor allem den Wilderern.

Mander wählte Frauen aus, die Traumata erlitten hatten: Aids-Waisen, Opfer sexueller Übergriffe oder häuslicher Gewalt. Sein Gedanke: Wer wäre besser geeignet, Tiere gegen Ausbeutung zu schützen, als Menschen, die Ausbeutung am eigenen Leib erfahren haben? Beim Aufnahmetest orientierte er sich an der Ausbildung von Elitesoldaten: Er ließ die Frauen drei Tage lang ununterbrochen zu Übungen antreten. Das sollte zeigen, wie teamfähig sie sind – auch dann, wenn sie froren, Hunger litten und erschöpft waren. Von 37 Rekrutinnen zu Beginn der Kurse sprangen lediglich drei ab; 16 wurden für die Ausbildung ausgewählt. Einige Jahre zuvor hatte Mander bei einem ähnlichen Kurs 189 Männer geprüft. Am Ende des ersten Tages hatten alle bis auf drei aufgegeben. „Wir dachten, dass wir die Frauen mit dem Training durch die Hölle schicken“, sagt Mander. „Doch wie sich herausstellte, waren sie da schon gewesen.“

Am Morgen nach dem Vorfall mit dem Leoparden geht die Sonne früh über dem Lager der Akashinga auf: ein Dutzend grüne Zelte auf einem Hügel, von dem aus man die Gegend in alle Richtungen überblicken kann. Mander instruiert die Frauen für zwei Razzien, die in der nächsten Nacht stattfinden sollen: eine bei einem Mann, der ein nicht registriertes Gewehr für die Wilderei besitzen soll; die andere bei einem Mann, der ein Leopardenfell verkaufen will. Den Vormittag verbringen die Frauen mit Übungen, bis jede ihre Position für den Einsatz präzise beherrscht. Dann fahren sie los.

Nach Mitternacht kommen sie am Haus des mutmaßlichen Waffenbesitzers an. Mander fährt mit Vollgas auf das Grundstück und bremst scharf. Die Wildhüterinnen springen hinaus und nehmen ihre Positionen ein. Eine klopft an die Haustür, der Verdächtige öffnet. Im Haus finden die Wildhüterinnen getrocknete Häute mehrerer Ducker, einer kleinen Antilopenart. Mit Handschellen gefesselt, wird der Mann in den Transporter gesetzt.

Es ist eine klare, mondlose Nacht, die Milchstraße strahlt am Himmel. Seit fast 24 Stunden sind die Frauen nun schon auf den Beinen. Aber Feierabend ist nicht in Sicht. „Wir sind nicht müde“, sagt Kumire. „Wir werden nicht müde, bis unsere Aufgabe erfüllt ist.“

Erst am folgenden Morgen, als sie auch den Mann mit dem Leopardenfell festgenommen haben, kehren sie zum Basislager zurück. Als Nächstes sollen sie einen Mann fassen, der im Verdacht steht, Elefanten zu wildern. In den Stunden dazwischen werden sie wieder auf Patrouille gehen und Wildererfallen unschädlich machen. Es sind nur einige der Erfolge der Akashinga. Mander ist überzeugt, dass er mit seinem Instinkt richtiglag: „Frauen wie sie können alles besser machen.“

 

Diese Reportage wurde gekürzt. Sie finden den vollständigen Artikel in Heft 6/2019 des National Geographic-Magazins.

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