Schwertstör: Einer der größten Fische der Welt ist ausgestorben

Der im Jangtsekiang heimische Schwertstör wurde über drei Meter lang. Trotz intensiver Suche wurde seit 2003 kein lebendes Exemplar des Fisches mehr gesichtet.

Von Douglas Main
Veröffentlicht am 10. Jan. 2020, 09:38 MEZ
Schwertstör (Psephurus gladius)
Der letzte lebende Schwertstör (Psephurus gladius) wurde 2003 gesichtet. Mittlerweile gilt die Art als ausgestorben. Aufgrund ihrer Seltenheit und ihres unerwarteten Verschwindens gibt es nur sehr wenige Fotos von den Tieren.
Foto von Qiwei Wei

Der Schwertstör und seine nahen Verwandten schwimmen seit mindestens 200 Millionen Jahren durch die Gewässer der Welt. Die Art, deren Exemplare mehr als drei Meter lang werden können, überlebte unvorstellbare Veränderungen und Umbrüche, darunter auch das Massensterben, welches die Dinosaurier und zahlreiche Meeresreptilien ausrottete. Während ihrer Lebzeit entwickelten sich Blütepflanzen, die langsam die Ufer seiner Heimat eroberten – dem Jangtsekiang im heutigen China.

Lange Zeit später begann Bambus das Bild der Landschaft zu prägen, und noch deutlich später folgte der Riesenpanda. In den letzten paar tausend Jahren – einem bloßen Augenblick in der Geschichte der Evolution – entwickelte sich China zum bevölkerungsreichsten Land der Welt. Im schlammigen Wasser des Jangtse lebten die Schwertstöre ihr Leben weiterhin wie seit Äonen und nutzten ihre schwertartigen Nasen, um elektrische Signale von Beutetieren wie Krebstieren und Fischen aufzuspüren.

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Aber es gibt ein Phänomen, dem diese uralte Tierart nicht gewachsen war: der Mensch. Eine aktuelle Studie, die in „Science of the Total Environment“ erschien, kommt zu dem Schluss, dass die Art ausgestorben ist – hauptsächlich aufgrund von Überfischung und Bauprojekten.

Es sei ein „verwerflicher und nicht wiedergutzumachender Verlust“, sagt der Studienleiter Qiwei Wei von der Chinesischen Akademie der Fischereiwissenschaften, der die Tiere jahrzehntelang erforschte.

Der Schwertstör (Psephurus gladius) hat ein langes, schwertartiges Rostrum. Die verlängerte Schnauze enthält Zellen, die elektrische Aktivität im Körper von Beute wie Krebstieren aufspüren können. Schwertstöre waren in weiten Teilen des riesigen Stromgebiets des Jangtsekiang bis hin zum Ostchinesischen Meer verbreitet.
Foto von FLHC1, Alamy

„Das ist sehr traurig“, sagt Zeb Hogan, ein Fischbiologe der University of Nevada in Reno. Der National Geographic Explorer war an der Studie nicht beteiligt. „Das ist der endgültige Verlust eines sehr einzigartigen und außergewöhnlichen Tieres. Und es gibt keine Hoffnung auf Rettung.“

Hogan zufolge sollte das Aussterben des Schwertstörs ein Weckruf für den Schutz anderer Süßwasserarten sein. Große Fische, auf die er sich spezialisiert hat, sind besonders gefährdet: Die meisten großen Süßwassertiere sind bereits jetzt vom Aussterben bedroht, wie er erzählt.

„Das ist der erste der sehr großen Süßwasserfische, der verschwunden ist, und viele weitere sind in Gefahr. Die Befürchtung ist, dass sie aussterben werden, aber die Hoffnung ist, dass wir ihren Rückgang aufhalten können, bevor es zu spät ist“, so Hogan.

Langer Abschied

Die Zahl der Schwertstöre ging durch Überfischung im letzten Jahrhundert sukzessive zurück: In den 1970ern wurden pro Jahr im Schnitt 25 Tonnen Schwertstör aus dem Wasser geholt.

Was ihm am Ende aber wirklich das Genick brach, waren die Staudämme – insbesondere die Gezhouba-Talsperre am Hauptarm des Jangtse, etwa 1.600 Kilometer von seiner Mündung entfernt. Diese Talsperre verfügt über keine Fischtreppe oder andere Umgehungsmöglichkeiten und schnitt den Schwertstör somit von seinen Laichgründen stromaufwärts ab, die erste Ende der Siebziger entdeckt wurden.

Der Bestand der Tiere nahm durch den Bau der Talsperre weiter ab, aber lange Zeit fiel niemandem auf, wie schlecht es tatsächlich um die Schwertstöre stand, sagt Ivan Jaric. Der Co-Autor der Studie arbeitet als Biologe am tschechischen Institut für Hydrobiologie und an der Südböhmischen Universität in Budweis. Wie so oft treten die Folgen eines schwerwiegenden Einschnitts erst mit einer zeitlichen Verzögerung auf. Im Jahr 1993 kamen die Forscher schließlich zu dem Schluss, dass der Schwertstör funktional ausgestorben war – dass es also nicht mehr genügend Exemplare gab, um die Art zu erhalten.

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Dennoch kam es weiterhin zu Sichtungen und diverse Exemplare wurden im Rahmen eines Zuchtprogramms eingefangen, das schlussendlich aber fehlschlug. Im Jahr 2002 wurde ein Weibchen in Nanjing eingefangen. Trotz aufwändiger Bemühungen zu seiner Rettung verstarb es einen Monat später.

2003 befestigten Wei und seine Kollegen einen Sender an einem Schwertstör, der versehentlich bei Yibin im Süden Zentralchinas gefangen wurde. Sie ließen das Tier frei, um zu sehen, wohin es schwimmen würde. Binnen weniger Stunden verloren sie jedoch das Signal des Senders. Es war das letzte lebende Exemplar der Art, das irgendjemand zu Gesicht bekam.

Den Forschern zufolge wäre es am besten gewesen, schon vor 1993 mit den Schutzmaßnahmen für die Art zu beginnen – und definitiv vor den frühen 2000ern, als diese Maßnahmen überhaupt erst wirklich begannen. In der Studie gehen die Forscher davon aus, dass die Fische zwischen 2005 und 2010 ausstarben.

Vergebliche Suche

Das Studienteam suchte im Rahmen einer biologischen Bestandsaufnahme des Stromgebiets an hunderten Orten entlang des Jangtse nach dem Schwertstör. Dabei kamen verschiedene Arten von Netzen, Sonar-Messtechniken, Elektrofischereiausrüstung und andere Hilfsmittel zum Einsatz, um verbliebene Exemplare der Störe aufzuspüren – ohne Erfolg. Auch die Fischmärkte im ganzen Land behielten sie im Auge.

Sie nutzten ein mathematisches Modell, um die Wahrscheinlichkeit dafür zu berechnen, dass die Art ausgestorben ist. Als Basis dienten die Größe der früheren Population und die Intervalle zwischen den Sichtungen.

Laut Jaric besteht die Chance, dass es noch ein paar vereinzelte Schwertstöre gibt, aber er hält das für sehr unwahrscheinlich.

„Der Mangel an Sichtungen während der Bestandsaufnahmen und in den letzten 16 Jahren in Flüssen in dicht besiedelten Gebieten mit intensiver Wassernutzung macht neue Sichtungen unwahrscheinlich“, sagt er.

Der Schwertstör (Psephurus gladius) ist eine der beiden Arten aus der Familie der Löffelstöre (Polyodontidae). Die andere ist der in Amerika heimische Löffelstör (Polyodon spathula), eine im Mississippi River Basin heimische und gefährdete Fischart. Beide sind eng verwandt mit der Familie der Störe (Acipenseridae). Etwa 85 Prozent der Arten, die zu dieser Familie gehören, gelten als vom Aussterben bedroht. Damit sind die Störe laut der Weltnaturschutzunion die am stärksten gefährdete Tiergruppe der Welt.

Große Fische sind nicht nur wichtige Akteure in ihrem Ökosystem, sondern auch Zeugnis für den guten Zustand der Umwelt, da sie nur in gesunden Flusssystemen überleben können, sagt Hogan.

Auch andere Süßwasserriesen wie der Mekong-Riesenwels und der Riesen-Süßwasserstechrochen sind in Gefahr. Beide Arten gelten als stark gefährdet. Ihre Zukunft ist durch Pläne für weitere Staudämme bedroht.

Wie geht es nun weiter?

Eine Lektion aus dem Verlust des Schwertstörs ist, dass der Schutz des Lebens im Jangtse und in anderen Flüssen wichtiger werden muss.

„Wir müssen dringend handeln, um jene Arten zu retten, die noch eine Chance haben“, sagt Jaric. Bei der Bestandaufnahme des Teams fehlten noch 140 weitere Arten, die die Forscher eigentlich zu sehen gehofft hatten. Einige davon müssen noch intensiver erforscht werden, um ihre Gefährdungskategorie festzustellen, sagt Wei.

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„Es sollte so bald wie möglich festgestellt werden, wie groß das Risiko des Aussterbens für die bedrohten Arten des Jangtse ist“, sagt er.

Darüber hinaus müssten die Fischerei, der Bau von Staudämmen und ähnliche Eingriffe besser kontrolliert werden. Maßnahmen wie Fischleitern, die den Tieren des Flusses helfen, bräuchten ebenfalls mehr Aufmerksamkeit.

„Wir müssen die Bedürfnisse der Menschen mit denen der Wassertiere in Einklang bringen“, so Hogan. „Und das ist machbar, das ist keine unmögliche Aufgabe.“

Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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