Schweinswale in Deutschland: Kleiner Meeressäuger in großer Not
Einer der kleinsten Wale überhaupt: Ein Schweinswal in der Nordsee
Er ist unsere einzige Walart und mit einer Länge von maximal zwei Metern einer der kleinsten Wale überhaupt. Noch in den 1930er Jahren konnte der Gewöhnliche Schweinswal häufig in deutschen Gewässern beobachtet werden. Bis heute haben die Bestände deutlich abgenommen.
Laut einer aktuellen Studie ist die Zahl der Schweinswale allein in der deutschen Nordsee im Laufe der letzten knapp 20 Jahre von rund 35.000 auf 23.000 Tiere geschrumpft. „Der Trend ist beunruhigend“, sagt Studienautorin Dr. Anita Gilles von der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover, die seit ihrem Studium über den Schweinswal forscht.
Besonders besorgt ist die Biologin darüber, dass der Schweinswal in wichtigen Schutzgebieten wie etwa dem Sylter Außenriff stark rückläufig ist. Noch schlechter scheint es der Population in der deutschen Ostsee zu gehen, wo schätzungsweise nur noch rund 500 Schweinswale leben. Dort gilt die Art schon seit Jahren als vom Aussterben bedroht.
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Dabei hat der Schweinswal kaum natürliche Feinde. Es ist der Mensch, der ihn bedroht. Fischerei, Meeresverschmutzung und Lärm gelten als Hauptursachen für den Niedergang von Phocoena phocoena in unseren Gefilden.
Tödliche Fallen
Immer wieder verfangen sich die Wale als Beifang in Fischernetzen. Weil sie als Säugetiere darauf angewiesen sind, regelmäßig zum Atmen aufzutauchen, ertrinken sie in den Netzen. Gerade die feinen oft mehrere Hundert Meter langen Stellnetze würden so zur tödlichen Falle, erklärt Heike Zidowitz vom WWF Deutschland.
„Für die Echolokation der Schweinswale sind die Stellnetze fast unsichtbar, so dass sich die Tiere verfangen und qualvoll ersticken.“ Schätzungen zufolge würden pro Jahr mehr Ostsee-Schweinswale als Beifang in Fischernetzen sterben, als Walkälber geboren werden.
Totes Walkalb am Nordsee-Strand von Wangerooge: Viele Schweinswale verfangen sich in Fischernetzen, wo sie als Säugetiere qualvoll ertrinken.
Der WWF fordert daher unter anderem, dass Netze mit akustischen Warnsignalgebern, sogenannten Pingern, ausgestattet werden und die Hälfte der Schutzgebiete für Fischerei gesperrt wird. Außerdem sollte elektronische Fernüberwachung mit Kameras zum Monitoring für alle Fischereiboote mit hohem Risiko für Beifänge vorgeschrieben werden.
„Fischerei naturschonender zu gestalten und sie aus den Schutzzonen für Schweinswale fernzuhalten, ist die wichtigste Stellschraube für den Schutz“, unterstreicht Zidowitz.
Aber die Fischerei ist bei weitem nicht die einzige Gefahr. Auch die Verschmutzung der Meere belastet die Meeressäuger. Schwermetalle und hochgiftige Chemikalien, die oft nur langsam oder gar nicht abgebaut werden, reichern sich in Meeresorganismen an. Der Schweinswal steht als Fischfresser am Ende der Nahrungskette und ist so besonders von der schleichenden Vergiftung betroffen.
Nicht nur über die großen Flüsse gelangt der toxische Müll in die Meere. Rund 1,6 Millionen Tonnen Weltkriegsmunition verrotten am Grund der deutschen Nord- und Ostsee. Wissenschaftler befürchten große Umweltschäden – denn hochgiftige Schadstoffe wie TNT oder Schwermetalle werden frei. Durch kontrollierte Sprengungen ist es möglich, die Wasserbomben oder Minen unschädlich zu machen.
Explosionen am Meeresgrund
Doch auch die Unterwasser-Explosionen setzen den lärmempfindlichen Schweinswalen stark zu. Das ganze Jahr über werden tote Exemplare an den deutschen Meeresküsten gefunden. Oft weisen sie erhebliche Verletzungen der Hörorgane auf, die offenbar zum Tod führten.
Hervorgerufen wurden sie durch extrem laute Impulsschallereignisse – in der Regel Sprengungen, wie das Bundesumweltministerium mitteilt. „Munition unter Wasser ohne technischen Schallschutz zu sprengen, muss aufhören“, mahnt Meeresexperte Kim Detloff vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu).
Ohnehin leiden die Tiere unter dem Lärm der Schifffahrt und den Rammanlagen, die Offshore-Windräder in den Meeresboden treiben. Experten warnen, dass der Schweinswal durch den alltäglichen Unterwasserlärm irreversible Hörschäden bis zur vollständigen Taubheit erleiden kann. Das Todesurteil für den scheuen Fischjäger, der sich per Ultraschall in seiner Lebenswelt orientiert und auch mit seinen Artgenossen im Hochfrequenzbereich kommuniziert.