Naturfotograf Christian Ziegler: „Bonobos sind uns so ähnlich“

Christian Ziegler ist einer der renommiertesten Naturfotografen. Im Interview spricht der preisgekrönte Fotojournalist über die Intelligenz von Menschenaffen, sein bewegendstes Erlebnis im Dschungel und über ein Foto, das die Welt verändert hat.

Ein junges Bonobo-Weibchen nach einer üppigen Mahlzeit. Christian Ziegler porträtierte die Menschenaffen für das National Geographic-Magazin. Die Fotos wurden 2014 mit dem World Press Award ausgezeichnet.

Foto von Christian Ziegler
Von Jens Voss
Veröffentlicht am 7. Dez. 2021, 11:32 MEZ, Aktualisiert am 7. Dez. 2021, 15:00 MEZ

Ob Menschenaffen im Kongo, fleischfressende Pflanzen auf Borneo oder schillernde Chamäleons auf Madagaskar: Christian Zieglers Naturfotos umgibt eine ganz besondere Aura. Jedes Bild erzählt eine eigene Geschichte, jedes lässt uns tief in unbekannte Welten eintauchen. Und jedes einzelne Foto macht uns eindrucksvoll bewusst, wie wertvoll und zerbrechlich unsere Ökosysteme sind. Das zu zeigen, ist Zieglers Mission. Seine besondere Leidenschaft gilt den tropischen Regenwäldern.

Für seine bildgewaltigen Aufnahmen hat der deutsche Fotojournalist, Tropenökologe und Naturschützer zahlreiche Auszeichnungen gewonnen – allein vier World Press Awards in Folge. Seine Arbeiten wurden unter anderem in National Geographic veröffentlicht, darüber hinaus arbeitet er für das Max-Planck-Institut. Ziegler lebt mit seiner Familie am Rande des Regenwaldes in Panama.

Galerie: Christian Zieglers beeindruckende Tierbilder

Christian, kann ein Foto die Welt verändern?

Ich glaube schon. Auch wenn es selten vorkommt: Einige Bilder ändern die öffentliche Wahrnehmung. Zum Beispiel das Foto von Brent Stirton, das 2008 den World Press Award gewonnen hat.

Es zeigt, wie afrikanische Wildhüter aufgebahrte Berggorillas, die von Wilderern erschossen wurden, aus dem Urwald tragen ...

Ja. Fotos sind so wichtig, um Einblicke in Ökosysteme zu bekommen, die vielen Menschen völlig fremd sind. Die meisten Touristen, die in den Tropen Urlaub machen, besuchen wahrscheinlich die Strände – aber nicht die Regenwälder. Fotos können die ganze Faszination, Schutzbedürftigkeit und Komplexität solcher Ökosysteme zum Ausdruck bringen. Auch, indem sie uns dabei emotional berühren.

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    Der preisgekrönte Fotojournalist Christian Ziegler arbeitet unter anderem für National Geographic und das Max-Planck-Institut.

    Foto von Christian Ziegler

    Deine Fotos haben alle diese starke emotionale Ausstrahlung. Gibt es Aufnahmen, die du hier besonders hervorheben würdest?

    Vor zwölf Jahre habe ich gemeinsam mit National Geographic ein Fotoprojekt über Bonobos im Kongo gestartet – unglaublich faszinierende Menschenaffen, die stark bedroht sind. Es ist wirklich schwierig, sie zu fotografieren. Bonobos sind scheu und vorsichtig. Der Hauptantrieb meiner Arbeit ist der Natur- und Artenschutz. Deshalb widme ich mich bedrohten Arten und Lebensräumen wie den Bonobos oder dem Amazonasgebiet.

    Wie viel Mühe, Schweiß und Zeit stecken in deinen Fotos?

    Die Fotostrecke mit den Bonobos hat ein gutes Jahr gedauert, inklusive Reisevorbereitungen. Ich war dreimal im Kongo, jeweils für sechs Wochen. Und nur einmal hat es mit den Aufnahmen geklappt.

    Aber es hat sich gelohnt. Wenn man sich die Fotos anschaut, spürt man förmlich, dass jedes Tier eine ganz eigene Persönlichkeit hat – wenn nicht sogar eine Seele. Was macht ein gutes Naturfoto aus?

    Für mich muss ein Foto etwas Einzigartiges ausstrahlen. Es gibt tausende Fotos, die einen Löwen in immer der gleichen Pose zeigen. Das sind dann vielleicht technisch oder ästhetisch gelungene Aufnahmen. Aber sie bewegen mich nicht. Ein aufregendes Porträt einer Maus oder eines Chamäleons kann da eine ganz andere Wirkung entfalten. Jedenfalls für mich.

    Suchst du das Große im Kleinen?

    Vielleicht. Es geht mir um die Darstellung des Besonderen oder auch des Unbekannten. Und wie gesagt um bedrohte Arten. Ich möchte, dass meine Fotos eine Bedeutung haben, dass sie einen Sinn erfüllen – für den Natur- und Artenschutz. Und solche Aufnahmen muss man sich dann oft hart erarbeiten. Du musst dorthin gehen, wo es im Zweifelsfall auch mal wehtut.

    Was war dein bislang bewegendster Moment als Wildlife-Fotograf?

    Die Begegnung mit den Bonobos. Sie wirken so sanftmütig. Und sie sind uns so ähnlich. Die Jungtiere sind sehr neugierig, was Menschen angeht. Die erwachsenen Tiere dagegen sind sehr misstrauisch. Und das aus gutem Grund, denn sie werden nach wie vor von Menschen gegessen. Zuletzt war ich im Oktober im Kongo. Es gab einen Unfall. Ein Jungtier verfing sich in einer der Fallen, die Wilderer dort immer wieder auslegen.

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    Wie haben die anderen Bonobos reagiert?

    Die erfahrenen älteren Tiere wissen genau, wem sie vertrauen können. Es gibt einen Wildhüter, der täglich nach den Bonobos schaut. Sie machten ihm sofort klar, er solle die Fallen entfernen, weil sie ihre Jungen gefährden. Es ist immer wieder erstaunlich, wie intelligent Bonobos sind. Sie sind wie Menschen ohne menschliche Sprache.

    Deine Fotos, darunter auch die Bonobo-Aufnahmen sind vielfach preisgekrönt. Kannst du uns ein paar Tipps für ein gutes Naturfoto mit auf den Weg geben?

    Zunächst einmal ist es immer sinnvoll, in einem Ökosystem zu fotografieren, das man wirklich gut kennt. Und das ist meist die eigene Heimat und nicht ein Reiseziel. Ich persönlich liebe Interaktion auf einem Foto. Das kann zum Beispiel eine Biene sein, die eine außergewöhnliche Pflanze bestäubt. Suche das Besondere! Dann noch das richtige Licht – und du bist auf dem richtigen Weg zu einem guten Foto.

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