Gehirne von Katzen durch Domestizierung geschrumpft
Das Schädelvolumen von Hauskatzen ist kleiner als das ihrer wilden Verwandtschaft - und nahm durch das Leben mit Menschen kontinuierlich ab.
Domestizierte Katzen: Kleineres Gehirn gleich weniger intelligent?
Seit Jahrtausenden hat der Mensch eine enge Bindung mit seinen Stubentigern. Das Halten von Hauskatzen trug zum Schutz der Ernteerträge vor Nagern bei – und veränderte die Tiere nachhaltig. Forscher der Universität Wien bestätigen nun ihre Hypothese, dass sich die Domestizierung durch den Menschen signifikant auf das Schädelvolumen von Hauskatzen auswirkte.
Um ihre These von einer im Vergleich zu Wildtieren reduzierten Größe des Gehirns zu stützen, replizierten Zoologin Raffaela Lesch von der Veterinärmedizinischen Universität Wien und ihr Team zunächst ähnliche Studien. Diese hatten das Phänomen bereits beschrieben, stammen jedoch aus den 1960er und 1970er Jahren. Damals wurde fälschlicherweise noch davon ausgegangen, dass nicht die afrikanische, sondern die europäische Wildkatze Vorfahre der Hauskatze war.
Das Team um Raffaela Lesch wiederholte die Studien mit dieser neuen Erkenntnis anhand von 102 Schädeln aus der Sammlung des schottischen National Museums. Die Analyse und Vermessung ergab: Hauskatzen weisen tatsächlich das kleinste Schädelvolumen auf. Folglich ist ihr Gehirn erheblich kleiner als das ihrer direkten Vorfahren, der Falbkatze. Diese wiederum wird von der europäische Wildkatze übertroffen, welche das größte Volumen aufweist. „Wir fanden weiter heraus, dass Hybriden von Hauskatzen und europäischen Wildkatzen Schädelvolumen aufweisen, die zwischen denen der beiden Elternarten liegen“, erklären die Forschenden. Die Größe der Gehirne von Hauskatzen nahmen durch zunehmende Domestizierung durch den Menschen ab.
Galerie: 7 Katzen, die ihr vielleicht noch nicht kennt
Domestikationssyndrom: Gründe für Schrumpfen nicht abschließend geklärt
Begründet werden kann die Abnahme des Volumens mit unterschiedlichen Annahmen. Zum Beispiel führt die gezielte Zucht mit erwünschten Effekten wie Zahmheit oder reduzierter Aggression dazu, dass die Vermehrung der Neuralleistenzellen in den Embryos herunterreguliert würde. Aus diesen embryonalen Zellen bildet sich in einem späteren Stadium das Nervensystem. Emotionen wie Erregbarkeit, Angst und Stress würden dadurch vermindert und stehen laut dieser These auch in Verbindung mit Veränderungen der Größe des Gehirns.
Infolge dessen müsste jedoch auch die Länge der Gaumen und Schnauzen abnehmen. Dies ist nach Angaben der Forschenden bei Hauskatzen im direkten Vergleich mit ihren Vorfahren jedoch nicht der Fall. Ein alternativer Grund könnte ihnen zufolge ein evolutionäres Abwägen des Energiehaushalts sein. Die Anpassung der Nahrung durch das Leben mit Menschen könne dazu geführt haben, dass schlichtweg mehr Energie für den Verdauungstrakt als für das Gehirn benötigt wurde.
Auch eine mögliche Veränderung der Konzentration von Schilddrüsenhormonen während der Entwicklung der Embryos wäre denkbar. Diese beeinflussen die Entwicklung von Schädelknochen und könnten demnach eine entscheidende Rolle bei der Verkleinerung haben.
Verringertes Hirnvolumen durch Verwilderung nicht rückgängig zu machen
Die Datenlage bezüglich des sogenannten Domestikationssyndroms hilft der Wissenschaft beim besseren Verständnis über die evolutionären Veränderungen von Haustieren. Denn nicht nur Katzen sind davon betroffen. Das Phänomen der kleineren Schädelvolumen mit fortschreitender Anpassung durch den Menschen wurde bei etlichen Tieren dokumentiert, unter anderem bei Schafen, Kaninchen und Hunden. Mäuse zum Beispiel bilden weiße Flecken im Fell und bekommen kürzere Schnauzen, wenn sie mit Menschen leben.
Die Datenlage bezüglich der zukünftigen Veränderung des Gehirnvolumens bei Verwilderung von Tieren sind ernüchternd. Untersuchungen von australischen Dingos zeigen beispielsweise, dass die Größe des Gehirns bei den verwilderten Haushunden auch nach vor tausenden Jahren nicht wieder zunahm. Angaben bezüglich Wildkatzen, Ziegen, Nerze oder Schweine belegen diese Erkenntnis ebenfalls.
Das Bewusstsein und Wissen darüber, kann zukünftig helfen: Es dient der besseren Einschätzung von möglichen Gefahren durch Kreuzungen von Wild- und Haustieren. Bestenfalls können diese durch Schutzmaßnahmen zugunsten verwandter Wildtierpopulationen vermieden werden.
Kleineres Gehirn gleich weniger intelligent?
Antworten auf die Frage einer womöglich verminderten Intelligenz durch die kleineren Gehirne liefert die Studie aus Wien nicht. Forschungsergebnisse des Labors für Mensch-Tier-Interaktion an der Oregon State University, legen dies jedoch nahe.
Demnach sind Haushunde ihren wilden Verwandten im selbständigen Lösen von Problemen weit unterlegen. Sie verlassen sich eher auf die Hilfe von Menschen. Offen bleibt, ob sich diese mentalen Einbußen auch auf Hauskatzen, die bis heute ein merklich unabhängigeres Verhalten aufzeigen, übertragen lassen.