Krötenwanderungen: Wie wir Deutschlands Amphibien im Stich lassen

Trockenere Wandermonate, Verlust der natürlichen Schutzräume und gnadenloser Autoverkehr: Um die Frösche, Kröten und Molche Deutschlands steht es schlecht. Warum der Amphibienschutz so wichtig ist.

Von Lisa Lamm
Veröffentlicht am 1. Apr. 2022, 15:39 MESZ
Amphibienwanderungen: Ein Frosch überquert eine Landstraße.

Die Wanderungen zu ihren Laichgewässern werden für Deutschlands Amphibien Jahr für Jahr gefährlicher: immer mehr Arten stehen auf der Roten Liste.

Foto von Franz Michael Schneeberger / Unsplash

Der nasse, milde Spätwinder hat Kröten, Frösche und Molche 2023 früh in Liebesstimmung versetzt. In vielen Regionen Deutschlands waren die Lurche bereits auf Wanderschaft. „Sobald es nachts mehr als fünf Grad Celsius warm wird, kommen die Tiere aus den Winterquartieren und begeben sich zu ihren Laichgewässern, um sich zu paaren“, sagt Sascha Schleich, stellvertretender Sprecher des NABU-Bundesfachausschusses Feldherpetologie und Ichthyofaunistik. Doch den Tieren kommt oftmals die Infrastruktur des Menschen in die Quere.

Freiwillige Helfer sind unabdinglich, wenn es um den Erhalt der heimischen Amphibien in Deutschland geht. Es ist allerdings nicht nur der menschliche Autoverkehr, der die Amphibien bedroht – auch flächendeckende Trockenlegungen, Bauprojekte und aufgeräumte Gärten schaden ihnen. „Für Laubfrosch, Feuersalamander, Kreuzotter und Co wird es wortwörtlich eng in Deutschland“, sagt Dr. Arnulf Köhncke, Leiter Artenschutz beim WWF Deutschland in einem Statement gegen das Artensterben. Bereits neun der 21 in Deutschland vorkommenden Amphibien werden auf der Roten Liste des Bundesamts für Naturschutz (BfN) als gefährdet oder stark gefährdet geführt. Und das hat Folgen für unser Ökosystem.

Wann die Kröten wandern

Sobald es im Frühjahr wärmer wird, machen sich Amphibien wie Kröten und Molche auf den Weg zu ihren Laichgewässern. Dabei zieht es sie zurück an die Stelle, an der sie selbst aus dem Ei schlüpften – teilweise in mehreren Kilometern Entfernung. Sie bewegen sich vor allem am Abend in den Dämmerstunden und in der Nacht, da die Luftfeuchtigkeit dann höher ist.

Im Jahr 2022 reicht der Wanderungsbeginn je nach Bundesland vom 6.2. bis zum 18.3. Allerdings scheint die biologische Uhr der Kröten immer weniger mit den Wetterverhältnissen in diesen Monaten übereinzustimmen. Denn gerade in diesem Jahr war es für die Amphibien viel zu trocken – und es machten sich erst nur wenige Tiere auf den Weg zu ihrem Laichgewässern.

Galerie: Die bunte Vielfalt bedrohter Frösche

Diese alljährlichen Wanderungen sind nach wie vor eine der größten Gefahren für die Amphibien Deutschlands. Laut Angaben des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sterben jährlich bis zu 70 Prozent der Tiere bei dem Versuch, Deutschlands Straßen zu überqueren. 

Naturschutzverbände rufen deshalb jedes Jahr freiwillige Bürgerinnen und Bürger dazu auf, bei den Amphibienwanderungen zu helfen. Dazu gehen die Freiwilligen möglichst viele der 1061 in Deutschland aufgestellten Schutzzäune ab, die die Kröten, Frösche und Molche davon abhalten sollen, auf die Straßen zu laufen. Entlang der Sperrungen werden die Tiere entweder zu Tunneln geleitet, die sie unbeschadet auf die andere Seite der Straße führen, oder sie landen in extra dafür vorgesehenen Behältern. Dort werden sie von Freiwilligen eingesammelt und in Transporteimern auf die andere Straßenseite gebracht.

Das Engagement der Naturschützer geht aber noch weiter: Neben dem Aufstellen der Fangzäune und dem Transportieren der Amphibien über die Straße, führen die Freiwilligen oft auch Buch darüber, welche der kleinen Tiere und wie viele von ihnen die Straße überqueren. Außerdem helfen die sie beim Erschaffen von Ersatzlaichgewässern in Regionen, in denen der natürliche Lebens- und Laichraum der Tiere stark eingeschränkt wurde. Denn selbst für die schwindende Anzahl der überlebenden Amphibien wird der Lebensraum in Deutschland knapp.

BELIEBT

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    Auswirkungen auf das Ökosystem

    Trotz der Bemühungen der Naturschützer sind die Zahlen der in Deutschland lebenden Amphibien seit Jahren rückläufig. Als besonders gefährdet gelten Geburtshelfer-, Kreuz- und Wechselkröte sowie Gelb- und Rotbauchunke. Sogar der einst weit verbreitete Grasfrosch steht mittlerweile auf der amtlichen Vorwarnliste – ein buchstäbliches Warnsignal für unser empfindliches Ökosystem. Denn Amphibien füllen einen wichtigen Platz in der Nahrungskette, sowohl als Jäger von Käfern und Spinnen als auch als Beute für Vögel und vielerlei Säugetiere.

    Gerade deshalb ist es laut BUND besonders wichtig, dass jeder seinen Beitrag zum Schutz der Amphibien leistet – vor allem Autofahrende. Denn diese seien noch immer die größte Gefahr für die kleinen Tiere.

    Dr. Arnulf Köhncke vom WWF betont: „Wenn wir Frösche, Kröten und Echsen verlieren, verlieren wir auch ein Stück Heimat.“ Generell müsse man in Deutschland mehr Fokus darauf legen, die Rückzugsorte dieser bedrohten Arten wiederherzustellen. Denn solange den Tieren der Lebensraum genommen wird, wird ihr Bestand schwinden – auch wenn Freiwillige sich jährlich darum bemühen, so viele Amphibien wie möglich zu retten.

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