Spektakuläre Rekorde: Die 5 längsten Wanderungen im Tierreich

Die Tierwelt ist ständig in Bewegung: Vom kleinen Insekt bis zum riesigen Wal legen Tiere unglaubliche Strecken zurück. Warum wandern Tiere und wie orientieren sie sich? Diese fünf Tierwanderungen gehören zu den größten und beeindruckendsten im Tierreich.

Von Julia Kainz
Veröffentlicht am 13. Feb. 2023, 17:45 MEZ
Tiere legen beeindruckende Wanderungen zurück.

Tiere legen beeindruckende Wanderungen zurück.

Foto von DaiMar-stock.adobe.com

Viele Tiere begeben sich aufgrund von Fortpflanzung, Nahrungssuche oder Überwinterung regelmäßig auf lange Wanderungen. Fünf besonders große und beeindruckende Tierwanderungen stellen wir genauer vor.

1. Küstenseeschwalbe & Co: So weit wandern Zugvögel

Viele Vogelarten legen, um in ihre Überwinterungsgebiete zu gelangen, beeindruckende Wanderungen zurück. Als Rekordhalter unter ihnen gilt die Küstenseeschwalbe: Sie überquert bei ihren Reisen nahezu den ganzen Globus – zweimal im Jahr. In einer Studie aus dem Jahr 2010 statteten Forscher elf Tiere mit Miniatur-Lokatoren aus und fanden dabei heraus, dass einige von ihnen mehr als 80.000 Kilometer auf ihrer Reise zurücklegen: Sie fliegen jedes Jahr von ihren Brutgebieten in den arktischen Regionen (zum Beispiel Island oder Grönland) in ihre Überwinterungsgebiete Richtung Antarktis und wieder zurück. Mehr Details zu den Erkenntnissen zur Wanderung der Küstenseeschwalbe aus der Studie können Sie hier nachlesen.

Als Hauptgrund für die langen Reisen der Küstenseeschwalbe gilt die Nahrungssuche: Die arktischen Gewässer sind im Sommer besonders nahrungsreich, da die Sonne zu dieser Zeit sehr lange scheint, während es im Winter lange dunkel ist. Durch den Sonnenschein bildet sich Phytoplankton – das unterste Glied der Nahrungskette im Ozean. Deshalb sind die arktischen Gewässer im Sommer besonders nahrungsreich. Durch ihre Reise von Pol zu Pol hält sich die Küstenseeschwalbe immer genau dort auf, wo gerade Sommer ist und wo die Gewässer besonders produktiv sind. Für Küstenseeschwalben ist es daher auch fast nie dunkel.

Nicht alle Küstenseeschwalben fliegen allerdings 80.000 Kilometer im Jahr. Wie Wolfgang Fiedler, Ornithologe am Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie erklärt, brüten einige Küstenseeschwalben auch südlicher, zum Beispiel in Südskandinavien oder Norddeutschland, und überwintern vor Südafrika – was aber immer noch eine beachtliche Strecke ist. Auch andere Vögel legen auf ihren Wanderungen enorme Strecken zurück. Steinschmätzer – kleine, nur 25 Gramm schwere Vögel – brüten zum Beispiel in Sibirien und überwintern oft in Ostafrika, erklärt Fiedler. Das ergibt eine einfache Strecke von rund 14.500 Kilometern.

Küstenseeschwalbe

Die Küstenseeschwalbe legt lange Wanderungen zurück.

Foto von Studio M. Brix-stock.adobe.com

Wie genau Vögel sich bei ihren weiten Wanderungen orientieren, ist Fiedler zufolge nach wie vor umstritten. „Man weiß inzwischen, dass sie verschiedene Quellen nutzen können“, sagt er. Dazu gehöre das Erdmagnetfeld, die Richtung der Sonne und Landmarken, aber auch Geruchsgradienten und der Sternenhimmel. Viele Vögel nutzen auch mehrere dieser Systeme – was die Forschung schwieriger macht, erklärt der Ornithologe.

Wann es Zeit ist, in den Süden aufzubrechen, scheinen Zugvögel auch an der Temperatur zu merken. Zumindest wirkt sich die Erderwärmung auf die Wanderungen der Vögel aus. „Tatsächlich sind Vögel die frühesten Hinweise auf Veränderungen“, so Fiedler. So brechen einige Zugvögel immer später in den Süden auf und kommen früher wieder zurück, zum Beispiel die Feldlerche. Andere fliegen nicht mehr so weit weg oder bleiben vollständig. Vögel wie Zilpzalp, Mönchsgrasmücke oder Hausrotschwanz sind mittlerweile zum Beispiel auch im Winter in Deutschland zu beobachten.
 

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    2. Europäischer Aal: Einmalige Wanderung durch den Ozean

    Der Europäische Aal ist in jeder Hinsicht ein außergewöhnliches Tier, das Forscher vor viele Fragen stellt. Seine Wanderung durch den Ozean gilt als längste und komplexeste Wanderung der „Aalartigen“. Es wird davon ausgegangen, dass die Tiere in der Sargassosee vor Florida zur Welt kommen und anschließend die ersten ein bis drei Jahre als Larven mit Strömungen vor die europäische Küste treiben, teilweise bis in die Ostsee oder das Mittelmeer. Währenddessen entwickeln sich die Larven zu kleinen, durchsichtigen Aalen. In dieser Entwicklungsstufen werden sie „Glasaale“ genannt. Während manche Aale im Meer bleiben, wandern andere in Flüssen weiter. Nun heißen die Aale, die zunehmend pigmentiert und am Bauch gelblich gefärbt sind, Gelbaale oder Steigaale. Die Tiere bleiben bis zur Geschlechtsreife, die mit vermutlich rund 15 Jahren einsetzt, in diesen Gewässern. Dann beginnt ihre letzte große Reise durch den Atlantik: Die nun silbernen Blankaale wandern von den Flüssen zurück ins Meer und schwimmen dorthin zurück, wo sie geboren sind: in die Sargassosee. 

    Details über diese Wanderung und die Fortpflanzung der Aale sind nach wie vor wenig erforscht. Vor rund 100 Jahren fand der dänische Biologe Johannes Schmidt anhand der Larvenentwicklung heraus, dass die Tiere wohl in die Sargassosee vor Nordamerika wandern, um zu laichen. Da dort allerdings bis heute noch nie Eier oder laichende Aale beobachtet werden konnten, konnte diese These nie eindeutig bestätigt werden. Im Oktober 2022 erschien eine Studie, in der Forscher 26 Aale mit Sendern ausstatteten. So konnten sie den ersten Beweis dafür liefern, „dass erwachsene Europäische Aale ihren mutmaßlichen Brutplatz in der Sargassosee erreicht haben“, schreiben die Forscher. Sie beobachteten die Aale ab den Azoren, die rund 2.500 Kilometer von der Sargassosee entfernt sind. Außerdem fanden die Forscher heraus, dass die Tiere sich relativ langsam fortbewegen, weshalb sie wahrscheinlich länger als ein Jahr unterwegs sind. Es wird vermutet, dass Aale tiefer im Ozean wandern und auch in der Tiefe ihre Eier ablegen. Nach der Fortpflanzung sterben die Tiere.

    Der Europäische Aal ist vom Aussterben bedroht. Als Hauptursache gilt die Überfischung - gerade im Stadium der Glasaale werden die Tiere stark befischt-, aber auch die Verbauung der Flussläufe, Parasiten und Wasserverschmutzung machen dem Aal zu schaffen.

    Europäischer Aal

    Die Wanderungen des Europäischen Aals sind schwer zu erforschen.

    Foto von PIXATERRA-stock.adobe.com

    3. Grauwal: Gigantische Tiere auf gigantischen Wanderungen

    Der Grauwal ist der Rekordwanderer unter den Walen und Säugetieren: Ab Oktober ziehen die Meeressäuger in etwa neun Wochen von der Beringsee vor Alaska rund 8.000 Kilometer Richtung Süden in die warmen Gewässer vor Baja California (Mexiko). Im Frühling – ungefähr ab Februar – schwimmen sie dieselbe Strecke wieder zurück. Das macht rund 16.000 Kilometer im Jahr. Der bisher gemessene Rekord liegt noch höher: „Es gibt ein Weibchen, dessen Wanderung genau aufgezeichnet wurde“, sagt Tamara Narganes Homfeldt, Meeresbiologin bei der Whale and Dolphin Conservation (WDC): 22.500 Kilometer in weniger als sechs Monaten legte dieses Weibchen zurück.

    Die Gründe für die Wanderung der bis zu 15 Meter langen Grauwale liegen in der Nahrungssuche und Fortpflanzung: Die arktischen Gewässer sind im Sommer besonders nahrungsreich, weshalb die Wale hier viel Kraft und Energie tanken können. In den warmen, sichereren Gewässern vor Mexiko findet hingegen die Paarung und im Jahr darauf die Geburt statt. Während ihren Wanderungen fräßen die Tiere vermutlich sehr wenig oder gar nicht, erklärt Narganes Homfeldt.

    Neben der größeren, ostpazifischen Population, die zwischen Mexiko und Alaska hin- und herwandert, gibt es auch eine kleinere westpazifische Grauwal-Population, die von Russland nach Japan wandert. Ob diese Tiere weiterhin bis an die Südküste Chinas schwimmen (wie vor dem Walfang) ist laut Narganes Homfeldt ungewiss. Wie die Meeresbiologin erklärt, vermischen sich die beiden Populationen manchmal: „Generell wandern Grauwale relativ küstennah“, sagt sie. Manche ostpazifischen Individuen würden aber auch „quer durch den Pazifik“ nach Russland wandern – das sind etwa 12.000 Kilometer. Auch das Weibchen, das den gemessenen Rekord hält, ist von Russland nach Mexiko und dann über Alaska zurück nach Russland geschwommen.

    Es wird davon ausgegangen, dass Wale bei ihren Wanderungen das Erdmagnetfeld und die Küste als Orientierungshilfe nutzen.

    Grauwal

    Der Grauwal ist bei den Wanderungen der Rekordhalter unter den Säugetieren.

    Foto von lorenzoragazzi-stock.adobe.com

    Grauwale sind zwar die Rekordhalter, aber längst keine Ausnahme unter den Walen: „Bis auf einzelne Populationen wandern eigentlich alle Bartenwale“, erklärt Narganes Homfeldt. Gängig sind Wanderungen von Arktis oder Antarktis in Richtung Äquator und zurück, so wie bei den Grauwalen. Die Wale bleiben dabei aber immer auf einer Hemisphäre, entweder der nördlichen oder südlichen. Es sei aber eine echte Herausforderung, die Wanderrouten der Wale zu erforschen, da sie die meiste Zeit ihres Lebens nun einmal unter Wasser verbrächten, erklärt die Meeresbiologin. Die Forschung sei deshalb oft mit viel Glück verbunden. Peilsender können zum Beispiel zu schnell wieder abfallen und sind sehr kostspielig. Eine häufige Methode sei auch die Fotoidentifikation: Durch, Fluke und Finne, individuelle Kratzer und Schrammen können einzelne Individuen auf Fotos identifiziert werden.

    Anders als bei den Vögeln hat die Erderwärmung keine direkten Einflüsse auf die Wanderungen der Grauwale. Auffällig sei jedoch, dass in den vergangenen Jahren drei Grauwale im Atlantik – einer vor Namibia und zwei im Mittelmeer – gesichtet wurden, sagt Narganes Homfeldt. Dort kommen sie aber eigentlich gar nicht mehr vor. Die größte Hypothese dafür sei, dass die Nordwest-Passage in der Arktis durch den Klimawandel so weit zurückschmilzt, dass die Grauwale einfacher vom Pazifik in den Atlantik schwimmen können.

    4. Monarchfalter: Schmetterlingswanderung in Massen

    Nicht nur große Tiere legen weite Strecken zurück: Auch die kleinsten unter ihnen begeben sich auf lange Wanderungen. Ein beeindruckendes Beispiel dafür ist der Monarchfalter. Sein Wanderverhalten stellt Forscher immer noch vor viele Fragen.

    Millionen Falter wandern jährlich im Spätsommer von den USA oder Kanada nach in die mexikanische Gebirgskette Sierra Nevada, um dort zu überwintern. Bis zu 4.000 Kilometer legen sie dabei in rund zwei Monaten zurück. Im November – pünktlich zum „Dia de los Muertos“ in Mexiko – erreichen die schwarz-orangen Falter ihr Ziel. Und ihre Ankunft ist mehr als spektakulär: Millionen Monarchfalter kommen im Metacán-Hochland, ganz in der Nähe des Städtchens Angangueo, an und lassen sich so dicht nebeneinander auf den Oyamel-Tannen nieder, dass von den Bäumen oft kaum noch etwas zu sehen ist. So schützen sich die Tiere vor Wind und Kälte. Warum die Falter sich genau die Oyameln aussuchen, ist nicht bekannt. In über 3.000 Höhenmetern ist die Überwinterung allerdings gar nicht so einfach. Die Insekten fallen in Kältestarre und jährlich sterben unzählige Falter, die durch Stürme vom Baum geweht werden. Es stellt sich daher die Frage, warum die Schmetterlinge überhaupt diese lange Wanderung auf sich nehmen.

    Monarchfalter

    Monarchfalter legen bemerkenswerte Wanderungen zurück.

    Foto von Isabelle-stock.adobe.com

    Das Kurioseste an der Wanderung der Monarchfalter ist, dass die Falter eine geringe Lebenserwartung haben – so gering, dass sie einen ganzen Wanderzyklus gar nicht erleben. Insbesondere die Rückreise von Mexiko nach Norden ist etwas Besonderes: Die Schmetterlinge legen auf ihrer Reise immer wieder Eier ab, bevor sie sterben. Es schlüpfen Larven, die die Metamorphose zum Schmetterling durchleben und dann die Reise nach Norden fortsetzen. Die Wanderung in den Norden dauert etwa drei Schmetterlings-Generationen. Auf dem Flug Richtung Süden und während der Überwinterungszeit befinden sich die Falter in einer Diapause, in der ihre Entwicklung pausiert wird, sie sich nicht fortpflanzen und dafür aber bis zu sieben Monate leben können. 

    Wissenschaftler vermuten, dass die Falter sich durch das Erdmagnetfeld orientieren. In einer Studie fanden Forscher heraus, dass die Tiere sich am sogenannten Neigungskompass orientieren, „der ihnen hilft, ihren Flug im Herbst äquatorwärts zu lenken.“ Dieser Kompass funktioniere in Kombination mit Licht mit Wellenlängen zwischen 380 und 420 Nanometern. Die Forscher vermuten, dass die Antennen der Falter lichtempfindliche Magnetsensoren enthalten.

    Das faszinierende Naturschauspiel könnte allerdings bald ein Ende haben, denn die Monarchfalter sind bedroht. Schon jetzt sind die Schmetterlingsschwärme deutlich kleiner als noch vor einigen Jahrzehnten. Grund dafür war zunächst die mexikanische Holzindustrie, durch die das Winterquartier der Insekten schrumpfte. Um dem entgegenzuwirken wurde ein Biosphärenreservat eingerichtet. Das Reservat „Mariposa Monarca“ ist seit 2008 auch Weltnaturerbe. Doch auch in den USA macht die Landwirtschaft den Tieren zu schaffen, denn die Seidenpflanze – die Nahrung der Monarchfalter-Raupe – wird dort als Unkraut auf Feldern vernichtet.

    5. „The Great Migration“: Die einzigartige Wanderung der Gnus

    Die sogenannte „Great Migration“ ist eine der bekanntesten Tierwanderungen überhaupt. Das beeindruckende Naturschauspiel, das sich jährlich in der Serengeti abspielt, hat seinen Namen vollkommen zurecht: Rund 1,2 Millionen Gnus, sowie rund 200.000 Zebras und 400.000 Gazellen, machen sich jedes Jahr wieder auf den Weg von Tansania in Richtung der Masai Mara Savanne in Kenia und zurück. Sie folgen dem Regen, um das ganze Jahr über genügend Futter- und Wasserplätze zur Verfügung zu haben.

    Anfang des Jahres, in etwa zwischen Dezember und März, halten sich die Tiere im Hochland der südlichen Serengeti auf, wo sie ihren Nachwuchs bekommen – rund 500.000 Gnu-Kälber werden  dort jedes Jahr innerhalb von wenigen Wochen geboren. Im April folgen die Tiere dann dem Regen und wandern über die westliche Serengeti langsam Richtung Norden. Ungefähr im Juni überqueren sie den Grumeti Fluss, in dem Nilkrokodile lauern und die Tiere abpassen. Aber der Grumeti ist nicht der einzige Fluss, den die Gnus bei ihrer Wanderung überqueren müssen. Im Juli erreichen sie den Mara Fluss in der Nordserengeti. Einige Tiere überqueren dann die Grenze nach Kenia und halten sich bis etwa Oktober in der Massai Mara auf, andere bleiben in Tansania und verbringen die Monate im Norden der Serengeti. Anschließend geht die Reise über die östliche Serengeti zurück nach Süden.

     Gnuwanderung

    "The Great Migration" ist eine der beeindruckensten Wanderungen aus dem Tierreich.

    Foto von gudkovandrey-stock.adobe.com
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