Zu weiß für die Alpen: Kann der Schneehase dem Klimawandel trotzen?

Der Alpenschneehase erinnert noch heute daran, wie Schnee und Eis Europa bis vor 10.000 Jahren prägten. Doch der Klimawandel setzt den eigentlich gut angepassten Eiszeitrelikten zu. Warum, weiß Wildtierbiologe Prof. Dr. Klaus Hackländer.

Von Julia Kainz
Veröffentlicht am 13. März 2023, 10:58 MEZ
Schneehase und Klimawandel in den Alpen

Ohne Schnee ist der Schneehase in den Alpen im Winter nicht getarnt.

Foto von edwin godinho/EyeEm-stock.adobe.com

Mit der letzten Eiszeit breitete sich der Schneehase – ebenso wie viele andere Tundra-Bewohner – bis in den Mittelmeerraum aus. Als die Eiszeit vor 10.000 Jahren endete und die Schnee- und Eismassen zurückgingen, blieben die Hasen in den Alpen. Heute bildet der Alpenschneehase eine geografisch isolierte Unterpopulation der Schneehasen, die ansonsten vor allem im Norden Europas und Asiens vorkommen.

Der Alpenschneehase lebt, wie sein Name bereits verrät, im Alpenraum und bewohnt Gebiete über 1.300 Meter. Er ähnelt optisch dem Feldhasen, wobei ihn einige Merkmalen unterscheiden: Der Alpenschneehase ist zum Beispiel etwas kleiner und hat kürzere Beine und Ohren als sein in tieferen Regionen lebender Verwandter. Der größte Unterschied ist der Fellwechsel, den nur der Alpenschneehase jährlich durchlebt: Jedes Jahr im Winter färbt sich sein grau-braunes Fell weiß. So ist der Hase sowohl im Sommer als auch im Winter perfekt an seine Umgebung angepasst und durch die Tarnung vor seinen natürlichen Fressfeinden wie Greifvögeln und Füchsen geschützt.

Schneehasen und Klimawandel: Zu weiß für den Winter

Die Alpen sind besonders stark vom Klimawandel betroffen, in einigen Regionen liegt die Erwärmung schon bei mehr als zwei Grad. Für den Alpenschneehase als Eiszeitrelikt kann das in Zukunft eine Gefahr darstellen: Durch den Klimawandel liegt in den Alpen weniger und kürzer Schnee, an den sich die Hasen im Winter farblich anpassen. „Die Weißphase des Fells ist zu lang für die aktuelle Schneelage“, erklärt Dr. Klaus Hackländer, Professor für Wildtierbiologie und Jagdwirtschaft an der Universität für Bodenkultur Wien, sowie Vorstand der Deutschen Wildtier Stiftung. Das heißt: Die Hasen sind zwar weiß, ihre Umgebung allerdings nicht. Die eigentlich perfekte Tarnung wird zum Nachteil: „Wenn man mit weißem Fell auf braunem oder grünem Untergrund ist, sitzt man wirklich auf dem Präsentierteller für Fressfeinde“, sagt Hackländer. Bei Mondschein würden die Hasen geradezu leuchten. Prinzipiell kann sich der Fellwechsel des Schneehasen durch Evolution an die Wetterbedingungen anpassen. Wie Hackländer erklärt, haben die Schneehasen in den Zentralalpen zum Beispiel eine längere Weißphase als die Schneehasen, die in den alpinen Randgebieten leben. Der Klimawandel schreitet aber zu schnell voran, als dass sich die Hasen rechtzeitig an die neuen Bedingungen anpassen könnten.

Einer Studie aus dem Jahr 2020 zum schottischen Schneehasen zufolge gab es 2016 im Vergleich zu 1950 insgesamt 35 Tage mehr, in denen die Hasen nicht an ihre Umgebung angepasst waren. Sind die Hasen nicht an ihren Untergrund angepasst, sinkt ihre wöchentliche Überlebenschance um sieben bis 14 Prozent. Für den Alpenschneehasen gebe es solche Daten noch nicht, da die Erforschung der Tiere in den hohen Regionen äußerst schwierig und die Populationsdichte der Tiere sehr gering sei, erklärt Hackländer. „Es gab immer wieder mal den Versuch, aber das blieb immer bei einer sehr kleinen Stichprobe, wenn es nicht sogar gescheitert ist“.

Noch mehr Details zum Schneeschuhhasen und seiner Gefährdung in den schottischen Highlands findest du in der März Ausgabe des NATIONAL GEOGRAPHIC Magazins.

Neben der Farbe ist auch die Beschaffenheit des Fells ein Problem für den Schneehasen, wenn der Klimawandel weiter voranschreitet: „Die braunen Haare im Sommer sind farbstoffgefüllt, die weißen Haare sind hohl. Das führt zu einer zusätzlichen Isolation“, erklärt Prof. Dr. Hackländer. Das könne den Hasen zum Verhängnis werden: Wenn es draußen zu warm ist, könnten sie ihre Körperwärme nicht mehr abgeben. In tieferen Lagen oder an der Südseite der Berge könne es dann zu einem „Überhitzungsproblem“ kommen, wenn die Hasen sich nicht abkühlen können.
 

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    Im Schnee sind die Alpenschneehasen mit ihrem weißen Fell perfekt getarnt.

    Foto von Andrei Stepanovl-stock.adobe.com

    Alpenschneehase und Feldhase: Konkurrenz oder Co-Existenz?

    Zusätzlich zu den direkten klimatischen Veränderungen birgt der Klimawandel noch eine weitere Gefahr für den Alpenschneehasen: Die Konkurrenz zu seiner Schwesternart, dem Feldhasen. Durch die Erwärmung siedeln sich Feldhasen, die eigentlich eher in Talregionen vorkommen, zunehmend auch in höheren Lagen an. Im Rahmen einer Studie aus dem Jahr 2021 stellte sich durch die Analyse von Jagd-Daten der vergangenen 30 Jahre aus der Region um Graubünden (Schweiz) heraus, dass Schneehasen im Schnitt drei Meter höher geschossen wurden als jeweils im Jahr zuvor, erklärt Prof. Dr. Hackländer. „Beim Feldhasen war es doppelt so schnell, da waren es sechs Meter“, sagt der Wildtierbiologe. Das bedeute, dass die Überlappungszone der beiden Arten immer größer werde. Der größere Feldhase ist gegenüber dem Schneehasen dominant und kann sich zum Beispiel bei Nahrungsknappheit besser durchsetzen.

    Die Folgen des Klimawandels: Stirbt der Alpenschneehase aus?

    Die klimatischen Veränderungen und alle Probleme, die damit für den Alpenschneehasen einhergehen, haben zwei verschiedene Folgen für die Tiere: Zunächst müssen die Hasen in höhere Gebiete ausweichen, beziehungsweise werden sie in tieferen Gebieten „wegselektioniert“ werden, wie Hackländer sagt.

    Zudem können sich Alpenschneehase und Feldhase verpaaren und fruchtbare Nachkommen zur Welt bringen. Deshalb wird es immer mehr Hybride zwischen Schneehase und Feldhase geben, während die Anzahl an Schneehasen sinkt. „Der Schneehase wird zwar aussterben, aber seine Gene nicht“, sagt Hackländer. Auch in Spanien gebe es heute iberische Hasen, die noch Schneehasen-Gene aus der Eiszeit vor 30.000 Jahren in sich trügen. Der Alpenschneehase sei ein gutes Beispiel dafür, wie sich der Klimawandel auswirke, sagt Hackländer: „Wir werden tatsächlich Arten und Unterarten verlieren, die genetische Diversität der Arten wird dadurch kleiner“, so der Wildtierbiologe. „Und wenn der Klimawandel voranschreitet, ist der Schneehase nur eine von vielen Arten, die im Alpenraum verschwinden wird – neben dem Alpen-Schneehuhn oder anderen Eiszeitrelikten wie dem Auerhahn.“

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