Schwanger im Alleingang: Erste Jungferngeburt bei einem Krokodil

Dass Weibchen sich ohne Männchen fortpflanzen, ist selten, aber bereits für einige Wirbeltierarten nachgewiesen. Nun kam es erstmals bei einem Krokodil zu so einem Fall von Parthenogenese.

Von Marina Weishaupt
Veröffentlicht am 15. Juni 2023, 09:32 MESZ
Ein Spitzkrokodil mit geöffnetem Maul.

Weibliche Spitzkrokodile (Crocodylus acutus) können bis zu 170 Kilogramm schwer werden – und sich nach einer neusten Erkenntnis auch ohne männliche Hilfe fortpflanzen.

Foto von ArtushFoto / Adobe Stock

16 Jahre lang lebte ein Krokodilweibchen in einem Zoo in Costa Rica alleine – in einem eigenen Gehege und von anderen Artgenossen isoliert. Ein Zustand, der durch einen evolutionären Sonderfall im Jahr 2018 beinahe verändert worden wäre: Das Spitzkrokodil (Crocodylus acutus) legte eine Kupplung von teilweise befruchteten Eiern – ohne männliche Befruchtung.

Aus einem davon entwickelte sich ein vollständig ausgebildeter Fötus. Zwar überlebte dieser nicht, dennoch markiert dieses Vorkommnis den bislang ersten dokumentierten Fall einer Jungferngeburt bei Krokodilen. 

Wissenschaftler*innen um den Entomologen Warren Booth von der Virginia Polytechnic Institute and State University in den USA beschäftigten sich in ihrer Studie genauer mit dieser sogenannten fakultativen Parthenogenese (FP). Ihre Ergebnisse erschienen im Fachmagazin Biology Letters.

Parthenogenese: Bisher nur ein Fall bei Krokodilen

Insgesamt 14 Eier legte das 18 Jahre alte Weibchen im Januar 2018, wovon die Hälfte tatsächlich befruchtet war. Um den weiteren Verlauf der Jungferngeburt genauestens beobachten zu können, wurden die befruchteten sieben Eier künstlich bebrütet. Da es sich bei Crocodylus acutus um eine Art handelt, die keine Geschlechtschromosomen aufweist, ist die sogenannte temperaturabhängige Geschlechtsdetermination – also die Temperatur des Geleges – für die Entwicklung des Geschlechts der Föten verantwortlich. 

Weil die Eier bei 29 bis 30 Grad Celsius bebrütet wurden, lag die Wahrscheinlichkeit für weibliche Jungtiere dementsprechend bei 100 Prozent. Da diese nach Ablauf der normalen Dauer von drei Monaten allerdings keinerlei Lebenszeichen von sich gaben, wurden sie zur Begutachtung geöffnet. 

Lediglich in einem der Eier befand sich ein vollständig entwickelter, allerdings nicht lebensfähiger weiblicher Fötus. Um die aufgrund der Einzelhaltung einzig mögliche Vermutung der Jungferngeburt zu bestätigen, wurden sowohl DNA des Fötus als auch die einer Hautschuppe der Mutter entnommen. Mit dem Verfahren namens ParthenoGenius wurden diese verglichen und auf mögliche Anzeichen für Parthenogenese untersucht. 

Das Ergebnis: Die Proben des Genmaterials von Mutter und Jungtier waren sich derart ähnlich, dass eine Befruchtung durch ein männliches Tier ausgeschlossen werden konnte. 

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    Möglich ist diese Art der Fortpflanzung ohne männliches Zutun durch unterschiedliche Prozesse. Bei der Automixis entstehen beispielsweise genetisch identische Kopien der Mutter. Im Fall der Krokodilsdame kam es zur fakultativen Parthenogenese, die eine Entwicklung beider Geschlechter möglich macht. Dabei verschmelzen die Eizellen, in denen die Hälfte der Chromosomen der Mutter vorhanden sind, mit Nebenprodukten der Eiproduktion – sogenannten Polkörpern, die den Chromosomensatz vervollständigen.

    So zufällig und faszinierend sich diese Art der Fortpflanzung auch scheinen mag – eine Seltenheit ist sie nicht. Bekannt ist die Parthenogenese bislang bei insgesamt etwa 80 Arten von Wirbeltieren – darunter Schlangen, Eidechsen, Haie und Vögel. Primaten, zu denen auch der Mensch gehört, sind nicht dazu in der Lage. 

    Vor allem in den letzten zwei Jahrzehnten wurden immer mehr Fälle der Jungferngeburt im Tierreich nachgewiesen. Dies ist laut der Studie allerdings nicht einem häufigeren Auftreten des Phänomens geschuldet, sondern schlichtweg der steigenden Aufmerksamkeit für das Thema und den technischen Fortschritten. Der Nachweis, dass FP in beiden Hauptzweigen der Archosaurier stattfindet – sowohl bei Vögeln als auch bei Krokodilen – lässt die Forschenden auf weitere Erkenntnisse bezüglich der Fortpflanzung von Flug- und Dinosauriern hoffen.

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