Wenn Krokodile spielen – warum haben Tiere Spaß?
Auch kaltblütige Reptilien können sich für vergnüglichen Zeitvertreib mit Wasserspaß und bunten Blümchen erwärmen. Aber welchen Zweck erfüllt Spielverhalten bei Tieren?
Als Vladimir Dinets vor einigen Jahren zum ersten Mal davon hörte, dass ein Kubakrokodil im Toledo Zoo in Ohio anscheinend mit einem Wasserball spielte, dachte er sich zunächst nichts dabei.
Die Pfleger berichteten, dass das Tier den Ball angriff und dann im Wasser Blasen machte – im Grunde Bilderbuchbeispiele für Spielverhalten.
Als Dinets dann aber die wissenschaftliche Literatur nach Informationen zum Spielverhalten von Krokodilen durchforstete, fand er überhaupt nichts zu dem Thema.
„Es war den Leuten, die mit Krokodilen arbeiteten, einfach gar nicht in den Sinn gekommen, dazu etwas zu publizieren, weil die Idee [dass Krokodile spielen] zu offensichtlich schien“, so Dinets, ein Biologe an der University of Tennessee in Knoxville.
Er beschloss, diesen Missstand zu beheben: Mit seiner eigenen Studie, die 2015 in „Animal Behavior and Cognition“ erschien, dokumentierte Dinets erstmals das Spielverhalten der Gattung Crocodylia, zu der neben Krokodilen auch Alligatoren und Kaimane zählen.
Spielende Krokodile
Dinets’ Analysen stützen sich auf 3.000 eigene Beobachtungsstunden sowie Berichte von Biologen und Hobbyforschern. Insgesamt konnte er so mehr als 15 verschiedene Beobachtungen von Spielverhalten bei Krokodilen feststellen, wobei unentwegt neue dazukommen.
Da Krokodile die meiste Zeit im Wasser verbringen, überrascht es nicht, dass viele spielerische Verhaltensweisen, von denen berichtet wurde, auch genau dort stattfanden: Die Tiere tauchten beispielsweise ihre Schnauze ins Wasser und schnappten dann nach dem vorbeiströmenden Wasser.
In anderen Fällen spielten die Reptilien anscheinend mit bunten Blumen, die sie zwischen ihren Zähnen herumtrugen, oder amüsierten sich miteinander – beispielsweise, indem sie ihre kleineren Artgenossen huckepack nahmen.
Was ist Spiel? Eine Frage der Definition
Tatsächlich haben viele Tiere allein oder zusammen Spaß. Ob es nun Otter sind, die im Fluss herumtollen, Katzen, die Laserpointern hinterherjagen, oder Hunde, die spielerisch miteinander kämpfen. Manchmal lässt sich allerdings gar nicht so leicht sagen, ob ein Verhalten einfach dem Spaß dient oder einen anderen Zweck erfüllt, beispielsweise das Verteidigen von Revieren oder die Futtersuche.
An dieser Stelle kommt Gordon Burghardt ins Spiel. Der Biologe, der ebenfalls an der University of Tennessee in Knoxville arbeitet, hat eine wissenschaftliche Definition des Spielens ausgearbeitet.
Laut seinen Parametern muss Spiel ein wiederholt auftretendes, angenehmes Verhalten sein, das nur zum Selbstzweck betrieben wird und ähnlich, aber nicht identisch mit anderen Verhaltensweisen ist, die das Tier regelmäßig zeigt. Außerdem muss das Verhalten dann zu beobachten sein, wenn das Tier gesund ist und nicht unter Stress steht.
Mit Burghardts Definition vergrößerte sich der Kreis spielender Tiere plötzlich enorm und umfasste auch Schildkröten und sogar Wespen. Seit Dinets’ Studie gehören nun auch die Vertreter der Crocodylia dazu, sagte Burghardt.
Warum spielen Tiere überhaupt?
Die Gründe für das tierische Spielverhalten sind bisher nicht wirklich bekannt.
„Das ist gerade die große Frage“, sagte Burghardt. „Aber es gibt so viele verschiedene Arten von Spielverhalten, dass es womöglich keine einzelne Funktion erfüllt.“
Eine der führenden Theorien besagt, dass junge Tiere sich über Spiel auf ihr späteres Leben vorbereiten. Das erklärt allerdings nicht, warum viele ausgewachsene Tiere (auch Menschen) weiterhin spielen. Außerdem gibt es keine Belege dafür, dass Tiere ihre Fähigkeiten durch ausgiebiges Spiel in jedem Fall verbessern.
Nachgewiesen wurde das beispielsweise an der Grashüpfermaus Onychomys leucogaster. Die fleischfressenden Nagetiere sind in der nordamerikanischen Prärie zuhause. Im Jahr 1983 zeigte eine Studie, dass junge Mäuse, die viel spielten, später nicht mehr Erfolg bei der Jagd auf Grashüpfer hatten als ihre weniger verspielten Artgenossen.
Auch aktuelle Studien zum Spielverhalten von Erdmännchen (Suricata suricatta) in der Kalahari wiesen nach, dass die Tiere dadurch weder ihre Kampffertigkeit verbesserten noch ihre Aggression reduzierten.
Das alles bedeutet natürlich nicht, dass Spiel nutzlos ist. Die Arbeit mit Afrikanischen Elefanten zeigte beispielsweise, dass sich Spiel insgesamt positiv auf ihr körperliches und geistiges Wohlbefinden auswirkt. Ähnliche Ergebnisse erzielte man bei Belding-Zieseln (Spermophilus beldingi): Dort wiesen Forscher nach, dass Spiel die Gesundheit und motorischen Fähigkeiten der Tiere verbesserte.
Mit anderen Worten: Tiere scheinen zu spielen, weil es ihnen Spaß macht – selbst, wenn sie daraus keinen sonstigen direkten, greifbaren Nutzen ziehen.
Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.