Schlangen als Haustier: Go oder No?

Gefürchtet oder geliebt – die tropischen Exoten sind nicht in jedem Haushalt willkommen. Doch wie gefährlich ist es, mit einer Schlange zusammenzuwohnen? Und können die Tiere in Deutschland überhaupt artgerecht gehalten werden?

Von Insa Germerott
Veröffentlicht am 22. Sept. 2023, 16:29 MESZ
Ein Grüner Baumpython (Morelia viridis) zusammengerollt auf einem Ast.

Ein Grüner Baumpython (Morelia viridis) in einer typischen Pose auf einem Ast. Eigentlich lebt die Art in Neuguinea und im Norden Australiens. Kann man die Tiere auch artgerecht in Deutschland halten?

Foto von David Close / Unsplash

Manche finden sie furchteinflößend, andere leben mit ihnen in trauter Gemeinschaft unter einem Dach: Kaum ein anderes Haustier polarisiert so sehr wie die Schlange. Während die meisten Deutschen eher flauschige Mitbewohner wie Katzen oder Hunde bevorzugen, leben laut einer Statistik des Industrieverband Heimtiertbedarf (IVH) e.V. in circa zwei Prozent der deutschen Haushalte auch Terrarientiere wie Echsen, Spinnen – oder eben Schlangen. 

Doch wie gefährlich ist es, Python, Kornnatter oder Boa bei sich zuhause zu halten? Wie kann man den Tieren gerecht werden? Und was macht man, wenn eine Schlange ausbricht? Wir geben einen Einblick in das Zusammenleben mit den Reptilien. 

Reptilienhandel: Das Geschäft mit den Exoten

Insgesamt ist die Zahl von Reptilien in Privathaushalten in den letzten Jahren konstant angestiegen: Gab es 2018 noch eine Million Terrarien für die Exoten in Deutschland, waren es im Jahr 2022 bereits 1,3 Millionen. Der Handel mit Reptilien ist in der Bundesrepublik besonders verbreitet, denn es gibt kaum Vorschriften – weder für private noch für gewerbliche Händler. 

Faszination Schlange

„Deutschland ist das Zentrum des Wildtierhandels“, erklärt der Deutsche Tierschutzbund in einer Mitteilung. Dieser kaum eingeschränkte Handel könne verheerende Folgen haben. Denn unter den Tieren seien oft auch bedrohte Exemplare, die ihrem natürlichen Lebensraum entrissen wurden. Dies sei mit „gravierenden Arten- und Naturschutzproblemen“ verbunden, denn die Entnahme aus der Natur geschehe oft illegal, so der Deutsche Tierschutzbund in einem Positionspapier.

Doch auch für Anfänger*innen kann der Exotenkauf gefährlich werden. Der Grund: In Deutschland gibt es kaum verpflichtende Vorgaben zur Haltung von Reptilien. So dürfen auch giftige Tiere frei gehandelt und gehalten werden. Lediglich neun Bundesländer verbieten es, bestimmte gefährliche Tierarten zu besitzen. 

Schlangenhaltung leicht gemacht?

Wer plant, ein Reptil bei sich aufzunehmen, sollte sich deshalb lieber zuerst bei Tierheimen oder Auffangstationen umschauen, rät der Deutsche Tierschutzbund. Außerdem ist es natürlich unerlässlich, sich umfangreich darüber zu informieren, wie der jeweilige neue exotische Mitbewohner artgerecht gehalten werden kann. Denn: Schlange ist nicht gleich Schlange. Die Arten unterscheiden sich in Hinblick auf ihre Lebensräume und Lebensweise teilweise stark. 

Um dem Reptil in der eigenen Wohnung gerecht werden zu können, braucht es weit mehr als nur die richtige Terrariengröße. Auch Bewegungsfreude, Tag-Nacht-Rhythmus, Lebenserwartung, Wachstum, besondere Ansprüche an Klima oder an andere Umweltfaktoren müssen dem Deutschen Tierschutzbund zufolge in Betracht gezogen werden.

Das richtige Terrarium 

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    Die wechselwarmen Tiere, deren Körpertemperatur sich der Umgebung anpasst, brauchen beheizte Terrarien – mit verschiedenen Temperaturzonen, veränderbarer Luftfeuchtigkeit und diversen Lichtintensitäten. Die meist aus den Tropen stammenden Reptilien lieben nicht nur die Wärme, sondern auch die Sonne: Etwa 12 Stunden am Tag sollten die Terrarien daher beleuchtet werden.

    Die Mindestanforderungen an Schlangenterrarien hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) formuliert: Sie müssen mindestens zwischen 0,75 und 1,25 Meter länger sein als die Schlange selbst – die Zahl variiert je nach Art. Dazu müssen sich „stets Unterschlupfe oder Versteckmöglichkeiten, die je nach Art und Größe der Schlangen sehr vielgestaltig sein können“ darin befinden.

    Während ein Python, der häufig in den tropischen Wäldern und Dschungeln zuhause ist, beispielsweise ausreichend Klettermöglichkeiten und ein großes Badebecken benötigt, braucht eine Wüsten-Nachtschlange – ein Tier, das hauptsächlich in subtropischen Trockengebieten vorkommt – ein Trockenterrarium mit genügend Versteckmöglichkeiten. 

    Kann man Schlangen in der Wohnung artgerecht ernähren?

    Der Königspython ist eine beliebte Schlange für Anfänger*innen. In seinem Terrarium sollte es ausreichend Klettermöglichkeiten geben. 

    Foto von kirahoffmann / adobe Stock

    Ein weiterer wichtiger Punkt, über den sich neue Schlangenhalter*innen im Klaren sein sollten: Ihre Schützlinge sind Lebendfutter gewohnt. „Schlangen sind ausnahmslos carnivor und leben meist räuberisch, das heißt: Sie jagen lebende Beutetiere“, erklärt das BMEL. Da das Jagdverhalten der Schlangen häufig sogar erst durch die Bewegungen der Beutetiere ausgelöst werde, gelinge es im Terrarium oft nicht, die Reptilien an tote Futtertiere zu gewöhnen. In solchen Fällen gehöre das Verfüttern lebender Beutetiere laut dem BMEL zu einer artgemäßen Schlangenhaltung.

    Der Deutsche Tierschutzbund kritisiert diesen Punkt: Für die Futtertiere – oftmals lebende Nagetiere – bedeute die Lebendfütterung nicht nur permanent Stress, da sie zuvor meist nicht artgerecht aufbewahrt werden, sondern auch einen grausamen Tod. „Die Situation ist nicht mit der in der freien Natur zu vergleichen, da die Beutetiere im Terrarium keine Möglichkeit haben, zu fliehen“, so der Deutsche Tierschutzbund in einer Mitteilung.

    „Reptilien sind keine Haustiere“ 

    “Reptilien sind Wildtiere – es ist meist kaum möglich, sie artgerecht in einer Wohnung zu halten”

    von Deutscher Tierschutzbund

    Laut dem Verband ist es meist kaum möglich, Reptilien, bei denen es sich um Wildtiere handelt, artgerecht in einer Wohnung zu halten. Viele unterschätzten die anspruchsvollen Tiere und ihre hohe Lebenserwartung. Auch die Tierschutzorganisation PETA bemängelt die Haltung zuhause: „In Gefangenschaft zeigen viele Reptilien oftmals auffälliges oder gar stereotypes Verhalten, das auf Angst und/oder Stress hindeutet.“ Man sehe den Tieren ihr Leid nicht an – auch nicht, wenn sie Krankheiten haben, die unter anderem durch Haltungsfehler verursacht werden können. 

    „Reptilien sind keine Haustiere“, finden beide Organisationen. Auch wegen der Krankheiten, die sie auf den Menschen übertragen können. Die Mehrheit der in Gefangenschaft lebenden Reptilien – bis zu 90 Prozent – tragen Salmonellose-Erreger in sich. Dazu kommen weitere Bakterien, Viren, aber auch Pilze, die sie auf den Menschen übertragen können. 

    Ein Reptil auf Umwegen 

    Ein weiteres Risiko: Manchmal kommt es vor, dass sich Hausschlangen außerhalb ihres Terrariums umschauen. PETA zufolge kommt es vor allem in den Sommermonaten vermehrt zu solchen „Ausbrüchen“ von Heimreptilien, weil sie in dieser Zeit besonders aktiv werden. Doch was tun, wenn eine Schlange ausbüxt – oder man einem „entkrochenen“ Exemplar begegnet?

    Am besten ruft man eine*n Expert*in an – einen wie Martin Maschka. Der Naturschutzberater der Stadt Hattingen und Betreiber der Natur- und Wildnisschule Ruhrgebiet kennt sich mit Schlangen aus. Mit seinem Hund Emmy, den er zum ersten Schlangenspürhund Europas ausgebildet hat, ist Maschka unterwegs, um ungefährliche Exemplare aus der Kanalisation, aus Gullies, Lichtschächten, Kellern und Wohnungen zu retten. Dabei spürt Emmy die Tiere über den Geruch ihrer Häute auf. 

    „Nur in seltenen Fällen bittet ein verzweifelter Schlangenhalter um Unterstützung bei der Suche in den eigenen vier Wänden“, sagt Maschka. Und nur fünf Prozent der Schlangen, die er bei seinen Einsätzen findet, seien überhaupt entlaufene Exoten. Meistens handelt es sich dabei um Kornnattern oder Pythons. Bei diesen Exemplaren ermittelt er der*die Halter*in, „oft über Facebook, Radio und Presse“, so der Schlangenexperte. 

    Eine deutsche Schlange als Haustier?

    Die Ringelnatter ist in Deutschland zuhause. Für den Menschen ist sie laut dem NABU komplett ungefährlich.

    Foto von bennytrapp / adobe Stock

    Viel häufiger sind es allerdings verirrte heimische Arten, die Maschka rettet – darunter Ringelnattern und Schlingnattern. „Die Menschen müssen lernen, dass Schlangen auch in Deutschland heimisch sind“, sagt er. Sie gehören – genau wie Fuchs, Fischotter oder Wildbiene – zu den heimischen Wildtieren und sind ein positives Zeichen für die Artenvielfalt in Deutschland. Die wildlebenden Schlangen kann man allerdings nicht als Haustiere halten. Sie dürfen weder aus ihrem natürlichen Habitat entfernt, noch verletzt oder getötet werden. „Die heimischen Schlangen sind streng geschützt“, sagt Maschka, und sie sollten auch so behandelt werden. 

    Die Option, eine Schlange aus Deutschland bei sich aufzunehmen, gibt es aber schon: Deutsche Züchter*innen verkaufen hierzulande aufgewachsene Schlangen mit entsprechenden Nachweisen und CITES-Papieren, erklärt Maschka. Die Papiere sind eine Art Personalausweis des Tieres, die dessen  Herkunft dokumentieren – und als Kontrollinstanz beim Im- und Export geschützter Tiere dienen. In Deutschland gezüchtete Schlangen stellen gleichzeitig eine Möglichkeit dar, die tropischen Arten besser zu schützen – und den Handel mit illegal entwendeten Tieren einzuschränken. 

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