Der Feind in meinem Beet: Wenn Schnecken zur Plage werden

In deutschen Gärten ist das Problem mit Schneckenfraß in diesem Jahr besonders groß. Warum wir selbst schuld sind, dass die Tiere unseren Salat fressen – und welche Mittel es gibt, wenn man die Tiere bekämpfen, aber nicht töten will.

Von Katarina Fischer
Veröffentlicht am 11. Juni 2024, 08:35 MESZ
Nahaufnahme einer Schnecke auf der Erde.

Auge in Auge mit dem Gegner: Schnecken können nicht besonders gut sehen, die Augen am Ende ihrer Fühler unterscheiden lediglich hell und dunkel. Ihr Geruchssinn ist dafür umso besser.

Foto von Victor Grabarczyk / Unsplash

Alle, die schon einmal morgens mit Bestürzung vor ihrem angefressenen Salatbeet gestanden oder von Zierpflanzen nur noch schleimige Stängel vorgefunden haben, kennen ihn: den Hass auf Schnecken. Dabei sind die kleinen Kriecher durchaus faszinierend. Ob mit Häuschen oder ohne: Schnecken, mit wissenschaftlichem Namen Gastropoda (griechisch für Bauchfüßer), sind Zwitter, können sich also mit jedem beliebigen Artgenossen fortpflanzen. Sie können sich durch kleinste Ritzen drücken und ihre Körperlänge um ein Vielfaches strecken. Dank Schleim und saugnapfartigem Fuß kriechen sie sogar glatte vertikale Flächen langsam aber zielstrebig hinauf.

Bei Gartenbesitzer*innen macht all das die Tiere nicht beliebter – denn ihren Fähigkeiten gegenüber steht ihr Appetit auf alles, was eigentlich weiter wachsen sollte. Was also tun, wenn die kriechende Invasion einem die Freude am Garten nimmt? Muss man zwangsläufig zum Mörder werden? Oder hat man auch andere, umwelt- und tierfreundliche Möglichkeiten, Schnecken in ihre Schranken zu weisen? Julian Heiermann, Teamleiter Naturschutz- und Umweltinformationen beim NABU, gibt Antworten.

Herr Heiermann, um eine effiziente Strategie zu entwickeln, hilft es, den Feind und seine Gewohnheiten zu kennen. Was muss man über Schnecken wissen?

Wichtig ist: Schnecken sind Weichtiere, haben also weder innen noch außen ein Skelett, und ihr Körper hat einen sehr hohen Wasseranteil. Sie können sich nur fortbewegen, indem sie auf ihrer eigenen Schleimspur kriechen – und um die zu produzieren, brauchen sie Feuchtigkeit. Hitze und Trockenheit sind also ihr Hauptfeind, darum meiden sie die Sonne und sind vorwiegend nachtaktiv. Wenn es viel regnet, kann man sie aber auch tagsüber sehen.

Und wenn es nicht regnet?

Wenn es längere Zeit keinen Niederschlag gab, verfallen Schnecken in eine Art Trockenschlaf. Nacktschnecken verkriechen sich dann unter einer Humusschicht oder Totholz, in Erdhöhlen und Spalten. Gehäuseschnecken ziehen sich in ihr Haus zurück und verschließen den Eingang mit einer Schleimschicht, die dann ganz hart wird. An heißen Tagen sieht man manchmal Schleimspuren, an deren Ende etwas liegt, das aussieht, wie ein Lakritzbonbon – das ist das, was von einer Schnecke übrigbleibt, die der Hitze nicht schnell genug entkommen konnte und vertrocknet ist. Daran sieht man, dass ihr Körper zum größten Teil aus Wasser besteht.

Der Schrecken der Gärtner*innen ist ja das Maul der Schnecke. Wie ist das aufgebaut? Haben Schnecken Zähne?

Nein, sie haben am Maul eine Hornverstärkung, mit der sie Nahrung abraspeln. Sie sind also sehr weich, haben aber harte Mundwerkzeuge, um vernünftig Nahrung aufnehmen zu können. Und sie haben einen sehr großen Verdauungstrakt.

Schnecken fressen eine Kürbisblüte. Dass die Tiere sich auf unsere Gemüsepflanzen stürzen, hängt auch damit zusammen, dass wir sie durch Züchtung nicht nur für uns, sondern auch für Schnecken schmackhafter gemacht haben.

Foto von wiha3 / adobe Stock

Und einen großen Appetit.

Das ist auch gut, denn nur so erfüllen sie ihre ökologische Aufgabe. Wir neigen dazu, Tiere in Schubladen zu stecken: Nützlich, schädlich oder egal. Aber eigentlich hat wirklich jedes Tier eine Aufgabe in der Natur und auch Schnecken haben einen Nutzen. Sie sind sogenannte Destruenten, also Zersetzer, und entfernen, wie Würmer, Aaskäfer, aber auch Bakterien und Pilze, totes Material aus ihrem Ökosystem.

Mein Salat ist aber nicht tot.

Zu unserem Leidwesen stehen wir Menschen mit Schnecken in einer Konkurrenz um bestimmte Pflanzen. Daran, dass sie so gern unsere Salatpflanzen fressen, sind wir im Grunde selber schuld, weil wir die Bitterstoffe aus vielen Sorten herausgezüchtet haben. Mit diesen Stoffen wehren sich Wildpflanzen gegen Schneckenfraß – der Kopfsalat kann das leider nicht mehr.

Was steht denn außer Salat noch auf dem Schnecken-Speiseplan? 

Schnecken fressen nicht nur pflanzliche Stoffe, sondern auch Aas – auch tote Artgenossen – und Kot. Wir können froh sein, dass es solche Organismen gibt, die für uns aufräumen. In der Natur gibt es ja keinen Abfall, alles wird recycelt und so ist Schneckenkot bester Pflanzendünger. Außerdem gibt es viele Tiere, die Schnecken fressen: Vögel, Igel, Amphibien, Reptilien, Insekten wie das heißgeliebte Glühwürmchen, dessen Larven kleine Gehäuseschnecken erbeuten. Die Singdrossel hat sich sogar auf Schnecken spezialisiert. Gäbe es sie nicht, hätten all diese Arten ein Nahrungsproblem.

Von der Spanischen Wegschnecke wird aber zum Beispiel gesagt, dass sie als invasive Art keine Fressfeinde hat und sich darum unaufhaltsam verbreitet.

Es gibt Schnecken, die weniger Fressfeinde haben, weil sie sich über die Zeit entsprechend angepasst haben – dazu gehört auch die Spanische Wegschnecke. Wenn sie in Gefahr gerät, produziert sie einen sehr zähen, ungenießbaren Schleim. Das bedeutet nicht, dass sie gar nicht gefressen wird – aber sie wird weniger gern gefressen. Ein Igel, der die Wahl zwischen ihr und einer anderen Schneckenart oder einem Regenwurm hat, wird sich lieber für die Alternative entscheiden, statt erst durch Herumwenden den Schleim von ihr abzustreifen. Dank dieser Strategie lebt sie länger und hat mehr Zeit, sich fortzupflanzen – und darum sieht man sie besonders häufig.  Genetischen Untersuchungen zufolge stammt die Spanische Wegschnecke übrigens, anders als der Name vermuten lässt, gar nicht aus Spanien, sondern ist bei uns heimisch.

BELIEBT

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    Eine Spanische Wegschnecke (Arion vulgaris) raspelt mithilfe der Hornverstärkung in ihrem Maul an einem Blatt. Die Schneckenart ist besonders gefürchtet, weil sie von Fressfeinden nur ungern verzehrt wird.

    Foto von Andreas / Adobe Stock

    Trotzdem kann man den Eindruck bekommen, es mit einer regelrechten Invasion zu tun zu haben. Vor allem in diesem Jahr sieht man extrem viele Schnecken. Woran liegt das?

    Weil ihre Aktivität, wie gesagt, davon abhängig ist, wie feucht es ist. In diesem Jahr ist es in Deutschland sehr regennass. Je mehr Niederschlag es gibt, desto aktiver sind die Tiere und desto mehr Gelegenheit haben sie zur Fortpflanzung – und die nutzen sie. Auch die kürzeren Winter spielen eine Rolle. Schnecken verfallen in eine Winterstarre, doch die ist jetzt früher im Jahr vorbei und das verlängert ebenfalls ihre Aktivitätszeiten. Durch den früheren Start hat man dann mehr von ihnen im Garten.

    Gibt es einen Punkt, an dem man sagen würde, dass zu viele Schnecken in einem Garten sind?

    Wann es mit Schnecken überhand nimmt, ist eine individuelle Frage. Ich habe noch nie gehört, dass eine übermäßige Vermehrung von Schnecken ökologische Schäden mit sich bringen würde, wie es bei invasiven Tierarten, die vom Menschen eingebracht wurden, vorkommt. Waschbären sind da ein aktuelles Beispiel, die die Nester von Bodenbrütern ausräumen oder Amphibien dezimieren. Schnecken treten in regenreichen Jahren zwar in höherer Zahl auf, davon, dass sie dann aber wie etwa Wanderheuschrecken einfallen und alles kahlfressen, ist mir nichts bekannt.

    Haben Sie Tipps, wie ich meinen Garten gestalten kann, damit er von Schnecken möglichst wenig in Mitleidenschaft gezogen wird?

    Wenn Schnecken gehäuft auftreten, stürzen sie sich meist auf Pflanzen, die gegen Schneckenfraß nicht gut gewappnet sind – das sind meistens vom Menschen gezüchtete Pflanzen wie der Kopfsalat. Hochbeete sind eine natürliche Barriere für Schnecken, weil sie sie erst einmal finden und erklimmen müssen. Durch eine naturnahe Gartengestaltung mit wilden Ecken, Stein- oder Komposthaufen, die viele Versteckmöglichkeiten und ein gutes Nahrungsangebot bietet, lockt man außerdem natürliche Fressfeinde der Schnecke wie Igel, Laufkäfer und Hundertfüßer in den Garten. Heimische Pflanzenarten spielen im Naturgarten eine wichtige Rolle und fördern das Vorkommen auch von natürlichen Gegenspielern der Schnecken. Beispiele sind Weiß- und Schwarzdorn und Liguster oder Stauden wie Schafgarbe, Nachtkerze, Flockenblumen oder Rasennelken. Oder man schaut mal, was von selbst wächst – es muss ja nicht immer alles angepflanzt werden.

    Verstecke lieben Schnecken aber auch. Wäre es nicht besser, einen aufgeräumten Garten zu haben, damit sie sich dort nicht gerne aufhalten?

    Aus Sicht des NABUs ist es keine Lösung, Gärten naturfern zu gestalten, um ein Schneckenproblem zu vermeiden. In so einem Garten hat man vielleicht keine Schnecken, aber auch sonst keine der 375 Tierarten, die dort einziehen könnten. Schnecken gehören im natürlichen Ökosystem dazu.

    Schneckengeplagte Gartenbesitzer*innen werden vermutlich trotzdem versuchen, die Tiere loszuwerden. Die Methoden sind aber nicht immer unproblematisch: Stichwort Salz.

    Abgesehen davon, dass die Tiere qualvoll sterben, wenn man sie mit Salz bestreut, macht man sich damit auch den Boden kaputt. Da wächst dann nichts mehr. Außerdem ist es gar nicht erlaubt, einfach Salz in die Natur einzubringen. Auch von Schneckenkorn, das immer noch häufig eingesetzt wird, raten wir ab. Manche Präparate enthalten Wirkstoffe, die sich nicht nur auf Schnecken auswirken, sondern auch auf ihre Fressfeinde. Metaldehyd und Mesurol können beispielsweise beim Igel tödliche Vergiftungen verursachen. Außerdem wirkt Schneckenkorn ungerichtet und kann auch von nicht problematischen Schneckenarten aufgenommen werden und diese töten. Das gilt auch für Nematoden, durch die nützliche Schneckenarten ungewollt in Mitleidenschaft gezogen werden können – zum Beispiel der Tigerschnegel, der andere schädliche Schneckenarten dezimiert, indem er ihre Eier frisst. Wenn man also irgendwelche Mittelchen im Garten verteilt, bringt man sich möglicherweise um die Unterstützung natürlicher Fressfeinde.

    Manche Wirkstoffe im Schneckenkorn können auch für andere Tiere tödlich sein. Vermeintlich sicher soll Eisen-III-Phosphat sein, weil sich Schnecken, die es aufgenommen haben, vor dem Tod zurückziehen und nicht mehr gefressen werden können. Doch laut Julian Heiermann sind die Inhaltsstoffe der Mittel nicht immer auf den Packungen ersichtlich und es besteht Verwechslungsgefahr. 

    Foto von Bernd Lang / adobe Stock

    Dann also doch lieber eine Bierfalle aufstellen?

    Auf keinen Fall! Bierfallen machen sich eine ökologische Eigenschaft zu Nutze: Der Geruch von Alkohol lässt Tiere glauben, dass dort, wo die Falle steht, etwas verwest – und das zieht sie magisch an. Damit lockt man aber auch Schnecken aus der Umgebung in den Garten, diw vorher gar nicht da waren, und verstärkt so das Problem. Zudem sterben Tiere in der Falle, die man gar nicht fangen wollte oder darf, weil sie unter Naturschutz stehen – zum Beispiel Spitzmäuse, geschützte Hornissen oder Laufkäfer, die Fressfeinde von Schnecken sind. Die Kollateralschäden sind also viel größer als der vermeintliche Nutzen.

    Beim Absammeln passiert das nicht. Aber was mache ich mit meinem Eimer voller Schnecken?

    Man bringt sie irgendwohin, wo sie keinen Schaden anrichten. Das ist tatsächlich nicht immer leicht. Der Nachbargarten ist natürlich ausgeschlossen und würde auch nichts bringen, weil sie dann einfach zurückkriechen. Vielleicht hat man andere grüne Bereiche in der Nachbarschaft, in denen es ohnehin schon viele Schnecken gibt – man muss aber darauf achten, sie auf keinen Fall in Naturschutzgebieten auszusetzen.

    Sie haben schon eine Reihe natürlicher Fressfeinde von Schnecken erwähnt – kann ich die nicht einfach in meinen Garten bringen?

    Nein, die müssen leider von allein kommen. Auf keinen Fall darf man ortsfremde Tierarten von irgendwoher holen und aussetzen – das ist in Deutschland nicht ohne Grund verboten. Man weiß ja nicht, ob die Tiere wirklich heimisch sind, wie es mit der Genetik aussieht und ob sie möglicherweise Krankheiten oder Parasiten in das Ökosystem einschleppen. Es gibt zum Beispiel diesen Weißbrustigel, den manche als Haustier halten. Den als Schneckenjäger im Garten auszusetzen, wäre verboten, weil er mit unserem heimischen Braunbrustigel genetisch nichts zu tun hat und er Krankheiten mitbringen könnte, die die heimische Population gefährden. Eine Ausnahme sind Laufenten, die auch vor der Spanischen Wegschnecke nicht zurückschrecken. Da soll es bereits helfen, sie ein paar Tage im Garten zu Gast zu haben. Währenddessen vertilgen sie dann alles, was nach Schnecke aussieht. Aber an die muss man erst einmal rankommen und dann muss auch sichergestellt werden, dass sie vernünftig gehalten werden – und ob das wirklich so gut funktioniert, da fehlen mir Erfahrungswerte.

    Eigentlich kann man also, wenn man Schnecken im Garten hat und sie nicht töten möchte, nicht viel tun?

    Man kann ein bisschen gegensteuern, indem man den Garten nicht abends, wenn die Schnecken aktiv werden, bewässert, sondern in den frühen Morgenstunden. Das ist auch für die Pflanzen von Vorteil, weil sie ja tagsüber Photosynthese machen, wenn die Sonne scheint.

    Und ansonsten macht man seinen Frieden mit ihnen?

    Es geht sicher auch um die innere Einstellung. Manche empfinden das Quaken von Fröschen als Krach, für andere, die wissen, wie selten diese Tiere geworden sind, ist es Musik. Auch mit Schnecken kann man sich auf diese Weise arrangieren. Wenn man sich ihre wichtige ökologische Funktion vor Augen führt, tut der abgefressene Salatkopf vielleicht nicht mehr ganz so doll weh.

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