Akustische Tarnung: Ängstliche Wale singen anders

Manche Bartenwale fliehen vor Angreifern, andere stellen sich ihnen. Doch Flucht- und Kampfwale unterscheiden sich nicht nur im Verhalten, sondern auch in ihrem Gesang.

Von Katarina Fischer
Veröffentlicht am 12. Feb. 2025, 08:47 MEZ
Wal im Meer.

Selbst das größte Tier des Planeten hat Feinde. Um diesen aus dem Weg zu gehen, singt der Blauwal tiefer als andere Bartenwale.

Foto von Richard Carey / stock.adobe.com

Bartenwale sind die Kolosse der Meere – doch auch sie sind nicht unverwundbar. Zwar haben die riesigen Meeressäuger nur einen natürlichen Feind, dieser ist aber höchst gefährlich. Orcas greifen Bartenwale im Gruppenverbund an und beißen bei ihren Attacken Fleisch und Speck aus den Körpern ihrer Beute.

Was also tut ein Bartenwal, um dieser Bedrohung zu entgehen? Das ist abhängig von der Spezies. Kanadische Forscher haben gezeigt, dass es zwei Typen von Bartenwalen gibt: den Kampf- und den Fluchtwal.

Kämpfen oder fliehen?

Zu den Kämpfern gehören unter anderem der Atlantische Nordkaper, der Grönland- und der Buckelwal. Sie verteidigen sich aktiv gegen angreifende Orcas, sowohl allein als auch in Gruppen. Die langsamen, aber wendigen Schwimmer haben robuste Körper mit verhärteten Hautstellen und Verkrustungen aus Seepocken, die sie wie ein Panzer schützen.

Die Körper von Fluchtwalen, darunter Blau-, Finn- und Brydewal, sind hingegen stromlinienförmig, sodass sie schnell schwimmen können. Wenn sie angegriffen werden, versuchen sie, mit Geschwindigkeiten von 20 bis 40 Kilometern pro Stunde zu entkommen. Holen die Orcas sie trotzdem ein, wehren sich Fluchtwale kaum. 

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Auch in ihrem Lebensraum unterscheiden sich die beiden Typen: Während die Kämpfer sich meist im seichteren Wasser von Küstengebieten aufhalten und dort Nahrung suchen und kalben, leben Fluchtwale im offenen Meer, wo sie bessere Chancen haben, den Orcas zu entkommen. 

Unterschiedliche Gesänge

Neu ist die Erkenntnis, dass Kampf- und Fluchtwale auch unterschiedlich singen. Das belegt eine Studie der University of Washington in Seattle, die in der Zeitschrift Marine Mammal Science erschienen ist. Darin stellt Trevor Branch, Professor für Meeres- und Fischereiwissenschaften, die Ruffrequenzen und den Schalldruck der Gesänge aller 15 bekannten Bartenwalarten dem Hörbereich von Orcas gegenüber. 

Das Ergebnis: Fluchtwale singen deutlich tiefer als Kämpfer. Mit unter 100 Hertz liegen ihre Rufe in einem Frequenzbereich, den Orcas kaum wahrnehmen können. Sind die Angreifer weiter als einen Kilometer entfernt, sind die Wale für sie darum akustisch „unsichtbar“.

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    Diese Tarnung – auch Krypsis genannt – ist für Fluchtwale extrem wichtig, denn der Walgesang ist unter anderem ein wesentlicher Bestandteil der Partnersuche. „Mit lauten Gesängen würden sie aber sich und ihre Artgenossen in Gefahr bringen“, so Branch.

    Laute und leise Töne

    Den Kampfwalen ist das offenbar egal. Sie singen völlig ungehemmt und nutzen ihren Frequenzbereich voll aus, um mit möglichst vielfältigen Liedern eine Partnerin für sich zu gewinnen – auch wenn sie damit Orcas anlocken.

    Die Gesänge von Fluchtwalmännchen sind deutlich einfacher, weil ihr Frequenzbereich eingeschränkt ist. Nur 24 Prozent der untersuchten Spezies trauten sich, Töne mit Frequenzen von über 1.500 Hertz zu erzeugen. Dabei aber reduzierten sie den Schalldruck und sangen somit leiser.

    Für Trevor Branch geht unter diesen Kolossen der Meere also die Angst um. „Vorher wäre mir nicht in den Sinn gekommen, dass manche Wale tief singen, um sich vor Orcas zu tarnen“, sagt er. „Aber je mehr ich mich damit beschäftigt habe, desto deutlicher wurde, dass die Furcht vor Angriffen jeden Aspekt ihres Verhaltens bestimmt.“

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