Komplexe Technik: Wie Bartenwale singen

Bartenwale wie Buckel-, Blau- und Grauwale können extrem vielseitige Geräusche produzieren. Welcher außergewöhnliche evolutionäre Kniff dafür verantwortlich ist, haben nun Experimente an gestrandeten Tieren gezeigt.

Von Lisa Lamm
Veröffentlicht am 8. März 2024, 08:40 MEZ
Ein Wal und sein Kalb schwimmen an der Wasseroberfläche im Meer.

Bartenwale wie Buckelwale sind für ihren Gesang bekannt. Doch wie produzieren sie die Laute, ohne dabei zu ertrinken?

Foto von Chris / Adobe Stock

Im Jahr 1970 versetzte das Album Songs of the Humpback Whale die Öffentlichkeit und die Wissenschaftscommunity in Aufregung. Die Biolog*innen Katy und Roger Payne hatten erstmals Aufnahmen des Gesangs und damit der Kommunikation von Buckelwalen öffentlich gemacht. Seither rätseln Forschende, wie Bartenwale diese komplexen Laute von sich geben.

Nun hat ein internationales Forschungsteam drei frisch gestrandete Wale untersucht und gezeigt: Ein speziell entwickelter Kehlkopf ist dafür verantwortlich, dass die Tiere unter Wasser gleichzeitig singen und die Luft anhalten können. Die Studie des Teams rund um den dänischen Biologen Coen Elemans von der University of Southern Denmark (SDU) ist im Fachmagazin Nature erschienen.

Experiment an drei echten Wal-Kehlköpfen

Dass Wale einen besonderen Kehlkopf haben müssen, war bereits bekannt. „Bartenwale entwickelten sich aus Landsäugetieren, die einen Kehlkopf hatten, der zwei Funktionen erfüllte: Schutz der Atemwege und Schallerzeugung“, sagt Tecumseh Fitch, Evolutionsbiologe und Mitautor der Studie. Um diese Funktionen aber gleichzeitig auszuführen, musste sich der Kehlkopf der Wale weiterentwickelt haben. 

Wie genau, konnte bislang kaum untersucht werden. Denn gestrandete Tiere, an deren Kehlköpfen Experimente durchgeführt werden können, verwesen oft zu schnell. In diesem Fall war Glück im Spiel: Nahe dem Labor von Hauptautor Coen Elemans strandeten drei Bartenwale – ein Seiwal, ein Zwergwal und ein Buckelwal –, deren Kehlköpfe Elemans schnell ins Labor bringen konnte. Dort stellte er mit seinem Team in einem Experiment die Geräuschproduktion der Wale nach.

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    Buckelwal mit farbig markiertem Kehlkopf.

    C: Patricia Jaqueline Matic

    Foto von Patricia Jaqueline Matic

    Die funktioniert so: Die sogenannten Stellknorpel, die beim Menschen die Position der Stimmlippen verändern, haben sich beim Bartenwal zu U-förmigen Strukturen weiterentwickelt, die gegen ein Fettpolster im Kehlkopf drücken. Diese Struktur beginnt zu vibrieren, wenn der Wal Luft durch den Kehlkopf drückt – und produziert Laute. Ein Luftsack im Kehlkopf hilft dann dabei, die Luft innerhalb der Struktur quasi zu „recyclen“, wodurch der Kehlkopf kontinuierlich Geräusche produzieren und gleichzeitig die Atemwege vor Wasser schützen kann.

    Erkenntnisse über den Gesang der Bartenwale, die auch andere Forschende begeistern. Bahnbrechend sei vor allem, dass das dänische Team mit echten Kehlköpfen experimentieren konnte, sagt beispielsweise Heide Pearson, Meeresbiologin der University of Alaska Southeast, die nicht an der Studie beteiligt war. Allerdings wünscht sie sich noch weitere Experimente dieser Art, bevor Aussagen für alle Bartenwale getroffen werden.

    Unterwasser-Lärm schadet Walkommunikation

    Bei aller Freude über die neuen Erkenntnisse zum Walgesang: Die Forschenden weisen auch darauf hin, dass die moderne Welt die Kommunikationsfähigkeit der Wale immer mehr einschränkt. Denn der Frequenzbereich, in dem Bartenwale singen können, so Elemans, überschneide sich vollständig mit dem vorherrschenden Frequenzbereich, den der Schiffsverkehr produziert. 

    „Im Vergleich zu den siebziger Jahren sind unsere Ozeane heute noch stärker mit vom Menschen verursachten Lärm durch Schifffahrtswege, Bohrungen und seismische Geschütze belastet“, sagt der Biologe. „Trotz ihrer erstaunlichen Physiologie können die Wale dem Lärm, den der Mensch in den Meeren verursacht, buchstäblich nicht entkommen.“ 

    Deshalb sei es besonders wichtig, strengere Vorschriften gegen den Lärm in den Weltmeeren auf den Weg zu bringen.

     

     

     

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