Neues Meeresschutzgebiet ist größtes in Afrika und schützt Wale und Schildkröten

Die Bekanntmachung Gabuns schränkt auch die Überfischung ein und könnte dabei helfen, besser mit dem Klimawandel fertig zu werden.

Von Laura Parker
Veröffentlicht am 9. Nov. 2017, 03:35 MEZ

Das zentralafrikanische Land Gabun verkündete letzte Woche, dass es eines der größten Netzwerke aus Meeresschutzgebieten in ganz Afrika schaffen würde. Dort ist eine Vielzahl bedrohter Arten heimisch, darunter auch die größte Brutpopulation von Lederschildkröten und Oliv-Bastardschildkröten sowie 20 Arten von Delfinen und Walen.

Das Netzwerk aus 20 Meeresparks und Wasserreservaten wird insgesamt 26 Prozent von Gabuns Seegebieten schützen und erstreckt sich über 53.000 Quadratkilometer. Mit der Schaffung der Schutzgebiete hat die gabunische Regierung auch etwas hervorgebracht, was Wissenschaftler als den nachhaltigsten Fischerei-Bewirtschaftungsplan in ganz Westafrika bezeichnen. Die Region ist seit Langem bekannt für ungezügelte Überfischung und Übergriffe ausländischer Flotten. Es wurden spezielle Zonen für den kommerziellen und den handwerklichen Fischfang eingerichtet, um wieder eine nachhaltige Fischerei einzuführen.

„Westafrika ist eine Region mit unglaublich reichhaltigem Meeresleben. Aber sie wird von internationalen Fischfangflotten ausgeblutet“, sagt Callum Roberts, ein Meeresschutzbiologe an der Universität von York in Großbritannien. „Innerhalb weniger Jahrzehnte haben sich die Gewässer Westafrikas von einem Füllhorn des Meeresslebens zu etwas gewandelt, das weit davon entfernt ist. Man braucht dringend Schutzgebiete, um die Fischbestände wieder ins Gleichgewicht zu bringen.“

Roberts hat mehr als 30 Jahre damit verbracht, die Meeresgesundheit zu untersuchen. In einer neuen wissenschaftlichen Arbeit, die in „Proceedings of the National Academy of Sciences“ erschien, bringt er ein interessantes Argument vor: Meeresschutzgebiete, die bereits bei der Erholung der Fischbestände helfen, helfen den Meeresökosystemen auch bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels. Große, intakte Ökosysteme sind gesünder und besser ausgestattet, um sich an den – wie Roberts ihn nennt – „Killer-Cocktail“ aus schweren Stürmen, steigendem Meeresspiegel, der Umverteilung der Arten und dem verminderten Sauerstoffgehalt in den Meerestiefen anzupassen. Der verminderte Sauerstoffgehalt lässt sich bereits im Pazifik und im Atlantik beobachten, sagt Roberts. Dort haben nährstoffarme „Meereswüsten“ zwischen 1998 und 2006 um 15 Prozent zugenommen.

„Die Fischerei hatte die größten Auswirkungen auf die Meeresökosysteme“, so Roberts. „Aber der Klimawandel holt rapide auf und hat in manchen Ökosystemen bereits die Führungsrolle übernommen.“

Roberts behauptet nicht, dass Schutzgebiete den Meereslebensräumen dabei helfen können, dem Klimawandel zu widerstehen. Es sei eher so, erzählt er, dass gesündere Habitate einfach stabiler seien. Korallenriffe kann man beispielsweise nicht vor steigenden Wassertemperaturen schützen. Aber die Riffe vor Überfischung, Ausbaggerung und verschmutzten Abwässern zu schützen, kann die Sensibilität der Korallen gegenüber der Ozeanerwärmung vermindern. So können sie sich auch besser von Überschwemmungen und Ausbleichungsereignissen erholen. Das Meeresschutzgebiet um den Chagos-Archipel im Indischen Ozean hat mittlerweile ein Riff, das nicht mehr unter von Menschen verursachtem Stress leidet. Das wiederum hat zu einer bemerkenswerten Erholungsfähigkeit geführt. 1998 starben über 90 Prozent des Riffs in einem großen Ausbleichungsereignis ab. Bis 2010 hatte es sich wieder erholt.

Ebenso konnte ein Meeresschutzgebiet in Baja California eine zehnfache Zunahme an Raubfischen verzeichnen – innerhalb nur einer Dekade nach der Etablierung eines Meeresschutzgebietes.

Die Netzwerke aus solchen Schutzgebieten können auch als Sprungbretter oder sichere „Landezonen“ für kolonisierende Arten dienen, während sie sich nordwärts in kältere Gewässer ausbreiten, sagt er. Das Papahanaumokuakea Marine National Monument der Nordwestlichen Hawaii-Inseln stellt einen „strategischen Zufluchtsort“ für Korallenriff-Ökosysteme dar, die durch den Klimawandel gezwungen sein könnten, in Richtung der Pole zu wandern.

„Wenn wir Schutzgebiete schaffen, ist die einzige Richtung, in die wir gehen sollten, nach oben“, sagt er. „Wir sehen das bei Arten, die sich erholen und die sehr groß und sehr alt werden können. Je größer und älter etwas im Ozean wird, desto produktiver beginnt es hinsichtlich seines Nachwuchses zu werden. Solche Arten sind wie Springbrunnen, die ihren Nachwuchs wie zum Beispiel Larven ins Wasser ergießen. Der wird dann durch die Meeresströmungen weggetragen und in anderen Gebieten neu ausgesät. Das ist eine positive Möglichkeit, um dem Klimawandel entgegenzuwirken.“

AKTUELL WENIGER ALS DREI PROZENT GESCHÜTZT

Auf der Welt gibt es 11.212 Meeresschutzgebiete. Insgesamt schützen diese laut dem Marine Conservation Institute allerdings nur 2,98 Prozent aller Meere. Die gemeinnützige Organisation für Meereswissenschaften, von der die Zahlen stammen, hat ihren Sitz in Seattle.

Es gibt noch zwei andere Zahlen, die das Bild etwas abrunden. Wenn man die Hochsee außen vorlässt, sichern die verbleibenden Meeresschutzgebiete 7,29 Prozent des Bereiches, der sich innerhalb der ausschließlichen Wirtschaftszonen alle Länder befindet. Diese Zone ist 200 nautischen Meilen breit. Und wenn man nur Schutzgebiete zählt, in denen Fischfang und alle anderen Entnahmen wie zum Beispiel durch Rohstoffabbau verboten sind, dann sind nur 1,63 Prozent der Weltmeere geschützt.

Diese letztgenannten Reservate sind die effektivsten. Allerding sind sie nicht besonders gut über den Globus verteilt, sagt Russell Moffitt, der Naturschutzanalyst des Instituts. Es gibt nur etwa ein Dutzend großer Schutzgebiete. Dazu zählen auch das Pacific Remote Islands Marine National Monument, die Pitcairninseln mit britischen Überseegebiet und das Meeresschutzgebiete des Chagos-Archipels.

Die Vereinten Nationen, die letzte Woche ihre erste Meereskonferenz in New York gehalten haben, sprachen über die verminderte Gesundheit der Meere. Die UN haben die Länder der Welt dazu gedrängt, bis 2020 zehn Prozent der Weltmeere als Schutzgebiete zu deklarieren. Es gab etwa 500 neue Vorschläge für Meeresschutzgebiete. Allerdings gerieten viele davon schon während der Verhandlungen ins Stocken oder stagnieren in Komitees, wo sie geringe Erfolgsaussichten erwarten.

Chile Pläne für das größte Meeresschutzgebiet der amerikanischen Kontinente, das auch die Fischbestände der Osterinseln schützen soll, haben sich in Verhandlungen mit den Rapa Nui festgefahren, der einheimischen Bevölkerung der Insel. Ebenso warten auch die Vorschläge für Meeresparks bei den Cook-Inseln und den neuseeländischen Kermadecinseln noch auf ihre Umsetzung.

Roberts und andere Meereswissenschaftler argumentieren, dass die Ziele der UN nicht ehrgeizig genug sind. Was wirklich nötig ist, um die Gesundheit der Ozeane wiederherzustellen, sagen sie, sei eine Schutzfläche von 30 Prozent.

„Zehn Prozent sind ein guter Schritt in Richtung des Ziels, aber wir müssen uns an der Wissenschaft orientieren“, sagt Matt Rand, Direktor von Pew Charitable Trusts Bertarelli Ocean Legacy. „Wir brauchen mutige Entscheidungsträger, die gemeinsam darauf drängen, das Ziel zu erreichen, das die Wissenschaftler gesetzt haben. Es wird die nächste Generation sein, die den Konsequenzen unserer Bemühungen – oder dem Mangel eben solcher – gegenüberstehen wird.“

„EINE GROSSE SACHE“

Gabun gehört zu einer Handvoll Nationen, die das Ziel der UN bereits erfüllt hat. Es hat es sogar verdoppelt, und zwar drei Jahre vor dem Zeitplan. Aber das war nicht einfach. Dafür benötigte es einen entschlossenen Präsidenten, der mit eigenen Augen sehen konnte, was auf dem Spiel stand.

Um das Projekt hatten sich auch Naturschutzgruppen und Regierungsbehörden jahrelang bemüht. Zu ihnen zählten auch die Wildlife Conservation Society, die Waitt Foundation, die gabunische Behörde für Nationalparks und das Pristine Seas-Projekt von National Geographic. Letzteres führte während einer einmonatigen Expedition 2012 eine Erhebung von Gabuns 885 Kilometer langer Küstenlinie durch. Sowohl die Schätze, die sich unter der Oberfläche verbargen, als auch die Bedrohung durch illegale Fischerei wurden dem gabunischen Präsidenten Ali Bongo Ondimba an Bord des Forschungsschiffs Plan B der Waitt Foundation präsentiert. Noch an Ort und Stelle entschied Ondimba sich zum Handeln, und der Plan zur Schaffung des Meeresschutznetzwerks wurde geboren.

„Die Fülle [an Meeresleben], die wir 2012 während unserer Pristine Seas-Expedition in Gabun gesehen hatten, hat uns völlig umgehauen. [Sie verdeutliche] aber auch die Bedrohungen, hauptsächlich durch industrielle Fischerei“, sagt Enric Sala. Der National Geographic Explorer und Meereswissenschaftler half Gabun bei der Entwicklung des Meeresschutznetzwerks.

Der Plan wurde 2014 verkündet und über die folgenden drei Jahre verfeinert, um das Netzwerk aus 20 Parks und Reservaten zu formen. Das größte Schutzgebiet ist „La Reserve Aquatique du Grand Sud du Gabon“. Es erweitert die Schutzzone des Mayumba-Nationalparks bis zur Grenze von Gabuns ausschließlicher Wirtschaftszone von 200 nautischen Meilen. Das Gebiet schützt 27.000 Quadratkilometer an Meereslebensraum, vom Strand bis zu Meerestiefen von vier Kilometern.

„Das ist eine große Sache und ein Beispiel für andere Länder“, sagt Sala. „Wenn Gabun das schaffen kann, warum dann nicht auch zum Beispiel europäische Länder?“

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