Bis 2100 könnten Teile Asiens zu heiß für menschliches Leben sein

Wenn der CO2-Ausstoß nicht verringert wird, könnten zukünftig bis zu 1,5 Milliarden Menschen von tödlicher Hitze und Feuchtigkeit betroffen sein.

Von Stephen Leahy
Veröffentlicht am 9. Nov. 2017, 03:39 MEZ
Eine Frau läuft über den ausgetrockneten Boden
Eine Frau läuft über den ausgetrockneten Boden im Dorf Basudebpur im Distrikt Bhadrak in Indien. Große Bereiche im Süden Asiens werden zunehmend heißer und feuchter. Dieser Trend wird sich Schätzungen zufolge fortsetzen, wenn der Ausstoß von Treibhausgasen nicht reduziert wird.
Foto von Biswaranjan Rout, Ap

In Südostasien lebt ein Fünftel der Weltbevölkerung. Neue Forschungen lassen vermuten, dass diesen Menschen aufgrund der Erderwärmung sommerliche Hitzewellen bevorstehen, die ohne Schutz unmöglich zu überleben sind. Die Regionen, die es am schlimmsten treffen würde, sind der Norden Indiens, Bangladesch und der Süden Pakistans. Insgesamt leben dort 1,5 Milliarden Menschen. Sie gehören außerdem zu den ärmsten Regionen im Süden Asiens. Ein großer Teil der Bevölkerung ist auf Subsistenzwirtschaft angewiesen, was viele Stunden harter Arbeit im Freien bedingt.

„Das macht sie sehr anfällig für diese Klimaveränderungen“, sagt Elfatih Eltahir, ein MIT-Professor für Umweltingenieurswesen und einer der Co-Autoren der Studie.

Die Forschungsarbeit zeigt, dass tödliche Hitzewellen die Region schon innerhalb weniger Jahrzehnte treffen könnten, sofern der CO2-Ausstoß nicht reduziert wird. Das hätte verheerende Folgen für die fruchtbaren Regionen der Flussbecken des Ganges und des Indus, wo ein Großteil der Nahrung für diese Gebiete angebaut wird.

Die Verringerung des Kohlendioxidausstoßes, die im Zuge des Pariser Klimaabkommens beschlossen wurde, könnte das Risiko für die Region jedoch beträchtlich senken.

„Emissionssenkungen werden für das Leben der gefährdetsten Menschen in der Region einen großen Unterschied machen. Das ist kein abstraktes Konzept“, sagte Eltahir.

Die Studie, die in „Science Advances“ veröffentlicht wurde, nutzte hochmoderne Klimamodelle, um Vorhersagen über die zukünftige Entwicklung der Temperaturen und Feuchtigkeit im Süden Asiens zu treffen. Es ist bereits heute eine der wärmsten Regionen der Welt. Die tödlichste Wirkung von Hitze entsteht durch eine Kombination aus hohen Temperaturen und hoher Feuchtigkeit. Eine Temperatur von 34 °C und 80 Prozent Luftfeuchtigkeit erzeugen eine gefühlte Temperatur von 54 °C auf dem Hitze-Index des Nationalen Wetterdienstes der USA. Ohne die Möglichkeit, sich abzukühlen, gelten solche Temperaturen als extrem gefährlich.

Bei einer zu hohen Kühlgrenztemperatur – die tiefste Temperatur, die sich durch Verdunstungskühlung, z.B. beim Schwitzen, erreichen lässt – kann sich der menschliche Körper nicht genug abkühlen, um länger als ein paar Stunden zu überleben. Solche Zustände sind momentan noch relativ selten. Tödliche Hitze ist aber dennoch schon heute ein Problem. 2015 tötete eine Hitzewelle mit einer Kühlgrenztemperatur von 50 °C in Indien und Pakistan mindestens 3.500 Menschen. Ähnliche Werte wurden während der Hitzewelle erreicht, die 1995 Chicago belastete.

Aktuell sind etwa zwei Prozent der indischen Bevölkerung gelegentlich solch extremen Temperaturen ausgesetzt. Laut Eltahirs Studie könnte sich diese Zahl bis 2100 auf 70 Prozent erhöhen, sofern es keine Senkung des CO2-Austoßes gibt.

HITZE ALS MIGRATIONSGRUND

Die arme, ländliche Bevölkerung hat nur begrenzte Möglichkeiten, mit der Hitze fertig zu werden. Viele dieser Menschen werden auf der Suche nach Wasser, Nahrung und Abkühlung wahrscheinlich in die Städte ziehen, vermutet Robert McLeman. Er ist ein Experte für Klima und Migration an der Wilfred Laurier Universität in Kanada.

„Eine Studie in Bangladesch hat gezeigt, dass extreme Hitze mit größerer Wahrscheinlichkeit die Migration vorantreibt, als es Überschwemmungen tun“, sagte McLeman.

Der zukünftige Anstieg des Meeresspiegels wird viel umfassender untersucht und erhält viel mehr Aufmerksamkeit als die Zunahme extremer Hitzeereignisse, die aber viel schneller viel größere Auswirkungen haben werden. „Dazu sind bisher niemandem praktische Lösungen eingefallen“, sagte er.

Letztes Jahr gab es in Portland im US-Bundesstaat Oregon jedoch eine Konferenz zu dem Thema. Vertreter von Städten aus den nordwestlichen Bundesstaaten sprachen darüber, wie man mit der zunehmenden Migration aus Kalifornien und den südwestlichen Staaten umgehen soll. Dort ziehen die Menschen weg, weil es zunehmend heißer wird, sagte McLeman, der auf der Konferenz einen Vortrag hielt.

„Die Behörden wissen, dass noch mehr Menschen kommen, und sie versuchen, einen Weg zu finden, um damit umzugehen.“

Florida und die südöstlichen Staaten werden es ebenfalls mit extremerer Hitze zu tun haben. Die gefährlichste Hitzezone der USA befindet sich aber in der Mitte des Landes, von Minnesota entlang des Mississippi-Flussbeckens bis nach New Orleans, so Richard Rood. Er ist ein Meteorologe und Klimaexperte an der Universität von Michigan.

„Orte wie St. Louis und Chicago erleben ausgedehnte Perioden heißen und feuchten Wetters, während die Extreme in Küstenstaaten durch das Meer abgemildert werden“, erklärte Rood.

Die USA haben bereits Rekordhitzewellen erlebt, obwohl die Temperaturen durch die globale Erwärmung im Schnitt erst um 1° C angestiegen sind. Ohne eine zukünftige Reduzierung der Emissionen wird die Durchschnittstemperatur um mehr als 4 °C steigen. Das wäre „eine erheblich andere Welt“, sagte er.

In den letzten 20 bis 30 Jahren sind etliche amerikanische Rentner, junge Berufstätige und andere Menschen aus dem Norden in den Süden gezogen. In der Zukunft, so sagt Rood, wird es eine umgekehrte Migration zurück in den Norden geben, um der unbarmherzigen Hitze im südlichen Teil des Landes zu entkommen.

Viele Menschen im Mittleren Osten und in Teilen Afrikas ziehen wegen Hitze und Dürren bereits aus ihrer Heimat fort, erklärte er.

„Wenn wir unsere Kohlendioxidemissionen jetzt senken, wird das für die Zukunft wirklich einen Unterschied machen.“

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