Berühmte Josuabäume fallen dem Klimawandel zum Opfer

Die Pflanzen sind ein Wahrzeichen der kalifornischen Wüstenlandschaft. Steigende Temperaturen und das Verschwinden einer Mottenart machen ihnen zu schaffen.

Von Philip Kiefer
Veröffentlicht am 17. Okt. 2018, 17:58 MESZ
Die Josuabäume sind ebenso bekannt wie beliebt.
Die Josuabäume sind ebenso bekannt wie beliebt.
Foto von John Eastcott and Yva Momatiuk, National Geographic Creative

Das raue Klima der Wüste bringt seltsame Bettgefährten hervor: Wüstenfledermäuse fliegen des Nachts hunderte Kilometer weit, um sich von Agaven zu ernähren, während Sämlinge oft in den Überresten ihrer toten Vorgänger Schutz finden. Aber diese komplexen Beziehungen können es schwierig machen, sich an ein im Wandel befindliches Klima anzupassen.

Die steigenden Temperaturen haben dazu geführt, dass Tiere und Pflanzen auf der Suche nach Abkühlung in größere Höhen oder nach Norden flüchten. Aber Ökosysteme bewegen sich nicht im Gleichschritt. Die Füchse können die Schildkröten überholen, die wiederum die Bäume überholen können. So werden die Karten des Ökodecks gewissermaßen neu gemischt. Diese Veränderungen drohen nun, die Netzwerke aus Tier- und Pflanzenarten zu zerstören, von denen viele Wüstenorganismen abhängig sind. Der Josuabaum (Yucca brevifolia, auch Josua-Palmlilie), ein international bekanntes Wahrzeichen der amerikanischen Wüstenlandschaft, scheint besonders schlechte Karten zu haben.

Wissenschaftler prognostizierten, dass der Joshua-Tree-Nationalpark bis zum Jahr 2100 fast seinen gesamten Lebensraum für die Josuabäume aufgrund des Klimawandels verlieren wird. Der Josuabaum ist zum Überleben auf andere Arten angewiesen. Eine neue Studie über die Beziehung zwischen Y. brevifolia und einer symbiotischen Yuccamotten-Art mindert die Hoffnung, dass die Bäume irgendwie überleben könnten. Laut der Studie sind die Yuccamottenbestände, auf die der Josuabaum zur Fortpflanzung angewiesen ist, an den wenigen Orten, an denen die Bäume der Hitze trotzen können, nicht gesund.

„Wir stellen fest, dass sich der Klimawandel nicht nur auf Arten auswirkt, sondern auch auf deren Interaktionen miteinander“, sagt Juniper Harrower, die Hauptautorin der Studie und Doktorandin an der University of California in Santa Cruz.

Josuabäume und Yuccamotten sind ein eindrucksvolles Beispiel für die Koevolution von Arten. Wenn die Yuccamotten in den kalten Bereichen des Parks nicht überleben, werden auch die Josuabäume nicht lange Bestand haben. Dann werden beide Arten aus dem Park verschwinden.

„In den kühleren Bereichen des Parks vermehren sich die Bäume einfach nicht“, erklärt Harrower. Dadurch ist es ihnen nicht möglich, den wandernden Klimazonen zu folgen.

Galerie: Majestätische Aufnahmen der höchsten Bäume der Erde

Von Motten und Bäumen

Der Joshua-Tree-Nationalpark liegt am äußersten südlichen Rand des Verbreitungsgebietes der Josuabäume. Daher sind die Bäume dort die ersten, die vom Klimawandel bedroht sind. Schon jetzt gebe es Harrower zufolge „mehr tote als lebende Bäume im heißesten Teil des Parks“.

Das bedeutet nicht unbedingt, dass Josuabäume komplett aus dem Park verschwinden werden. Frühere Studien deuteten darauf hin, dass die Bäume in den hohen, kühlen Bereichen im Norden des Parks überleben könnten – in kleinen Klima-Refugien, wie Wissenschaftler sie nennen.

Aber den Forschern fiel auf, dass sich Josuabäume in einigen hochgelegenen Refugien nicht normal vermehren. „Man sieht dort diese Feenringe, einen Baumkreis mit nichts in der Mitte“, sagt Chris Smith, ein Biologe der Willamette University. Die Feenringe entpuppten sich als Resultat ungeschlechtlicher Vermehrung. Die Bäume können Klone aus ihren Wurzeln sprießen lassen, was langfristig aber keine Erfolgsstrategie darstellt. Klone sind anfällig für Schädlinge und helfen nicht dabei, die Art im größeren Umkreis zu verbreiten.

Harrower wollte herausfinden, ob die Beziehungen zwischen den Arten in dieser Problematik eine Rolle spielen. Obwohl die Beziehung zwischen Motten und Josuabäumen weithin bekannt sind – „Das findet man buchstäblich in jedem Biologie-Lehrbuch“, erklärte sie amüsiert –, hatte niemand untersucht, wie sich die Verbreitungsgebiete der Bäume und Motten im Joshua-Tree-Nationalpark überschneiden oder wie die Insekten auf verschiedene Temperaturen reagieren.

Um das herauszufinden, überprüfte sie Gruppen von Josuabäumen in einer Reihe von Mikroklimata, vom tiefliegenden, heißen Bereich im Süden des Parks bis zu den kühlen Hängen im Norden. An jeder Stelle sammelte sie Baumblüten und Früchte und zählte die Mottenpopulationen mit Klebefallen.

„Wir wollten wissen, wo sich die Bäume am wohlsten fühlen und ob Motten etwas damit zu tun haben.“

Der Klimawandel scheint die Symbiose bereits strapaziert zu haben. „Wir sehen am südlichen Rand des Parks schon keine Motten mehr“, sagt sie. Die Bäume dort tragen keine Früchte mehr und einige beginnen zu sterben.

Aber in den hochgelegenen nördlichen Bereichen des Parks sah es nicht viel besser aus. Auch dort gab es keine Motten und nur wenige Blüten. Zwar fand die Forscherin dort auch einige neue, junge Bäume, allerdings handelte es sich ausschließlich um Klone. Die Vermehrung schien in einem schmalen Streifen in mittlerer Höhenlage am erfolgreichsten gewesen zu sein – in Gebieten, in denen Josuabäume den Prognosen zu folge nicht mehr lange überleben werden.

Die Baumwirtschaft der Motten

Die Beziehung zwischen Josuabäumen und Yuccamotten ist etwas Besonderes, selbst in einer Wüste voller überraschender Beziehungen.

„Es ist, als würden die Motten die Bäume bewirtschaften“, sagt Harrower.

Die Yuccamotte befruchtet gezielt Josuabäume und benutzt dabei eine Reihe spezieller „Tentakel“, um Pollenkugeln von Blüte zu Blüte zu tragen. Dafür werden sie allerdings nicht sofort mit Nektar belohnt. Ausgewachsene Yuccamotten nehmen im Adultstadium, das nur fünf Tage dauert, keinen Bissen zu sich.

„Oberflächlich betrachtet sieht es so aus, als würde die Motte eine Menge Arbeit machen, ohne den Lohn dafür zu ernten“, sagt Smith. Der Pollenball ist im Vergleich zur Motte riesig „und sie wirken wie erbärmliche Flieger. Wenn man sie stört, fallen sie einfach zu Boden und winden sich umher."

Aber die Motten sind auch auf die Bäume angewiesen.„Yuccamotten müssen ihre Eier in die Blüte eines Josuabaums legen“, erklärt Harrower. „Ihre Larven entwickeln sich im Inneren der Blüte.“ Die Samenhülse, die dort wächst, beherbergt den Nachwuchs beider Arten. Zudem versorgt der Baum die jungen Motten mit Nahrung: Die Larven fressen sich auf dem Weg zur Reife durch einen Großteil der Fruchtsamen.

Ohne die Motten werden die verbleibenden Bäume nur noch Echos der Vergangenheit sein. Womöglich werden an vereinzelten Stellen sowohl Motten als auch Bäume überleben, sagt Harrower. Am generellen Trend wird das jedoch nichts ändern. Die Josuabäume werden aus einem Großteil des Parks, der nach ihnen benannt wurde, verschwinden.   

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    Die Josuabäume tragen jedoch mehr als nur die Last der Symbolik des Parks auf ihren Schultern „Was passiert mit einem Ökosystem, das seinen großen Hauptbaum verliert?“, fragt Harrower. „Alle möglichen Tiere interagieren mit Josuabäumen: Insekten, Kängurumäuse, Louisianawürger. Die Bäume schaffen Mikrolebensräume, indem sie in der Wüste Schatten spenden. In ihrer Nähe keimen junge Bäume. Ihr Einfluss ist im gesamten Ökosystem zu spüren.“

    Es gibt jedoch auch andere, unmittelbare Bedrohungen für die Josuabäume. Invasive Gräser haben sich ausgebreitet, und mit ihnen auch Brände. „Diese Bäume haben sich evolutionär nicht im Zusammenspiel mit Feuer entwickelt, weshalb sie sich von Bränden auch nicht erholen“, erklärt David Smith, der Leiter des Parks.    

    Auch die rasant wachsende Popularität des Parks kann ein Problem darstellen. Die jährliche Besucherzahl hat sich in den letzten vier Jahren auf fast drei Millionen Besucher verdoppelt. Die Anzahl der Ranger ist jedoch gleichgeblieben. „Wir sind momentan nur im Krisenmodus“, sagt Smith. Wenn das Jahr 2100 anbricht, „gibt es vielleicht sowieso keine Bäume mehr“.

    Für viele Menschen, die Bäume erforschen, hat der Verlust auch eine persönliche Ebene. Harrower wuchs etwas außerhalb des Nationalparks auf. In der Zeit, als sie im nahegelegenen Big Morongo Canyon Preserve arbeitete, machte sie ihre ersten Schritte in Richtung einer Karriere als Naturforscherin. Außerdem war sie für den Park auch als Künstlerin tätig und entwarf Material für dessen Projekte.   

    Vor Kurzem stellte Harrower ihre Forschungsergebnisse dem Publikum eines lokalen Musikfestivals vor. „Ich habe die Leute gefragt, was es für sie bedeutet, die Josuabäume zu verlieren. Was immer wieder genannt wurde, waren ihre Identität und ihre Kultur. Die Menschen identifizieren sich mit diesen Bäumen als Teil ihrer Heimat.“

    Das hat sie seither begleitet, da sie dieses Gefühl teilt. „Die Vorstellung, dass es diese Bäume hier nicht mehr geben wird, ist niederschmetternd und seltsam.“  

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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