Extreme Wetterereignisse könnten in Zukunft 50 % häufiger auftreten

Die Arktis wird immer wärmer und entzieht dem Jetstream so seinen Treibstoff.

Von Stephen Leahy
Veröffentlicht am 8. Nov. 2018, 15:25 MEZ
Fort McMurray
Flammen verzehren den Wald in der Nähe von Fort McMurray im kanadischen Alberta, 6. Mai 2016. Der verheerende Waldbrand ist eines von mehreren aktuellen Ereignissen, das in einer Studie über künftige Katastrophen berücksichtigt wurde.
Foto von Cole Burston, AFP/ Getty Images

Es war ein denkwürdiger Sommer. Dürren, Hitzewellen, Waldbrände und Überschwemmungen haben die nördliche Hemisphäre in einen Alarmzustand versetzt. Die Wetterkapriolen hängen wahrscheinlich mit den atmosphärischen Veränderungen zusammen, die durch die rasante Erwärmung der Arktis entstehen. Das Ende der Fahnenstange ist jedoch noch längst nicht erreicht: Eine Studie, die im Fachmagazin „Science Advances“ erschien, prognostizierte, dass derart zerstörerische und langanhaltende Wetterextreme im Schnitt 50 Prozent häufiger auftreten werden, im Extremfall sogar bis zu 300 Prozent häufiger.

Die Waldbrände in Kalifornien und die Hitzewelle in Europa waren 2018 beunruhigende Rekordbrecher. Auch die beispiellosen Brände in der Arktis und die Überschwemmungen in Japan hängen allesamt mit der Verlangsamung des Jetstream zusammen, der ganze Wettersysteme zum Stillstand bringt, erklärt Michael Mann. Der Klimawissenschaftler der Pennsylvania State University ist der Hauptautor der Studie.

“Wir können die Auswirkungen des Klimawandels live auf unseren Fernsehbildschirmen und in den Schlagzeilen verfolgen.”

Michael Mann, Pennsylvania State University

Dabei geht es nicht nur um die Ereignisse des vergangenen Sommers. Die Dürre in Texas und Oklahoma im Jahr 2011, die Überschwemmungen in Europa 2013, die kalifornischen Waldbrände im Jahr 2015 und die Waldbrände im kanadischen Alberta 2016 wurden allesamt auf die Erwärmung der Arktis zurückgeführt, die den Jetstream stört.

„Wir können die Auswirkungen des Klimawandels live auf unseren Fernsehbildschirmen und in den Schlagzeilen verfolgen“, sagte Mann.

Durch die fortwährende Nutzung fossiler Brennstoffe werden solche Ereignisse häufiger auftreten und heftiger ausfallen, warnte er. „Wenn nicht sofort etwas unternommen wird, um die CO2-Emissionen zu reduzieren, könnte es noch deutlich schlimmer werden.“

Ungefähr zeitgleich zu der Studie erschien eine wissenschaftliche Arbeit in „Nature“, die darauf hindeutet, dass die Meere in den letzten Jahren mehr Wärme gespeichert haben als gedacht. Das könnte bedeuten, dass sich der Planet durch die Treibhausgas-Emissionen tatsächlich noch schneller erwärmt, was sich unweigerlich auf das Wetter auswirken wird.

Ein Fluss aus Wind

Die atmosphärischen, von Westen nach Osten verlaufenden Windbänder namens Jetstreams speisen sich aus den Temperaturunterschieden zwischen der eisigen Luft der Arktis und der warmen Tropenluft. Die Arktis erwärmt sich jedoch zwei- bis dreimal schneller als jede andere Region auf der Erde. Dadurch verringern sich die Temperaturunterschiede und der Jetstream wird langsamer. Ähnlich wie ein langsam fließender Fluss mäandern dann auch diese Windbänder vor sich hin und können im Sommer teils wochenlang fast auf der Stelle verharren.

Es gibt verschiedene Klimamodelle, die zu berechnen versuchen, wie oft der Jetstream bis zum Jahr 2100 verharren und extreme Wetterereignisse auslösen wird. Die Prognosen reichen von einer leichten Zunahme bis zu einem Zuwachs von 300 Prozent, wie der Co-Autor Kai Kornhuber vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung berichtete. Es gebe nicht genügend Langzeitdaten – und die verschiedenen Klimamodelle gehen mit komplexen Faktoren wie der künftigen Wolkendecke und den Aerosolen aus der Luftverschmutzung unterschiedlich um –, sagte Kornhuber in einem Interview.

„Ein 50-prozentiger Anstieg ist allerdings wahrscheinlich, und das ist vermutlich noch eine konservative Schätzung“, sagte er.

Schlüsselfaktor Kohle

Eine Abschaltung der Kohlekraftwerke würde die Wahrscheinlichkeit für extreme Sommer wie 2018 in Zukunft minimieren, zeigte die Studie. Kohlekraftwerke gehören zu den großen Quellen von Kohlendioxid, welches sich in der Atmosphäre anreichert und verhindert, dass Wärme vom Planeten entweicht. Allerdings haben die Kraftwerke noch einen weiteren Effekt, der auf den ersten Blick widersprüchlich erscheint: Sie tragen erheblich zur Luftverschmutzung bei, da sie Aerosole ausstoßen, die einen Teil der Sonnenwärme reflektieren und regional zu einer Abkühlung führen können.

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    „Eine Verringerung der Luftverschmutzung in Industrieländern könnte die natürliche Temperaturdifferenz zwischen den mittleren Breitengraden und der Arktis teilweise wiederherstellen“, sagt der Co-Autor Stefan Rahmstorf, ein Klimawissenschaftler am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung.

    Das würde dabei helfen, in Zukunft die Verlangsamung des Jetstreams und Wetterextreme zu verhindern. „Wenn wir die Zunahme gefährlicher Wetterextreme bremsen wollen, scheint mir der Kohleausstieg eine ziemlich gute Idee zu sein“, sagte Rahmstorf in einer Pressemitteilung.

     

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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