Philippinen: Welche Gefahren birgt ein Ausbruch des Taal?

Experten nutzen frühere Eruptionen des Vulkans, um die einzigartigen Risiken des Taal besser einschätzen zu können.

Von Robin George Andrews
Veröffentlicht am 14. Jan. 2020, 15:47 MEZ
Eine Aschewolke steigt am 12. Januar über den Taalsee auf, nachdem der aktive Vulkan Taal in ...
Eine Aschewolke steigt am 12. Januar über den Taalsee auf, nachdem der aktive Vulkan Taal in der Mitte des Sees ausgebrochen ist. Die anhaltende vulkanische Aktivität hat die Region mit einer Schicht aus Asche überzogen. Zahlreiche Menschen wurden evakuiert, Schulen geschlossen und Flüge gestrichen.
Foto von Ezra Acayan, Getty Images

Für gewöhnlich zeigt das Bild der Webcam über dem Taalsee auf den Philippinen weiße Wolken, die gemütlich über die ruhigen Wasser des Sees driften, während sich in der Ferne grüne Hügel sacht über dem Horizont erheben. Aber am Abend des 12. Januar 2020 wurde die friedliche Szenerie plötzlich durch eine Wolke aus heißer Asche und Gestein erschüttert, ehe die Kamera in der Dunkelheit verschwand.

Die unheilvolle Aschewolke markierte den Beginn einer beunruhigenden Reihe von Eruptionen des Vulkans Taal auf der Insel Luzon. Am ersten Tag schleuderten Dampfexplosionen Asche 14 Kilometer hoch in die Luft. Eruptionsgewitter ließen Blitze rund um die dunkle Rauchsäule niedergehen. Zahlreiche vulkanische Beben erschütterten die Region. Am 13. Januar begannen schließlich charakteristische Lavafontänen aus dem Hauptkrater zu schießen.

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Mittlerweile hat sich eine dünne Ascheschicht auf die Philippinen gelegt, darunter auch auf die Hauptstadt Manila 100 Kilometer nördlich des Vulkans. Flüge wurden gestrichen, Schulen und andere öffentliche Institutionen geschlossen. Zehntausende Menschen wurden sowohl von der Vulkaninsel im Taalsee als auch von den umliegenden Ufergebieten evakuiert.

Bislang gibt es keine Berichte über Todesopfer und noch besteht die Chance, dass der Ausbruch im Sande verläuft. Trotzdem befinden sich nach wie vor zahlreiche Menschen in der Gefahrenzone, und „der größte Knall ereignet sich nicht immer am Beginn eines Ausbruchs“, sagt Jenni Barclay, eine Vulkanologin der University of East Anglia. „Innerhalb eines Zeitraums, der deutlich länger als beispielsweise eine Hurrikanwarnung ist, könnte etwas noch viel Schlimmeres passieren.“

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    Frühere Ausbrüche des Taal haben gezeigt, dass der Vulkan tödliche Kräfte entwickeln kann. Im Laufe der Geschichte fielen tausende Menschen dieser Naturgewalt zum Opfer. Falls die aktuelle Aktivität in einem explosiven Ausbruch enden sollte – eine Möglichkeit, die Wissenschaftler zutiefst besorgt –, gingen damit eine ganze Reihe von Gefahren einher, angefangen bei Gesteinstrümmern, die über den See geschleudert werden, bis hin zu Tsunamis.

    „Das ist zweifelsohne ein Vulkan, den man ernst nehmen sollte“, sagt Beth Bartel, die für das geowissenschaftliche Konsortium UNACVO Öffentlichkeitsarbeit leistet.

    Wie auf glühenden Kohlen

    Der Taal zählt zu den aktivsten Vulkanen der Philippinen und verfügt über einen großzügigen Vorrat an Magma. In den vergangenen Jahrhunderten brach er etwa ein Dutzend Mal aus. Einige dieser Ereignisse schafften es sogar auf die Liste der stärksten Vulkanausbrüche in der Geschichte des Landes. Aber der Taal ist mehr, als das bloße Auge sieht.

    Viele der vergangenen Ausbrüche spielten sich auf der Vulkaninsel inmitten des Taalsees ab. Aber der Vulkan an sich ist deutlich größer als der steinerne Gipfel, der aus dem Wasser ragt. Ein Großteil seiner Caldera verbirgt sich unter dem See.

    Das ist nicht nur für alle Menschen problematisch, die auf der Vulkaninsel im See leben, sondern auch für die 25 Millionen Menschen in einem Umkreis von 96 Kilometern um den Vulkan herum. Ein Großteil von ihnen lebt an den Ufern des Sees.

    Aufgrund der anhaltenden vulkanischen Beben und Aktivität hat das philippinische Institut für Vulkanologie und Seismologie (PHIVOLCS) die Alarmstufe 4 ausgerufen. Das bedeutet, dass sich ein explosiver Ausbruch binnen Stunden oder Tagen ereignen könnte.

    Vergangene Ausbrüche

    In der Vergangenheit könnten Experten Hinweise auf das aktuelle Verhalten des Vulkans finden. Der letzte Ausbruch ereignete sich 1977 – eine kleinere hydromagmatische Dampfexplosion, zu der es kommt, wenn Wasser unterirdisch auf heißes Magma trifft und durch die rasche Erhitzung eine Dampfexplosion auslöst.

    Auch wenn es seit vierzig Jahren keine weiteren Ausbrüche gegeben hat, ist der Taal „seit sehr langer Zeit ruhelos“, sagt Amy Donovan, eine Expertin für vulkanische Risiken an der Cambridge University. Verglichen mit anderen Vulkanausbrüchen sind die Eruptionen des Taal zumeist eher moderat. Nicht zuletzt aufgrund der dichten Besiedelung rund um seine Caldera sind sie dafür aber umso verheerender und tödlicher.

    Lava begräbt Kamera, aber die filmt weiter
    Eine Kamera wird von einem kleinen Lavastrom zerstört, aber hört nicht auf zu filmen.

    Die riesigen Mengen Asche, die oft mit großen Vulkanausbrüchen einhergehen, verschlimmern die Situation für die umliegende Bevölkerung. Die Asche kann Wasservorräte verschmutzen, die elektronische Infrastruktur schädigen, die Landwirtschaft lahmlegen und Nutz- und Haustiere töten. Auch Menschen können daran sterben, wenn sie zu viel davon einatmen. Insbesondere Menschen mit Atemwegserkrankungen sowie junge und alte Menschen sind in diesem Fall gefährdet.

    Besonders tückisch sind pyroklastische Ströme, die der Taal bereits in der Vergangenheit produzierte. Diese heißen und rasend schnellen Wolken aus Asche, Trümmern und Gas wälzen sich den Vulkankegel hinab und zerstören dabei alles in ihrem Weg. Der Vulkanologe Boris Behncke vom Italienischen Nationalinstitut für Geophysik und Vulkanologie teilte auf Twitter einige Beispiele, darunter auch einen pyroklastischen Strom, der 1911 binnen weniger Momente 1.335 Menschen auf der Insel im See tötete.

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    In einem Worst-Case-Szenario würde der Vulkan nicht nur pyroklastische Ströme spucken, sondern auch leichte Gemische aus heißem Gas und Asche, die aufgrund ihrer geringen Dichte sogar über Wasser wandern können, erklärt Donovan. Solche pyroklastischen Surges – ein Begriff, der den base surges entlehnt ist, die bei atomaren Explosionen entstehen – „sandstrahlen alles in ihrem Weg, darunter auch das Ufer am anderen Ende des Sees“, so Bartel.

    Falls durch die Explosion teile der Vulkaninsel weggesprengt werden und in den Taalsee fallen, können zudem Tsunamis entstehen, die den Uferbereich überschwemmen. Der Ausbruch des Krakatau in Indonesien zeigte im Dezember 2018, dass schon eine kleine Eruption einen tödlichen Tsunami auslösen kann.

    Herabfallende Trümmer und vulkanische Beben können aber auch eine andere besondere – und nicht weniger zerstörerische – Wellenform namens Seiche erzeugen. Wenn die Trümmer heftig genug weggeschleudert werden, könnten sie den See auch überspringen und direkt am Ufer aufschlagen.

    Genaue Vorhersagen unmöglich

    Natürlich lässt sich nur schwer vorhersagen, wie genau ein Ausbruch verlaufen wird. Wir wissen beispielsweise nicht, wie sich das Magma unter dem Taal seit dem letzten Ausbruch 1977 verändert hat, erklärt Donovan. Ein Blick in die Vergangenheit kann Hinweise auf künftige Ausbrüche liefern, mehr aber auch nicht.

    „Jeder Vulkanausbruch ist anders“, sagt Ed Venzke, ein Datenbankmanager für das Global Volcanism Program der Smithsonian Institution. „Nichts ist sicher.“

    Es sei gut möglich, dass diese düstere Zukunft nicht eintritt und das Schlimmste bereits vorbei ist, so Donovan. „Vielleicht spuckt er nur noch ein bisschen Asche und ein paar Feuerfontänen und legt sich dann wieder schlafen.“

    “Jeder Vulkanausbruch ist anders. Nichts ist sicher.”

    ED VENZKE, SMITHSONIAN INSTITUTION GLOBAL VOLCANISM PROGRAM

    Alternativ könnte die aktuelle Aktivität des Taal aber auch der Beginn einer längeren Eruptionssequenz sein, sagt James Hickey, ein Vulkanologe der University of Exeter. Und selbst, wenn sich ein heftiger explosiver Ausbruch ereignen würde, könnten einige, alle oder keine der genannten Risikofaktoren auftreten.

    Gerade aufgrund der Unsicherheit sei es für die Menschen in der Region aber sinnvoll, vom Schlimmsten auszugehen und entsprechende Vorsichtsmaßnahmen zu treffen, findet Donovan.

    Derweil beobachten Vulkanologen angespannt die Lage, denn vergangene Ausbrüche haben gezeigt, welche Gefahren dieser spezielle Vulkan birgt.

    „Als ich gestern gesehen habe, dass der Taal ausbricht, war ich entsetzt“, sagte Bartel am 13. Januar.

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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