Kuh-Toilette for Future?

Ausscheidungen von Rindern belasten die Umwelt – mit negativen Folgen fürs Klima. Forschende aus Australien und Deutschland bieten nun eine Lösung zum Einsparen von Emissionen an: die Toilette für die Kuh.

Von Insa Germerott
Veröffentlicht am 5. Juli 2022, 08:59 MESZ
Die Hinterteile zweier Kühe, die im Stall beim Fressen stehen.

Kuhurin belastet das Grundwasser – und ist schlecht für die Umwelt. Die Lösung soll laut Forschenden die Kuh-Toilette sein, die den Urin der Kühe direkt auffängt und ableitet.

Foto von cottonbro / Pixels

Elf Millionen Tiere – so groß ist die Zahl der Rinder in Deutschland. Das ist in etwa so viel wie Baden-Württemberg Einwohner zählt. Die meisten von ihnen werden für Milch- und Fleischerzeugnisse gezüchtet – und haben einen negativen Einfluss auf die Umwelt und den Klimawandel. Denn die Ausscheidungen der Tiere sorgen für eine Verunreinigung von Boden und Grundwasser und tragen zur Erderwärmung durch Treibhausgase bei.  

Kuhurin ist beispielsweise reich an Stickstoff. Gelangt dieser in den Boden, wird er zu Nitrat oder Lachgas abgebaut. Nitrat ist ein problematischer Stoff, da er – sobald er in Gewässer eintritt – das Wachstum von Algen und Unkraut in Flüssen und Seen ankurbelt. Lachgas ist wiederum ein langlebiges Treibhausgas, das stark zur Erderwärmung beiträgt. Bei elf Millionen Rindern allein in Deutschland ist der Beitrag zur Verschlechterung von Boden und Grundwasser sowie zur Erwärmung durch Ausscheidungen enorm. 

“Rinderurin ist eine der Hauptursachen für unser Stickstoffproblem. ”

von Douglas Elliffe, University of Auckland
Douglas Elliffe, University of Auckland

Eine unkonventionelle Lösung bieten nun Forschende des Leibniz-Instituts für Nutztierbiologie (FBN) in Dummerstorf in Zusammenarbeit mit der University of Auckland in Neuseeland: eine Toilette für Kühe. Was lustig klingt, könnte in Zukunft deutlich dazu beitragen, Emissionen und Nitratwerte in Böden und Gewässern zu reduzieren. Im Fachmagazin Current Biology berichten die Forschungsteams von ihrem Versuch, in dem sie 16 Kälber trainiert haben, eine Latrine für ihre Ausscheidungen zu benutzen. Im Mittelpunkt ihrer Versuche stand die Frage: Wie können Menschen das Ausscheidungsverhalten von Kühen steuern?

Toiletten-Training für Rinder

„Rinderurin ist eine der Hauptursachen für unser Stickstoffproblem. Jede Reduzierung würde einen Unterschied machen“, sagt Douglas Elliffe, Psychologe an der University of Auckland, der am Experiment beteiligt war. Bereits bei zehn bis 20 Prozent verringerten Urinausscheidungen könnten laut Elliffe Treibhausgasemissionen und die Nitratauswaschung stark reduziert werden. 

Ziel der Forschenden war es deshalb, einen Großteil des Urins der Rinder aufzufangen. In einem 15-tägigen Experiment brachten sie 16 Kälbern bei, ihren Harndrang zu kontrollieren und an der richtigen Stelle zu urinieren. Angelehnt an das Toiletten-Training von Kleinkindern, gestalteten sie ihr Experiment mit Belohnung, sobald am richtigen Ort uriniert wurde.

Zunächst wurden die Rinder dazu in einer Latrinenbox gehalten und mit Futter belohnt, wenn sie in dieser ihr Geschäft verrichteten. Die Rinder assoziierten mit der Latrine also Belohnung. Daraufhin wurden die Tiere auf der Wiese konditioniert, die Latrine für das Urinieren gezielt aufzusuchen. Dazu wurden sie mit einem Halsband ausgestattet, das vibrierte, wenn die Rinder ihre Ausscheidungen an der falschen Stelle ließen. Schmerzen verursachte das bei den Tieren nicht, aber sie lernten, an den positiv konnotierten Ort zu gehen, um ihr Geschäft zu verrichten: die Latrine. Dort wurden sie nach dem Urinieren schließlich wieder mit Futter belohnt.

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    So lernten die Tiere bereits nach 20 bis 25 Durchgängen, „auf Toilette zu gehen". „In den letzten beiden Durchgängen haben wir von den 16 Tieren, die dort trainiert wurden, elf erfolgreich trainiert“, sagt Jan Langbein vom Leibniz-Institut für Nutztierbiologie, der auch an der Studie beteiligt war. „Am Ende geschah dann 76 Prozent aller Urination dieser Tiere in der Latrine.“

    Mit dieser hohen Prozentzahl könnten laut Modellrechnungen der Studie beispielsweise bereits 56 Prozent der Ammoniakemissionen eingespart werden. Ammoniak – ebenfalls ein Treibhausgas – entsteht durch die Verbindung der Stoffe im Urin mit Stoffen aus dem Kot der Rinder. Verrichten sie ihr Geschäft auf Toiletten, gelangen diese Stoffe nicht in die Umwelt. 

    Lars Schrader, am Experiment beteiligter Verhaltensbiologe des Leibniz-Instituts für Nutztierbiologie, erklärt: „Wenn wir es wirklich schaffen, die Intelligenz der Tiere für eine Einrichtung von Kuhtoiletten in der Praxis zu nutzen, würden alle profitieren: Die Kühe, die Tierhalter und die Umwelt.“

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