Waldbrände in Portugal: Wie vor Ort gegen die Flammen gekämpft wird

In vielen Teilen Europas brennt es – auch auf der Farm von National Geographic-Fotograf Matthieu Paley in der Nähe von Lissabon. Er hat den Kampf gegen das Feuer in beklemmenden Bildern festgehalten.

Von Craig Welch
Veröffentlicht am 3. Aug. 2022, 08:21 MESZ
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Die von Paley kultivierten Arzneipflanzen wurden durch die Flammen zerstört.


 

Foto von Matthieu Paley

Als die Flammen den Geräteschuppen verschlangen und sich langsam dem Wohnhaus näherten, hatte Matthieu Paley bereits sein Land mit Wasser getränkt und in großer Eile den mobilen Hühnerstall gekippt, um den Tieren die Flucht über den Boden zu ermöglichen.

Zwar sind Waldbrände in Portugal keine Seltenheit, doch als im Juli 2022 eine in diesem Ausmaß noch nie stattgefundene Hitzewelle Europa überrollte, nahmen sie neue Dimensionen an. Temperaturen in Höhe von über 46 Grad Celsius brachen alle bisherigen Rekorde im südwestlichsten Land Europas. Die Hitze entfachte an nur einem Tag 170 Feuer – von der Algarve im Süden bis hoch in den Norden Portugals. An den Stadtgrenzen Lissabons kletterten die Flammen den buschbewachsenen Hang unterhalb des berühmten Castelo do Palmela hinauf. Matthieu Paley beobachtete das Feuer aus einiger Entfernung von seinem Garten, da bewegten sich die Flammen bereits mit rasender Geschwindigkeit auf sein eigenes Dorf zu.

In den vergangenen Jahren hat Paley viel Zeit in sein Land investiert und heimische Bäume und Arzneipflanzen kultiviert.

Foto von Matthieu Paley

„Ich sah diese riesige Feuerwand auf mich zukommen“, sagt Paley. Zuvor hatte er „sich nicht vorstellen können, dass mir das einmal passieren könnte. Ich dachte nicht, dass es hier dazu kommen würde.“

Der Juli 2022 brachte die Hitze nach Europa: In Deutschland war es im nordrhein-westfälischen Emsdetten mit 40 Grad Celsius am heißesten, im sonst so kühlen und regnerischen England wurden mit 40,2 Grad Celsius die höchsten Temperaturen seit Beginn der Wetteraufzeichnungen gemessen. Mit der extremen Hitze kamen die Waldbrände – in Deutschland, aber vor allem auch im Süden Europas. In Spanien, Frankreich und den Vororten Athens mussten Menschen aus den Brandzonen evakuiert werden. In der Toskana explodierten Gastanks. In London brachen so viele Feuer aus, dass Sadiq Khan, der Bürgermeister der Stadt, der BBC gegenüber sagte, die Feuerwehr sei seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr so oft ausgerückt.

Aufgrund ihrer bisher ungekannten Ausmaße mögen die Feuer im Europa des Jahres 2022 wie eine Ausnahme erscheinen. Aktuelle Forschungsergebnisse legen jedoch nahe, dass sie bald ganz natürlich zum europäischen Sommer dazugehören könnten.

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    Auf dieser Aufnahme, die vor dem Brand entstand, sieht man das hochwachsende, invasive Pfahlrohr (Arundo donax), das sich seit Jahrzehnten in der Region ausbreitet, und für die Feuer wie ein Brandbeschleuniger wirkt. Paley will die Pflanzen nun ausmerzen, indem er Bäume wie Weiden und Pappeln pflanzt, um die Flächen vor dem nächsten Feuer zu schützen.

    Foto von Matthieu Paley

    Der Klimawandel hat in den vergangenen Jahren die Intensität und Dauer von Hitzewellen und brandbegünstigenden Wetterbedingungen erhöht. Bis vor etwa einem Jahrzehnt war die Brandbekämpfung auf dem Kontinent meist noch dazu in der Lage, die Feuer in Zaum zu halten. Doch das ändert sich nun.

    In Australien und Kalifornien arten Waldbrände schon seit langer Zeit immer wieder zu unkontrollierbaren Monstern aus, gegen die die Feuerwehr machtlos ist. „Es scheint so, als wäre dieser Zustand nun auch in Südeuropa erreicht“, sagt Jofre Carnicer, Umweltwissenschaftler an der Universität von Barcelona und Hauptautor einer Studie, die im Juni 2022 in der Zeitschrift Scientific Reports erschienen ist.

    Katastrophe im Zeitraffer

    Matthieu Paley hat das nun am eigenen Leib erfahren. Der National Geographic-Fotograf mit französischen Wurzeln zog vor einigen Jahren nach Portugal. Mit dem Ziel, sich weitestgehend selbst zu versorgen, kauften er und seine Familie einige Hektar landwirtschaftlicher Fläche außerhalb der Kreisstadt Palmela. Weil er sein Land möglichst naturnah bewirtschaften wollte, arbeitete er vor allem mit heimischen Pflanzen und beschäftigte sich mit Agroforstwirtschaft. Er pflanzte Stecklinge von Weiden, Pappeln, Holunder, Feigen und anderen Obstbäumen.

    „Dinge wachsen zu lassen, sich von dem zu ernähren, was man selbst angebaut hat, und sich dabei die Hände richtig schmutzig zu machen – das hatte für mich immer etwas fast Spirituelles“, sagt er. „Ich war besessen von der Idee, mich selbst zu versorgen und in einem kleinen Holzhaus weit weg von allem zu leben.“

    Als die Hitze kam, warnten die Behörden davor, schwere Geräte wie Kettensägen zu benutzen, weil die dabei entstehenden Funken Brände auslösen könnten. Doch zu spät: Bereits am Vormittag dieses Tages brannte das Feuer am Fuße des Burghügels. Nachbarn baten Matthieu Paley, ihnen bei der Wässerung ihres Dachs zu helfen. Es war unfassbar heiß, hinzu kam ein ungewöhnlicher Südwind. Kurz darauf hatte sich das Palmela-Feuer auf einer Fläche von mehr als 400 Hektar ausgebreitet. „Es ging alles so schnell“, sagt Paley.

    Ein Helikopter schüttete aus der Luft Wasser über dem Areal aus, doch die Flammen fraßen sich unbeirrt durch Wäldchen und Schilf, bis sie am Nachmittag Matthieu Paleys Land erreichten. Dort fielen ihnen zwei Schuppen zum Opfer, in denen Geräte und Saatgut lagerten. Sie zerstörten auch den Wohnwagen von Freunden, die gerade zu Besuch waren. Pflanzen und Bewässerungsanlagen verbrannten. Als sich das Feuer dem Wohnhaus näherte, packten Paley und sein Sohn ihre Laptops und Erinnerungsstücke ein.

    Glücklicherweise blieb das Haus von den Flammen verschont. Niemand wurde verletzt. Alle neun Hühner überlebten, ebenso wie etwa 70 Prozent der von Paley gepflanzten Bäume. Er fühle sich gesegnet, sagt er. Insbesondere, wenn er bedenkt, wie es Tausenden anderen Europäern ergangen ist.

    Europas Zukunft ist heiß

    Die europäische Hitzewelle im Juli war kurz aber heftig. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) starben allein in Spanien und Portugal mehr als 1.700 Menschen infolge der extremen Temperaturen.

    Die von Paley kultivierten Arzneipflanzen wurden durch die Flammen zerstört.


     

    Foto von Matthieu Paley

    Im Jahr 2022 wurden bereits Ende Juli in Europa fast doppelt so viele Feuer gezählt wie in jedem anderen Jahr seit 2006. Die verbrannte Fläche ist mehr als zweimal so groß. Forschende sind sich sicher, dass einer der schwerwiegendsten Auslöser für diese Katastrophen der Klimawandel ist. So bewegen sich die Sommertemperaturen in England im Schnitt zum Beispiel eigentlich bei 21 Grad Celsius. Tage, an denen das Thermometer 40 Grad Celsius anzeigt, „könnten im aktuellen Klima bis zu zehnmal wahrscheinlicher werden als es in einem nicht durch den Menschen beeinflussten Klima der Fall wäre“, sagt Nikos Christidis von der britischen Klimabehörde.

    Bereits vor zwei Jahren warnten er und sein Team vor dieser Gefahr. Ihm zufolge müsse man sich darauf einstellen, dass derartige extreme Hitzewellen bis zum Ende des Jahrhunderts etwa alle 15 Jahre auftreten – trotz aller Bemühungen um eine Reduktion klimaschädlicher Emissionen.

    Am Ortsrand von Palmela steht ein Mann an der Straße, die oberhalb von Matthieu Paleys Land verläuft, und hält Ausschau nach Feuern.

    Foto von Matthieu Paley

    Freiwillige versuchen nach dem Brand, die Mauer von Matthieu Paleys Geräteschuppen zu reparieren.

    Foto von Matthieu Paley

    Jofre Carnicer, der am aktuellen Bericht des Klimaausschusses der Vereinten Nationen (IPCC) mitgearbeitet hat, stellt in seiner Studie fest, dass selbst dann, wenn das Zwei-Grad-Ziel erreicht würde, im Süden Europas bis zum Ende des Jahrhunderts an bis zu 20 zusätzlichen Tagen erhöhte Brandgefahr bestünde. Erhöhen sich die Temperaturen um vier Grad Celsius, steigt diese Zahl auf 40 Tage.

    Widerstand und Zuversicht

    Wer denkt, dass die Feuersbrünste, die düsteren Zukunftsaussichten und die Flammen, denen er selbst nur haarscharf entkommen ist, Matthieu Paleys Stimmung trüben würden, liegt falsch. Er sei zu stur, um sich davon unterkriegen zu lassen, sagt er.

    „Das Feuer hat meinen Blick auf den Klimawandel nicht geändert“, erklärt Paley. „Es hat mich nur noch mehr motiviert.“

    Ein Olivenhain am Rande des Landes von Matthieu Paley wurde durch das Feuer völlig verwüstet.

    Foto von Matthieu Paley

    Ein paar Tage nach dem Brand ist er zurück auf seinem vom Feuer schwarzen Land und installiert ein neues Bewässerungssystem. Außerdem überlegt er, wie er durch die richtige Bepflanzung seine Flächen widerstandsfähiger gegen Feuer machen könnten – indem er zum Beispiel dort Bäume pflanzt, wo jetzt besonders brandgefährliches, trockenes Pfahlrohr wächst.

    Als er nach dem Brand zurückkehrte, stellte er erschrocken fest, dass die Hühner ihren Stall nie verlassen hatten. Während Flammen und Rauch um sie herum wüteten, saßen sie eng beieinander. Paley zufolge haben sie inzwischen wieder damit begonnen, Eier zu legen.

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