Die neue Idee: Erdbebensicher bauen
Haiti, Chile, China: Hier kamen allein in diesem Jahr Tausende Menschen bei Erdbeben ums Leben. Dabei wäre es möglich, mit einfachen Mitteln Häuser zu bauen, die Erschütterungen besser widerstehen.
Viele schwere Erdbeben ereignen sich ausgerechnet in weniger entwickelten Ländern. Die meisten Menschen sterben nicht durch die Schockwellen selbst, sondern unter den Trümmern schlecht konstruierter Häuser.
Los Angeles und Tokio sind durch Erdbeben bedroht. Den Aufwand, um Gebäude widerstandsfähig zu machen, stellt in diesen wohlhabenden Städten niemand in Frage. Betonwände werden mit Stahlmatten verstärkt, manche Häuser stehen auf raffiniert konstruierten Schockabsorbern. Ähnlich in Chile: Als dort ein Erdbeben der Stärke 8,8 das Land erschütterte, kamen zwar fast 350 Menschen um – die Einhaltung strikter Baurichtlinien hat jedoch Tausenden das Leben gerettet. Anders sieht es in schwach entwickelten Ländern wie Haiti aus. Dort verloren bei einem Beben in 2010 rund 222.500 Menschen ihr Leben, mehr als eine Million ihre Häuser. "Herkömmliche Sicherheitsmaßnahmen konnte man sich dort nicht leisten", sagt Marcial Blondet, ein Ingenieur aus Peru.
Doch es gibt viele preiswerte Methoden, um Gebäude bebenfester zu machen. Blondet denkt seit 1970 über solche Ideen nach. Damals kostete ein Erdbeben in Peru mehr als 70000 Menschen das Leben. Viele wurden getötet, als ihre Häuser über ihnen zusammenbrachen. Die schweren Wände aus traditionellen Lehmziegeln barsten sofort, sich als der Boden aufbäumte. Dank Blondets Experimenten wissen die Peruaner heute, wie sie ihre Adobewände auch nachträglich noch verstärken können: mit Netzen aus starkem Nylon, auf die sie eine Lage Putz aufbringen. Beim nächsten schweren Beben werden diese Wände zwar bersten, aber nicht mehr einstürzen. Mit Plastiknetzen könne man auch die Betonmauern in Haiti sichern, sagt Blondet.
In anderen Ländern setzen Ingenieure auf heimische Materialien. In Indien haben sie die Betonwände von Häusern mit eingearbeiteten Bambusstangen widerstandsfähiger gemacht. In Indonesien steht ein Musterhaus auf einem Erdbebenpuffer, den John van de Lindt von der staatlichen Universität von Colorado entworfen hat: Der Rütteldämpfer besteht aus alten, mit Sandsäcken gefüllten Gummireifen. Technisch ausgefeiltere Schockabsorber würden zwar dreimal so viel Energie neutralisieren, aber auch viel mehr kosten. "Der Ingenieur fragt zunächst: Welchen Sicherheitsstandard brauche ich?", sagt van de Lindt. "Dann schaut er, welche Mittel ihm zur Verfügung stehen. Damit konstruiert er eine Lösung."
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Zum Beispiel im Norden von Pakistan. Dort würden Häuser traditionell aus Steinen und Lehm gebaut, sagt Darcey Donovan, eine Ingenieurin aus Kalifornien. Doch Stroh sei viel flexibler. Nach dem schweren Erdbeben 2005 begann sie, in dem Land Häuser aus gepressten Strohballen zu errichten. Aber nur 17 sind bisher fertiggestellt. Das beobachtet man auch in anderen Erdbebenregionen: Es gibt gute Ideen – doch sie werden nur quälend langsam umgesetzt. In Peru sind seit 2007 etwa 2500 Häuser mit Nylonnetzen und anderen Mitteln verstärkt worden, 700 sollen in diesem Jahr hinzukommen. Es müssten aber einige Millionen sein. "Beim nächsten Beben", sagt Blondet, "werden wieder viele Häuser einstürzen, die man leicht hätte schützen können."
Dieser Artikel wurde nachträglich ergänzt.
(NG, Heft 6 / 2010, Seite(n) 10-12)
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