Curiosity entdeckt Bausteine des Lebens auf dem Mars

Der Fund organischer Kohlenstoffverbindungen wird die künftige Suche nach Leben auf dem Mars prägen.

Von Michael Greshko
Veröffentlicht am 8. Juni 2018, 14:22 MESZ
Der NASA-Rover Curiosity bohrte im Zuge von Bodenuntersuchungen dieses fünf Zentimeter tiefe Loch in Marsgestein.
Der NASA-Rover Curiosity bohrte im Zuge von Bodenuntersuchungen dieses fünf Zentimeter tiefe Loch in Marsgestein.
Foto von NASA

Im Alltagstrott kann es schon mal passieren, dass man eine unglaubliche Tatsache aus den Augen verliert: Seit dem Jahr 2012 steuert die Menschheit ein atombetriebenes Wissenschaftsmobil von der Größe eines SUV über einen anderen Planeten.

Diese Meisterleistung der Ingenieurskunst – der NASA-Rover Curiosity – hat unser Verständnis für den Roten Planeten revolutioniert. Dank des unerschrockenen Rovers wissen wir nun auch, dass es auf dem Mars in der Vergangenheit kohlenstoffbasierte Verbindungen, also organische Moleküle, gegeben hat: die Schlüsselbausteine des Lebens, wie wir es kennen.

Eine neue Studie, die am Donnerstag in “Science” erschien, präsentierte die ersten schlüssigen Beweise für das Vorhandensein großer organischer Moleküle auf der Marsoberfläche. Seit die Viking-Lander der NASA in den 1970ern auf dem Planeten gelandet waren, hatte man sich eine solche Entdeckung erhofft. Frühere Tests entdeckten mögliche Spuren organischer Verbindungen, aber das Chlor im Marsboden erschwerte eine Interpretation dieser Ergebnisse.

“Wenn man mit so etwas Verrücktem wie einem Rover auf dem Mars arbeitet – mit dem komplexesten Instrument, das je ins Weltall geschickt wurde -, scheint es, als würden wir das tun, was früher als unmöglich galt”, sagt die Hauptautorin der Studie Jennifer Eigenbrode, eine Biogeochemikerin am Goddard Space Flight Center der NASA. „Ich arbeite mit einer Gruppe von großartigen Menschen am Mars und wir haben so viel entdeckt.“

Wissen kompakt: Mars

Die jüngsten Daten von Curiosity offenbarten, dass ein ehemaliger See im Gale-Krater vor etwa 3,5 Milliarden Jahren komplexe organische Moleküle enthielt. Spuren dieser Moleküle finden sich noch im von Schwefel überzogenen Gestein aus dem Seesediment. Der Schwefel könnte die organischen Verbindungen vor der Strahlung und den Perchloraten geschützt haben, denen das Gestein an der Oberfläche ausgesetzt war.

An sich sind diese neuen Ergebnisse noch kein Beweis dafür, dass es auf dem Mars einst Leben gab. Derlei Moleküle hätten genauso gut durch unbelebte Prozesse entstehen können. Zumindest zeigt die Studie aber, wie Spuren potenziellen Lebens auf dem Mars die Zeit überdauert haben könnten und wo man am ehesten danach suchen sollte.

“Das ist ein wichtiger Fund”, sagt Samuel Kounaves, ein Chemiker der Tufts University und ehemaliger Chefwissenschaftler für den Phoenix Mars Lander der NASA. „Es gibt Orte, besonders unter der Oberfläche, an denen organische Moleküle gut erhalten sind.“

METHAN-JAHRESZEIT

Neben dem uralten Kohlenstoff hat Curiosity auch von organischen Verbindungen Wind bekommen, die heutzutage auf dem Mars existieren. Seit seiner Landung hat der Rover regelmäßig die Atmosphäre des Planeten untersucht. Ende 2014 konnten Wissenschaftler dann zeigen, dass Methan – das einfachste organische Molekül – in der Marsatmosphäre vorhanden ist.

Das Vorhandensein von Methan auf dem Mars ist eine Überraschung, da die Moleküle in der Atmosphäre jeweils nur ein paar Hundert Jahre lang existieren können. Das bedeutet, dass irgendetwas auf dem Roten Planeten sie produzieren muss. „Es ist ein Gas in der Marsatmosphäre, das da eigentlich wirklich nicht sein dürfte“, sagt der Wissenschaftler Chris Webster vom Jet Propulsion Laboratory der NASA.

BELIEBT

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    Zudem verhält sich das Methan auf dem Mars äußerst merkwürdig: Im Jahr 2009 berichteten Forscher, dass bislang unerklärliche Wolken aus tonnenweise Methan zufällig aus der Oberfläche zu treten scheinen. Jeden Marssommer steigt die Methankonzentration in der Atmosphäre um etwa 0,6 ppb. Im Winter sind die Konzentration dann wieder auf 0,2 ppb.

    “In der Erdatmosphäre haben wir bei vielen Molekülen keine jahreszeitlichen Schwankungen. Ein Planet mit einer jahreszeitlichen chemischen Schwankung ist also sehr fremdartig“, sagt Eigenbrode. „Das ist eine verblüffende Beobachtung.“

    Webster und seine Kollegen vermuten, dass das Methan von tief unter der Oberfläche kommt und Temperaturschwankungen der Marsoberfläche seinen Aufstieg drosseln. Im Winter könnte das Gas unterirdisch in Einschlussverbindungen namens Clathraten eingefroren werden, die im Sommer schmelzen und das Gas freigeben.

    Aber was genau erzeugt das Methan? Bisher weiß das niemand.

    “Wir können wirklich nicht sagen, ob das Methan, das wir derzeit sehen, ein aktuelles Produkt von Serpentinisierung [einer chemischen Reaktion zwischen eisenhaltigem Gestein und flüssigem Wasser] oder mikrobieller Aktivität in gewisser Tiefe ist“, sagt Michael Mumma. Der Wissenschaftler des Goddard Space Flight Center der NASA entdeckte die Methanwolken. „Oder sind es Einlagerungen aus der Vergangenheit, die langsam abgegeben werden?“

    AUF DER SUCHE NACH LEBEN

    Experten haben die zwei neuen Studien als Meilensteine der Astrobiologie gefeiert.

    „Das ist unglaublich aufregend, weil es zeigt, dass der Mars auch heutzutage ein aktiver Planet ist“, sagt die Planetenforscherin Bethany Ehlmann vom Caltech. Die Marsexpertin war an den Studien nicht beteiligt. „Er ist nicht kalt und tot – und womöglich schwebt er direkt am Rande der Bewohnbarkeit.“

    Gestein säumt einen alten Kanal auf dem Mars, in dem einst Wasser geflossen sein könnte.
    Foto von NASA

    Aber Webster und andere Forscher betonen, dass die Studienergebnisse noch kein Beweis für Leben auf dem Mars sind: „Die Beobachtungen schließen die Möglichkeit für biologische Aktivität nicht aus, [aber] sie sind kein eindeutiger Beweis dafür.“

    Um eindeutigere Antworten zu erhalten, werden die Forscher Ausrüstung zum Mars schicken müssen, die empfindlich genug ist, um Spuren des Lebens in den chemischen Rückständen entdecken zu können. Auf der Erde erzeugen Lebewesen mehr Methan und weniger Ethan als unbelebte Prozesse. Wenn die Forscher diese Tendenz auch auf dem Mars finden würden, wäre das ein weiterer Hinweis für Leben.

    Künftige Missionen werden dabei helfen können. Das Raumsondenprojekt ExoMars der ESA, das 2020 auf dem Roten Planeten landen soll, wird 1,80 Meter tief in den Marsboden bohren und Proben direkt mit seinen Instrumenten analysieren können. Der geplante NASA-Rover Mars 2020 wird Bodenproben zudem so verpacken können, dass künftige Missionen sie aufsammeln und zur Erde bringen können.

    Schon jetzt schreitet die ExoMars-Mission mit großen Schritten voran. Ihr Trace Gas Orbiter erreichte den Mars Ende 2016 und sammelt derzeit Daten. Mit deren Hilfe werden Wissenschaftler die Methankonzentrationen des Mars kartieren und vielleicht sogar auf die Quellen des Gases schließen können.

    „Vor ein paar Wochen haben wir unsere Messungen im empfindlichsten Modus angefangen. Die Teams arbeiten hart daran, die Daten über das Methan zu extrahieren“, schrieb Håkan Svedhem, der Projektwissenschaftler für den Trace Gas Orbiter, in einer E-Mail. „Wir glauben, dass wir die Ergebnisse in ein paar Wochen präsentieren können.“

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