Ob man Kaffee mag, hängt auch von den Genen ab

Manche Menschen brauchen ihn jeden Morgen, anderen bereitet er Bauchschmerzen. Doch warum genau reagieren wir so unterschiedlich auf Kaffee?

Von Michelle Z. Donahue
Veröffentlicht am 7. Nov. 2018, 10:32 MEZ
Kaffeetrinker
Manche Menschen brauchen morgens zwei Tassen Kaffee zum Wachwerden, andere haben noch Stunden nach einem Schluck Probleme mit dem Einschlafen. Vermutlich sorgen genetische Variationen für diese Unterschiede.
Photographs by Mark Thiessen & Rebecca Hale, Ngm Staff

Für Millionen von Menschen auf der ganzen Welt gehört eine Tasse frisch gebrühten Kaffees einfach zum Morgen dazu. 

Für einige müde Menschen ist eine Tasse Kaffee aber nie die Lösung. Ganz egal, in welcher Form sie es einnehmen – schon eine kleine Menge Koffein verursacht ihnen Bauchweh und lässt sie die halbe Nacht nicht einschlafen. Warum aber reagieren Menschen so unterschiedlich auf Koffein? Teils liegt die Antwort in ihren Genen.

„Wir entdecken gerade, dass wir über eingebaute genetische Faktoren verfügen, die uns dabei helfen, unsere Koffeinaufnahme zu regulieren“, sagt die Koffeinforscherin Marilyn Cornelis von der Northwestern University in Chicago, Illinois. „Es ist spannend, wie stark unsere Gene sich darauf auswirken.“

Wissen kompakt: Koffein
Ob Kaffee, Tee, Mate oder sogar Kakao – fast jeder nimmt täglich Koffein zu sich. Aber wie genau wirkt diese psychoaktive Substanz und ab wann droht eine Überdosis?

Regelmäßige Kaffeetrinker bauen im Laufe der Zeit eine gewisse Koffeintoleranz auf, die wieder verschwindet, wenn sie die tägliche Koffeinaufnahme einstellen. Wer Kaffee aber meidet, weil dieser ihn nervös oder schlaflos macht oder zu Bauchschmerzen führt, verdankt das womöglich kleinen Variationen in seiner DNA.

Unterschiede im Stoffwechsel

Alles beginnt damit, wie der Körper auf Koffein reagiert. Für dessen Abbau ist der Stoffwechsel verantwortlich, genauer gesagt fällt diese Aufgabe hauptsächlich zwei Genen zu: CYP1A2 produziert ein Leberenzym, das etwa 95 Prozent des aufgenommenen Koffeins verstoffwechselt. AHR kontrolliert, in welchen Mengen dieses Enzym produziert wird. Zusammen bestimmen diese beiden Gene also, wie viel Koffein im Blutkreislauf zirkuliert und für wie lange.

„Jemand mit einer genetischen Variante, die zu einem verlangsamten Koffeinabbau führt, trinkt wahrscheinlich weniger Kaffee als jemand, der Koffein aufgrund seiner Gene besser verstoffwechselt“, sagt Cornelis.

Mit anderen Worten: Wer einen schnellen Stoffwechsel hat – oder raucht, denn auch das kurbelt den Stoffwechsel an –, baut Koffein schneller ab, sodass es die Erregungszentren des Gehirns gar nicht erreicht. Solche Menschen greifen dann öfter zu einer zweiten oder dritten Tasse. Bei Menschen, die weniger Enzyme zum Koffeinabbau produzieren, verbleibt das Koffein entsprechend länger im Körper und entfaltet dort seine Wirkung.

Von wach bis nervös

Anscheinend spielt aber noch ein ganz anderes Set an Genen eine Rolle bei der Wirkung von Koffein im Gehirn und bei Symptomen wie Unruhe, Schlaflosigkeit und Magenbeschwerden.

Adenosin – einer der Schuldigen an der morgendlichen Müdigkeit und dem Mittagstief – verlangsamt die Aktivität der Nerven und blockiert die Ausschüttung von stimmungsaufhellenden Neurotransmittern wie Dopamin. Wenn im Blutkreislauf jedoch Koffein vorhanden ist, kann dieses leicht an den Adenosinrezeptoren im Gehirn andocken und dabei helfen, die Müdigkeit zu vertreiben.

Ein Gen namens ADORA2A reguliert die Expression von Adenosinrezeptoren, und verschiedene Studien deuten darauf hin, dass die Varianten dieses Gens die individuelle Reaktion auf Koffein beeinflussen. ADORA2A könnte dafür verantwortlich sein, dass manche Menschen selbst nach nur einem Schluck Kaffee am Morgen später nicht einschlafen können. Außerdem scheint es sich auch auf Unruhe und Angstzustände auszuwirken. Bei einer Studie aus dem Jahr 2008 fanden Forscher heraus, dass schon 150 Milligramm am Tag – die Menge an Koffein in einem Grande Cappuccino von Starbucks – bei Menschen mit einer bestimmten Variante des Gens zu einem beträchtlichen Maß an innerer Unruhe und Angst führen können. Eine weitere Studie stellte bei manchen Menschen einen Zusammenhang zwischen gewissen Varianten von Adenosinrezeptoren und einer Panikstörung fest.

BELIEBT

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    “Nur 15 Prozent der Bitterkeit des Kaffees kommt durch Koffein zustande. Die anderen 85 Prozent gehen auf eine ganze Palette an Bitterstoffen zurück.”

    DANIELLE REED, MONELL CENTER

    Manche Menschen meiden Kaffee also womöglich aufgrund der unangenehmen Nebenwirkungen.

    Aber auch Varianten des Dopaminrezeptor-Gens DRD2 könnten beeinflussen, ob man das Getränk mag oder nicht.

    Das Gen ABCG2, welches eine Rolle für den Transport von Verbindungen über die Blut-Hirn-Schranke spielt, könnte Cornelis zufolge wiederum beeinflussen, wie viel Koffein am Ende im zentralen Nervensystem ankommt.

    Am Ende doch Geschmacksache?

    Auch unabhängig von seinem Koffeingehalt ist Kaffee ein Getränk, an dem sich die Geister schon aufgrund seines Geruchs und Geschmacks scheiden.

    Die Geschmacks- und Geruchsforscherin Danielle Reed vom Monell Center in Philadelphia untersuchte für eine Studie die Aktivität von Genen, die für die Wahrnehmung des bitteren Geschmacks verantwortlich sind. Eine Gruppe von Kaffeetrinkern erhielt für eine Geschmacksprobe reines Koffein in flüssiger Form. Die Probanden, die täglich eine größere Menge an Kaffee zu sich nahmen, stuften die Probe im Vergleich zu den Probanden, die weniger Kaffee tranken, als bitterer ein.

    Reeds Gruppe untersuchte daraufhin die entsprechenden Gene für die bittere Geschmackswahrnehmung und fand heraus: Bei den Kaffeetrinkern, die größere Mengen des Getränks zu sich nahmen, waren diese Gene aktiver. Anderen Studienteilnehmern fehlte die Genvariante, die es ihnen ermöglicht hätte, die Bitterkeit des Koffeins überhaupt zu schmecken. Bedeutete das im Umkehrschluss, dass diesen Leuten Kaffee generell besser schmeckt?

    „Nur 15 Prozent der Bitterkeit des Kaffees kommt durch Koffein zustande. Die anderen 85 Prozent gehen auf eine ganze Palette an Bitterstoffen zurück“, sagt Reed. „Es gibt eine Menge verschiedener Bitterrezeptoren, aber es gibt auch eine Menge verschiedener Bitterstoffe im Kaffee. Man muss sich die genetischen Besonderheiten also für jede Kaffeesorte einzeln ansehen, da jeder Kaffee anders ist.“

    Koffein könnte die sensorischen Bahnen einiger Menschen auch auf eine Art und Weise beeinflussen, die noch nicht vollständig bekannt ist, so Reed. Die Verbindung dockt nicht nur an die Oberfläche der Rezeptorzellen an, sondern kann auch in die Zelle selbst eindringen – wie genau sich das Koffein dort auswirkt, ist nicht bekannt.

    Reed zufolge können auch Menschen, die empfindlich auf bitteren Geschmack reagieren, Kaffee aufgrund von Konditionierung oder seiner Wirkung mögen.

    „Oder sie gehören einfach zu jener Art von Menschen mit einer sehr differenzierten Wertschätzung für Lebensmittel, die den bitteren Geschmack zwar wahrnehmen, ihn aber dennoch genießen können.“

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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