Chang’e-4 schickt erste Bilder von der dunklen Seite des Mondes

Die Kombo aus Lander und Rover erkundet Mondbereiche, auf die bislang nie ein Mensch oder Roboter einen Fuß gesetzt hat.

Von Michael Greshko
Veröffentlicht am 3. Jan. 2019, 17:55 MEZ
Diese Illustration der CSNA zeigt die chinesische Mondsonde Chang'e-4 – das erste Raumfahrzeug, das auf der ...
Diese Illustration der CSNA zeigt die chinesische Mondsonde Chang'e-4 – das erste Raumfahrzeug, das auf der Mondrückseite gelandet ist.
Foto von EPA/China National Space Administration / HANDOUT, Illustration

Am Abend des 2. Januar setzte ein chinesischer Lander, der nach einer uralten Mondgöttin benannt ist, auf der dunklen Seite des Mondes auf, wo kein Mensch oder Roboter je gewesen ist. Chinas Mission Chang’e-4 brach am 7. Dezember Richtung Mond auf und trat am 12. Dezember in einen Orbit um unseren kosmischen Begleiter ein. Nun ist die Sonde auf der Mondoberfläche gelandet.

Bis zu diesem historischen Touchdown gab es nur vereinzelt ein paar wenige Details zu Chang’e-4s Mission. Die China National Space Administration (CSNA) ist für ihre Geheimniskrämerei berüchtigt. Das letzte Update gab es von offizieller Seite am 30. Dezember, als bestätigt wurde, dass die Sonde in ihren letzten Orbit vor der Landung eingetreten ist. Auf der ganzen Welt versammelten sich Wissenschaftler und Weltraumfans vor der Landung in Onlineforen und auf Twitter, tauschten Gerüchte aus und lasen die neusten Informationen von gut vernetzten Journalisten, Weibo-Accounts und Hobbyastronomen, die die Umlaufbahnen von Chang’e-4 verfolgten.

Als schließlich die Bestätigung kam, dass die Sonde gelandet war, wich die Unsicherheit der Freude und Erleichterung.

„Das ist ein historischer Moment und ich freue mich wirklich sehr!“, schrieb der Geowissenschaftler Long Xiao von der Chinesischen Universität für Geowissenschaften in einer E-Mail an National Geographic, nachdem er von der Landung erfahren hatte. „Mit der erfolgreichen Landung und den Bildern, die der Lander und der Rover bald machen werden, freue ich mich schon darauf, das wahre Gesicht der dunklen Seite zu sehen!“

„Ich persönlich bin sehr begeistert und stolz auf die erfolgreiche Landung von Chang’e-4, da das nicht nur eine wirklich beeindruckende Leistung ist, sondern auch viel wissenschaftliches Potenzial hat“, fügte Le Qiao hinzu, ein Mondgeologe der Shandong-Universität in Weihai.

Was ist Chang’e-4 und warum ist diese Landung so bedeutend?

Die Raumsonde Chang’e-4 ist die aktuellste Mondmission der chinesischen Weltraumagentur CSNA. Ihre beiden ersten Mondmissionen waren Orbiter, bei der dritten handelte es sich um eine Kombination aus Lander und Rover, die im Jahr 2013 erfolgreich auf der uns zugewandten Seite des Mondes landete. Chang’e-4 besteht ebenfalls aus einem Lander und einem Rover. Außerdem verfügt sie über einen Relais-Satelliten.

„Das ist das erste Bild dieser Art“, sagt der Planetenwissenschaftler Clive Neal, ein Experte für Mondgeologie von der University of Notre Dame in Indiana, USA. „Mit Chang’e-4 hat zum ersten Mal eine Nation versucht, einen Lander auf die Rückseite des Mondes zu setzen, um dann einen Rover zu starten, der die Oberfläche erforschen soll.“

„Die übermittelten Daten sollten uns wertvolle Informationen liefern, mit denen wir die Geheimnisse unseres Mondes von der bislang unberührten Seite lüften können!“, schrieb Xiao. „Ich drücke die Daumen!“

Gibt es wirklich eine „dunkle Seite“ des Mondes?

Der Mond umkreist die Erde seit 4,5 Milliarden Jahren. Im Laufe dieser Zeit sorgte die Erdanziehungskraft dafür, dass sich die Rotationsgeschwindigkeit des Mondes mit seiner Umlaufzeit synchronisierte. Deshalb benötigt der Mond mittlerweile für eine Umdrehung um sich selbst ebenso lange wie für eine Umlaufbahn um die Erde – nämlich 28 Tage. Daher ist immer dieselbe Mondseite der Erde zugewandt, während wir die Rückseite von unserem Planeten aus nicht sehen können.

Die Rückseite ist aber gar nicht so dunkel, wie es ihr Spitzname der „dunklen Seite“ vermuten lässt. Während der Mond die Erde umkreist, ist immer genau eine Hälfte des Satelliten in Sonnenlicht getaucht. Während des Neumonds versinkt seine Vorderseite in Dunkelheit, während seine Rückseite vollständig erhellt ist. Tatsächlich ist die Rückseite sogar heller, weil es auf ihr nicht so viele tiefe Becken gibt wie auf der Vorderseite.

Warum ist zuvor noch niemand auf der Rückseite gelandet?

Während einer Landung auf der Rückseite gestaltet es sich schwierig, die Kommunikation mit der Erde aufrechtzuerhalten, da der Mond die Funkverbindung blockiert. Als die Apollo-Astronauten sich während der Mondumrundung über der Rückseite befanden, waren sie von der restlichen Menschheit vollständig abgeschnitten.

BELIEBT

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    Chang'e-4 hat dieses Problem mit Hilfe eines Relais-Satelliten umgangen. Im Mai 2018 startete die CSNA einen Satelliten namens Queqiao, der in einen Orbit um den Lagrange-Punkt 2 eintrat. An diesem neutralen Punkt jenseits des Mondes gleichen die Anziehungskraft von Erde und Mond die Zentripetalkraft eines dort stationierten Objektes aus, sodass besagtes Objekt dort gewissermaßen „parken“ kann, ohne Treibstoff verbrauchen zu müssen. Da Queqiao immer eine Sichtlinie zur Erde und zur Mondrückseite hat, kann der Satellit die Kommunikationslücke zwischen dem Kontrollzentrum und dem Chang'e-4-Lander schließen.

    Allerdings bedeutet der Einsatz eines Relais auch, dass die Funksignale eine größere Entfernung zurücklegen müssen, was wiederum zu einer größeren Verzögerung in der Kommunikation führt. Das heißt also, dass jeder Lander oder Rover auf der Mondrückseite in der Lage sein muss, eigenständig seinen Landeplatz zu wählen und Gefahren auszuweichen.

    Wo genau ist Chang'e-4 gelandet?

    Die CSNA visierte den Mondkrater Von Kármán innerhalb des Südpol-Aitken-Beckens an, welches sich über fast ein Viertel der Mondoberfläche erstreckt. Vermutlich entstand es einst durch einen gewaltigen Einschlag. Seine Erforschung sollte also Details über die Kruste und das Innere des Mondes offenbaren.

    „Das ist praktisch das größte Loch im Sonnensystem“, so Neal.

    Die Wissenschaftler des Chang'e-4-Teams interessieren sich für alte Einschlagkrater wie Von Kármán in dem Becken, da sie deren Zusammensetzung und Alter untersuchen wollen. Diese Krater sind Zeugnisse der verschiedenen Einschlagraten, die der Mond und damit auch die Erde im Laufe ihrer Geschichte erlebten. Wie viele Objekte regneten in den frühen Tagen unseres Planeten auf ihn hinab? Was brachten diese Objekte mit sich und wann erreichten sie die Erdoberfläche? Was bedeutet das eventuell für den Ursprung des Lebens? Chang'e-4 könnte uns dabei helfen, diese Fragen zu beantworten.

    Welche Instrumente befinden sich an Bord von Chang'e-4?

    Viele der Instrumente an Bord von Chang'e-4 sind Nachbauten der Instrumente der Vorgängersonde Chang'e-3, darunter mehrere Kameras wie jene, mit der Chang'e-3 eindrucksvolle Panoramaaufnahmen der Mondoberfläche machte. Chang'e-4 verfügt außerdem über ein Bodenradar.

    Im Gegensatz zu ihrer Vorgängerin hat sie außerdem eine kleine, experimentelle „Mondbiosphäre“ mit Pflanzensamen und Seidenspinnereiern im Gepäck sowie ein Niederfrequenz-Radiospektrometer, mit dem die Forscher die Atmosphäre der Sonne aus der Entfernung erforschen können. Dieses Instrument hat aber noch einen weiteren Trick auf Lager: Wenn es mit einem Instrument an Bord von Queqiao gekoppelt wird, können die chinesischen Forscher die beiden als Radioteleskop verwenden. Die Rückseite des Mondes eignet sich ideal für die Radioastronomie, da der Mond Störsignale von der Ionosphäre der Erde sowie menschliche Funksignale blockiert.

    „Das wird es uns erstmals ermöglichen, niederfrequente Radioobservationen durchzuführen, die von der Erde und vom Mond aus sowie in Mondnähe nicht möglich sind“, schrieb der Astronom Mark Klein Wolt von der Radboud University in einer E-Mail, der Projektleiter für Queqiaos Radioinstrument. „Das wird den Weg für eine künftige große Anlage für die Radioastronomie auf dem Mond ebnen, mit der die frühe Geschichte des Universums erforscht werden kann, in der sich noch keine Sterne gebildet hatten.“

    Nicht alle Instrumente an Bord von Chang'e-4 stammen aus chinesischer Hand. Die Missionswissenschaftler schlossen sich mit deutschen Forschern zusammen, um einen Teilchendetektor im Lander zu installieren, während schwedische Forscher einen Ionendetektor im Rover einbauten. Das Radioteleskop von Queqiao ist ein chinesisch-niederländisches Projekt.

    Warum haben die USA kein Instrument an Bord von Chang'e-4?

    Selbst wenn die NASA und die CSNA das wollen würden, wäre es für die US-amerikanische Weltraumagentur schwierig, legal mit China zusammenzuarbeiten. Eine Regelung namens Wolf Amendment verbietet der NASA die Zusammenarbeit mit chinesischen Organisationen, sofern diese nicht explizit vom Kongress oder dem FBI autorisiert wurde.

    Die Befürworter dieser Regelung argumentieren, dass sie der nationalen Sicherheit dient, da die CSNA Verbindungen zum chinesischen Militär hat und Weltraumtechnologien auch für den Krieg verwendet werden können. Allerdings kritisieren viele Wissenschaftler in den USA die Regel als unnötig restriktiv, insbesondere, da China selbst Menschen in den Weltraum bringen kann, seine eigenen Weltraumstationen betreibt und wissenschaftliche Sonden wie Chang'e-4 zum Mond schickt.

    „Vielleicht hat dieses Wolf Amendment keine Zähne, sondern verbietet nur eine Zusammenarbeit, von der alle profitieren würden“, sagt Neal. „Man muss einfach international zusammenarbeiten.“

    Es gibt durchaus Modelle für Länder, die trotz politischer Spannungen im Bereich der Weltraumforschung zusammenarbeiten. Während des Kalten Krieges arbeiteten die USA beispielsweise zusammen mit der UdSSR am Apollo-Sojus-Test-Projekt. Einige namhafte Vertreter wie der Apollo-11-Astronaut Michael Collins setzten sich sogar für eine gemeinsame Marsmission von den USA und der Sowjetunion ein.

    Was steht in der Mondforschung als nächstes an?

    China hat große Pläne für sein eigenes Mondforschungsprogramm. Die nächste Mission, Chang'e-5, soll auf dem Mond landen, Proben entnehmen und diese zur Erde zurückbringen. Wenn das gelingt, wäre China das dritte Land, das etwas vom Mond zurückbringt – und das zweite, dem das nur mit Hilfe von Robotern gelingt. Zwar gibt es dazu kaum Details, aber chinesische Forscher, die über die Mondforschungspläne des Landes nach 2020 sprachen, erwogen wohl auch, Menschen zum Mond zu schicken und dort eine Basis zu etablieren.

    Damit wäre das Land nicht allein. Die ESA hat bereits Pläne für eine Mondbasis verkündet und die indische Weltraumagentur ISRO wird bald ihre Sonde Chandrayaan-2 starten, die zum Mondsüdpol fliegen soll. Die NASA arbeitet aktuell mit privaten Unternehmen zusammen, um mehr wissenschaftliches Equipment zum Mond zu schicken, und hat für die 2020er vage Pläne für eine Art Relais-Raumstation in Mondnähe.

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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