Neue Radioblitze: Phänomen bringt Licht ins Dunkel des Alls

Unter den 13 neu entdeckten Radioblitzen aus 1,5 Milliarden Lichtjahren Entfernung befand sich auch ein äußerst seltenes Signal.

Von Shannon Stirone
Veröffentlicht am 14. Jan. 2019, 12:24 MEZ
In Kaleden im kanadischen British Columbia leuchten die Sterne über dem Canadian Hydrogen Intensity Mapping Experiment, ...
In Kaleden im kanadischen British Columbia leuchten die Sterne über dem Canadian Hydrogen Intensity Mapping Experiment, kurz: CHIME. Die Anlage gehört zum Radio Astrophysical Observatory.
Foto von Andre Renard

Astronomen ging eine Serie von 13 kurzen Ausbrüchen im Bereich der Radiostrahlung ins Netz, die ihren Ursprung in den Tiefen des Alls haben. Einer wiederholt sich sogar in regelmäßigen Abständen. Die genaue Quelle ist zwar nicht bekannt, aber diese aktuellste Schar der mysteriösen Signale liefert neue Hinweise darauf, wo und warum sie in den Weiten des Weltalls auftreten.

Diese Fast Radio Bursts oder Schnellen Radioblitze zählen zu den bizarrsten Phänomenen unseres Universums. Jeder Blitz dauert nur ein paar Tausendstel einer Sekunde, und alle scheinen sie ihren Ursprung weit jenseits unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße, zu haben.

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Seit der Entdeckung solcher Blitze im Jahr 2007 ist ihre Ursache jedoch rätselhaft. Basierend auf Schätzungen zu ihrem Frequenzbereich und unserem derzeitigen Verständnis für die Aktivität im Universum gehen Wissenschaftler davon aus, dass täglich Tausende solcher Radioblitze auftreten. Bislang wurden aber nur eine Handvoll überhaupt nachgewiesen.

Mit Hilfe des Canadian Hydrogen Intensity Mapping Experiment – kurz: CHIME – hat ein Team aus Forschern die 13 neuen Blitze entdeckt. Eine besondere Seltenheit stellt ein Signal dar, das sich wiederholt. Bisher war lediglich ein einziger anderer Schneller Radioblitz bekannt, der das tut.

Der „Repeater“, wie er bezeichnet wird, und seine zwölf Pendants stammen aus einer Region des Weltraums in 1,5 Milliarden Lichtjahren Entfernung, wie das Team in „Nature“ bekanntgab. Alle 13 Blitze haben die niedrigste Frequenz, die bislang empfangen wurde. Gleichzeitig waren sie auch heller als vorherige Schnelle Radioblitze, weshalb das Team vermutet, dass ihre niedrige Frequenz etwas mit der Umgebung ihrer Quelle zu tun hat.

„Das bedeutet nicht, dass sie von weiter weg kommen“, sagt der Studienautor Shriharsh Tendulkar, ein Forscher am Institut für Physik an der McGill University. „Wenn Licht sich durch das heiße Gas und das Plasma im intergalaktischen und interstellaren Medium ausbreitet, kann das das Signal auf verschiedene Art beeinflussen.“

Radiowellen werden auf ihrem Weg durchs All beispielsweise verzerrt und können streuen oder von Gas und Plasma absorbiert werden. Daher vermuten die Wissenschaftler, dass 13 Blitze vermutlich aus dichten, turbulenten Galaxieregionen stammen – insbesondere solche Bereiche mit besonders heftiger Aktivität, wie sie in der Nähe eines Supernova-Überrests oder eines Schwarzen Loches auftritt.

Geheimnisvolle Tiefen

Tendulkar und sein Team bemerkten auch, dass die Struktur des neuen sich wiederholenden Radioblitzes eine auffällige Ähnlichkeit mit dem einzigen anderen bekannten Repeater aufweist.

„Diese vielfachen Strukturen, die wir in dem Blitz sehen, ähneln dem ersten sich wiederholenden Schnellen Radioblitz sehr. Das ist ziemlich ungewöhnlich“, sagt er. „Jetzt haben wir also einen vielversprechenden Hinweis darauf, dass diese Strukturen nur in Repeatern zu finden sind.“ Falls man also weitere Radioblitze mit derselben Struktur entdeckt, wären sie vielversprechende Kandidaten für weitere Repeater.

Dass der neue sich wiederholende Radioblitz heller als sein Vorgänger ist, könnte daran liegen, dass sein Ursprung etwa 1,5 Milliarden Lichtjahre näher an uns liegt – mit Sicherheit kann das Team das aber nicht sagen. Für weitere Vergleiche müssen sie den Himmel nach der Heimatgalaxie des neuen Radioblitzes absuchen, wobei ein Erfolg nicht garantiert ist. Derweil nutzen die Forscher weiterhin CHIME, um jenen Bereich des Himmels zu beobachten, aus dem die neuen Radioblitze kamen. Mit Hilfe anderer Radioteleskope wollen sie die neusten Funde zudem tiefergehend analysieren.

„Wir versuchen, noch mehr Hinweise zu finden und zu verstehen, inwiefern es sich bei den Repeatern und den einzelnen Schnellen Radioblitzen um unterschiedliche Gruppen handelt“, so Tendulkar. „Stammen sie von unterschiedlichen Objekten? Oder sind sie auf irgendeine Weise miteinander verwandt? So was versuchen wir herauszufinden, das ist also wirklich spannend.“

Auch spannend ist: Als CHIME die neuen Radioblitze entdeckte, hatte es erst einen Bruchteil seiner Leistungsstärke erreicht. Das Team freut sich also schon darauf herauszufinden, wie viele weitere Blitze in den neuen Daten auftauchen werden, nun da das Instrument seine volle Kapazität ausschöpfen kann.

„Die Entdeckung von CHIME deutet auf ein großes Potenzial hin“, findet Shami Chatterjee, ein Wissenschaftler des Zentrums für Astrophysik und Planetenwissenschaften an der Cornell University. Er selbst war an den jüngsten Entdeckungen nicht beteiligt. „Ich bin wahnsinnig gespannt darauf, wie viele [Schnelle Radioblitze] sich in ihren Daten verstecken. Das müssen Dutzende oder Hunderte sein.“

Wenn noch mehr Blitze gefunden werden, könnte man diese seltsamen Phänomene Chatterjee zufolge dazu nutzen, die Spuren von Gas, Staub und Plasma in dem scheinbar leeren Raum zwischen den Galaxien zu untersuchen – das sogenannte intergalaktische Medium.

„Alle stimmen darin überein, dass sich eine Sondenanalyse im intergalaktischen Medium äußerst schwierig gestalten würde“, erklärt er. „Es ist um ein Vielfaches dünner als unser eigenes interstellares Medium. Mit den [Schnellen Radioblitzen], die wir jetzt entdecken, haben wir aber eine Möglichkeit, dieses Medium zu erforschen und diese Umgebungen zu verstehen.“

Für Tendulkar ist das Rätsel der Schnellen Radioblitze ein Teil dessen, was sie so faszinierend macht.

„Es macht auch viel Spaß, etwas noch nicht zu wissen“, sagt er. „Man trägt zwar immer mehr Informationen zusammen, aber wie immer in der Wissenschaft löst man irgendwann ein Rätsel und daraus ergeben sich gleich drei neue.“

Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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