Im Pandakostüm zur Arbeit – für die Wissenschaft!

Kranichhandpuppen & Krokodilmasken: Forscher werden kreativ, wenn sie ihren Schützlingen so nah wie möglich kommen wollen.

Von Karen de Seve
Veröffentlicht am 17. Juli 2019, 17:12 MESZ
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Ein Pfleger bringt einem Panda, der auf seine Auswilderung vorbereitet wird, im chinesischen Wolong Nature Reserve ein bisschen Bambus.
Foto von Ami Vitale

Manche Forscher feiern das ganze Jahr über ihr persönliches kleines Halloween: Sie schlüpfen in Kostüme, um Tieren zu helfen.

Von Riesenpandas über Schreikraniche bis zu Krokodilen: Viele Wissenschaftler verkleiden sich selbst oder ihre Instrumente als Tiere, um wertvolle Daten zu sammeln, an die sie ohne diese Tarnung nicht kommen würden.

Riesenpandas: Nur verkleiden reicht nicht …

Manchmal erfordern die Aufgaben der Wissenschaftler aber mehr, als sich nur ein albernes Kostüm anzuziehen: Die Pfleger des Chinesischen Forschungs- und Artenschutzzentrums für den Riesenpanda, das sich im Wolong Nature Reserve in der Provinz Sichuan befindet, ziehen sich beispielsweise Ganzkörper-Pandakostüme an – und beschmieren sich dann mit Pandaurin und-exkrementen.

„Das soll den menschlichen Geruch überdecken“, sagte Andrea Muller von Pandas International, einer Organisation mit Sitz in Colorado, die das chinesische Zentrum unterstützt.

Wenn das Personal während der medizinischen Untersuchungen die Pandakostüme trägt, minimiert es den Stress für die Tiere und ihre Gewöhnung an den Menschen, erklärte Muller.

Die Jungtiere verbringen zwei Jahre bei ihrer Mutter, bevor sie ausgewildert werden können. Ganz einfach ist das allerdings nicht, denn die Aufzucht der Tiere ist kompliziert.

Die Aufzucht niedlicher Pandas: Ganz schön kompliziert

Geisterbären: Gespenstische Jäger

Auf einer Insel nördlich von Vancouver in Kanada lebt eine kleine Gruppe sogenannter Geisterbären: Schwarzbären mit einer genetischen Mutation, die ihnen weißes Fell verleiht.

Der Biologe Tom Reimchen von der University of Victoria in British Columbia hatte sich gefragt, ob das weiße Fell den Geisterbären bei der Jagd auf Lachse einen Vorteil verschafft. Vor ein paar Jahren hüllten er und seine Studenten sich deshalb in weißen oder schwarzen Stoff, wateten ins Wasser und zeichneten das Verhalten der Lachse auf.

Ihre Hypothese erwies sich als korrekt: „Wir sahen, dass die Lachse unterschiedlich reagierten, je nachdem, was wir trugen“, sagte Reimchen. „Tagsüber wichen die Lachse den weißen Kostümen seltener aus. Das ist genau das, was wir auch bei der Interaktion der Lachse mit echten Bären beobachtet haben.“

Ihre Studie, die 2009 im “Biological Journal of the Linnean Society” erschienen ist, deutet darauf hin, dass die Bären durch ihr weißes Fell mehr Erfolg bei der Lachsjagd haben. Womöglich liegt das daran, dass die Fische die relativ seltenen Tiere nicht als Fressfeinde erkennen.

Galerie: Der heilige Bär

Schreikraniche: Mahlzeit von der Puppenmutti

Bei der International Crane Foundation mit Sitz in Wisconsin verkleiden sich die Mitarbeiter nicht nur an Halloween als Geister.
Die Pfleger schlüpfen unter weiße Laken, um ihre Körperform zu verbergen, und nutzen Vogelhandpuppen, um mit den frisch geschlüpften Schreikranichen zu interagieren.

Ein Mensch mit einer Kranichhandpuppe füttert einen Jungvogel.
Foto von Tom Lynn

„Wir versuchen, das Verhalten der echten Elterntiere zu imitieren“, sagte Kim Boardman, die Assistenzkuratorin für Vögel. „Die Handpuppe bietet ihnen natürliche Nahrung an, fängt Grashüpfer und bringt den Küken bei, wie sie nach Nahrung suchen.“

Die Küken, die im Mai im Zentrum schlüpfen, werden im Oktober ausgewildert.

In den 1940ern lebten in Nordamerika nur noch etwa 20 Schreikraniche in der Wildnis. Durch die Jagd und den Verlust von Lebensraum war der Bestand enorm dezimiert worden. Mittlerweile gibt es wieder mehr als 400 Tiere – dank Jagdverboten, Schutzgebieten und Puppenspielereien.

Elche: Entschuldigen Sie bitte, was riecht denn hier so?

Das Problem: Wissenschaftler wollten herausfinden, wie wilde Elche im Bereich des Yellowstone-Nationalparks auf den Geruch von Raubtieren wie Wölfen reagierten, die sich wieder in der Region angesiedelt hatten, nachdem sie dort fast ausgerottet worden waren. Zunächst mussten sie aber die Exkremente der Raubtiere in der Nähe der scheuen Elche platzieren.

Die Lösung: Sie schlüpften in ein Elchkostüm und ließen den Kot beiläufig in der Nähe der großen Säugetiere fallen, erklärte Joel Berger, ein Wildtierbiologe der Wildlife Conservation Society.

Ihre Forschungsergebnisse veröffentlichten Berger und seine Kollegen 2001 im Fachmagazin „Science“. Sie hatten herausgefunden, dass die Yellowstone-Elche tatsächlich vergessen hatten, dass der Wolfsgeruchsgefahr bedeutet. Weitere Forschungen haben seither gezeigt, dass die Tiere sich dieses Wissen wieder angeeignet haben – oder als Mahlzeit endeten.

Galerie: Warum werfen Elche ihr Geweih ab?

Krokodile: Unbemerkt zwischen Kolossen

Wo wir bei Kot sind: Flusspferde produzieren davon so viel, dass er die Wasserqualität im kenianischen Fluss Mara mindert.

„Es gibt dort mehr als 4.000 Flusspferde. Wir vermuten, dass sie pro Tag etwa 36 Tonnen [Kot] produzieren“, sagte Amanda Subalusky, eine Doktorandin der Ökologie und Evolutionsbiologie an der Yale University in New Haven, Connecitcut.

Subalusky befasst sich mit der Wasserqualität und wollte wissen, ob die ganzen Flusspferdexkremente zum Tod von Fischen führen. Das Problem bestand darin, gute Wasserproben zu bekommen, ohne von ein oder mehreren vier Tonnen schweren Flusspferden angegriffen zu werden.

An dieser Stelle kam das ferngesteuerte Miniboot der Forscher ins Spiel, das als Krokodilkopf getarnt war. An Bord befanden sich Wassersensoren und ein Sonar zur Messung der Flusstiefe, des Sauerstoffgehalts und der Leitfähigkeit.

Flusspferde vertreiben Krokodil

Flusspferde und Krokodile ignorieren einander zumeist, und so funktionierte die Verkleidung ausgezeichnet: Das Team steuerte das etwa 60 Zentimeter lange Kroko-Boot ungestört durch mehrere Flusspferd-Badestellen.

Ihre in „Nature Communications“ veröffentlichte Studie bestätigte ihre Vermutung: Flusspferdexkremente können bei starken Regenfällen ein Fischsterben auslösen, denn dann tritt das sauerstoffarme Wasser aus ihren flachen Badestellen über und vermischt sich mit dem restlichen Flusswasser – zum Leidwesen aller Kiemenatmer.

Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

Tierforscher

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