Wo wir leben, was wir essen – unsere Knochen zeichnen alles auf

Klima, Ernährung, Herkunft – all das können Archäologen dank Isotopen aus den Knochen Verstorbener lesen.

Von Erin Blakemore
Veröffentlicht am 7. Aug. 2019, 16:30 MESZ
Die Zähne aus diesem Schädel, der in Griechenland gefunden wurde, deuten darauf hin, dass die Person während ihrer Kindheit unter schweren Fieberschüben gelitten hat.
Foto von SISSE BRIMBERG, Nat Geo Image Collection

Was liegt auf euren Tellern? Die Antwort auf diese Frage könnte für künftige Archäologen von großem Interesse sein. Aus einer einzigen Knochenprobe können sie Rückschlüsse auf alle möglichen Faktoren ziehen, von der persönlichen Ernährung bis zu großen Bevölkerungsbewegungen. Bei einer Isotopenuntersuchung analysieren sie bestimmte Elemente in archäologischen Proben, um Hinweise auf das Klima, die Ernährung und die geografische Herkunft der Proben zu erhalten.

Das Augenmerk liegt dabei, wie der Name schon sagt, auf den Isotopen – Atome desselben Elements, die sich durch die Anzahl ihrer Neutronen unterscheiden. Im Gegensatz zu instabilen Isotopen wie 14C, das im Laufe der Zeit zerfällt, haben stabile Isotope eine enorm lange Halbwertszeit. Bislang sind mehr als 250 stabile Isotope von mindestens 82 Elementen bekannt. Sie kommen sowohl in organischen als auch anorganischen Verbindungen vor, und ihre Zusammensetzung können Forscher als charakteristische Signatur identifizieren.

Was ist "Lidar"?

Neue Technik entlockt uralte Geheimnisse

In den Siebzigern entdeckte der Archäologe Nikolaas van der Merwe ein Skelett, das sich optisch von den anderen aus der südafrikanischen Ausgrabungsstätte unterschied, an der er arbeitete. Zusammen mit dem Isotopenphysiker John Vogel und dem Paläoanthropologen Philip Rightmire beschloss er, neue wissenschaftliche Techniken an dem Skelett auszuprobieren, die mit Isotopen arbeiteten. Die Analyse offenbarte, dass sich der frühe Mensch anders ernährt hatte als die sonstigen Individuen, die während der Ausgrabungen entdeckt wurden. Das ließ auf zuvor ungeahnte Interaktionen zwischen den Jägern und Sammlern der Region und den frühen Ackerbauern schließen.

Van der Merwe und Vogel untersuchten später auch die Isotopen in archäologischem Material aus den USA, um zu zeigen, dass Mais in den Eastern Woodlands Nordamerikas um das Jahr 1000 herum Einzug gehalten hatte.

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    Foto von Mark Thiessen, Nat Geo Image Collection

    Isotopensignaturen sind für Forscher ein enorm nützliches Hilfsmittel. Pflanzen absorbieren beispielsweise stabile 12C- und 13C-Isotope, deren Konzentration in der Erdatmosphäre im Verhältnis zueinander gleichbleibend ist. Über den Boden und das Wasser wird dieses Verhältnis auf die Pflanzen übertragen und während der Photosynthese durch Wasser, Sonne und andere Umweltfaktoren verändert.

    Das Verhältnis der Isotope verrät den Forschern etwas darüber, wo die Pflanze gewachsen ist und welchen Umweltbedingungen sie ausgesetzt war. Wenn die Pflanzen von Tieren gefressen werden, hinterlassen sie auch in deren Körpern ihre Spuren. Wenn Forscher dann die Haare, Zähne und Knochen der Tiere analysieren, zeigt sich darin das Verhältnis der Kohlenstoffisotope der verspeisten Pflanzen.

    Die Isotope in Knochenproben können auch Aufschluss darüber geben, in was für einem Klima ein Mensch lebte (in feuchteren Regionen enthalten Knochen beispielsweise mehr 15N-Isotope) oder welche Bevölkerungsbewegungen sich ereignet haben.

    Schnappschuss der Vergangenheit

    Andere Isotope geben noch mehr Informationen über organisches Material preis: Strontiumisotope werden während des Zahnwachstums beispielsweise von den Zähnen absorbiert und verraten später, wo eine Person aufgewachsen ist. Im Gegensatz dazu sammeln Knochenzellen immer neue Strontiumsignaturen und lassen erkennen, wo ein Mensch in seinem späteren Leben gelebt hat. Stickstoffisotope können wiederum offenbaren, wie alt ein Kind war, als es begann, feste Nahrung zu sich zu nehmen.

    Von Knochen bis zu Rückständen in Keramikgefäßen untersuchen Wissenschaftler mittlerweile alles Mögliche über stabile Isotope. Selbst den Ursprungsort verschiedener Metalle können sie so ausfindig machen.

    Allerdings ist auch die Isotopenanalyse kein Wundermittel: Sie ist teuer und funktioniert nicht bei verbranntem Material. Außerdem muss eine Kontamination der Proben vermieden werden, um das Ergebnis nicht zu verfälschen. Je älter die Probe ist, desto weniger Informationen lassen sich daraus gewinnen, da sich beispielsweise das Kollagen in den Knochen nach etwa 50.000 zersetzt.

    Trotzdem können Atome noch sehr viel über die Herkunft und das Verhalten von Menschen verraten, deren Grabstätten in der Moderne zu Ausgrabungsstätten geworden sind.

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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