Archäologen rätseln über mysteriöse Frau in römischem Friedhof

Eine frühchristliche Gemeinde schien ihre Begräbnisse rund um eine wichtige Frau angelegt zu haben, die mit einer bemerkenswerten Grabbeigabe bestattet wurde.

Von Marjan Žiberna
Veröffentlicht am 31. Jan. 2019, 23:26 MEZ
Bei Ausgrabungen unter der Gosposvetska-Straße in Ljubljana kamen Überreste der römischen Siedlung Emona zum Vorschein. An ...
Bei Ausgrabungen unter der Gosposvetska-Straße in Ljubljana kamen Überreste der römischen Siedlung Emona zum Vorschein. An ihrer Stelle entstand später die moderne Hauptstadt Sloweniens.
Foto von Arne Hodalič und Katja Bidovec

Als im August 2017 ein großes Bauprojekt in der Gosposvetska-Straße in Ljubljana begann, rechneten die slowenischen Archäologen mit spannenden Funden unter der historischen Stadt. Allerdings hatten sie nicht erwartet, einen Einblick in das Leben und die Begräbnispraktiken einer frühchristlichen Gemeinde zu finden, die eine mysteriöse Frau verehrte.

Die Hauptstadt des europäischen Landes wurde vor etwa 2.000 Jahren als römische Siedlung Emona gegründet. Später ging die Siedlung im Zuge der Völkerwanderung unter und die Stadt Laibach wurde an derselben Stelle errichtet. Durch frühere Grabungen in dem Bereich wussten Archäologen bereits, dass sich unter der Gosposvetska-Straße wahrscheinlich ein Teil eines römischen Friedhofs befand und man noch mehr antike Gräber entdecken würde.

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    Unter der Gosposvetska-Straße wurden mehr als 300 Gräber entdeckt, die Wissenschaftlern nun die Möglichkeit bieten, einen Einblick in das Leben und den Tod der römischen Bürger Emonas zu erhalten.
    Foto von Arne Hodalič und Katja Bidovec

    Die Ausgrabungen förderten einen spätrömischen Friedhofskomplex mit mehr als 350 Begräbnissen zutage. Von einfachen Gräbern und Sarkophagen bis zu Familienmausoleen war dabei eine große Bandbreite an Bestattungen vertreten. In ihrer Mitte befand sich die Grabkapelle einer Frau von – so scheint es – außergewöhnlicher Bedeutung, wie der slowenische Archäologe Andrej Gaspari erzählt. Die christliche Gemeinde blühte nach der letzten großen Christenverfolgung unter dem römischen Kaiser Diokletian im frühen 4. Jahrhundert noch einmal auf und fand ihr Ende mit der Zerstörung Emonas durch die Hunnen im 5. Jahrhundert.

    Nur die wohlhabenden Bewohner Emonas konnten es sich leisten, in einem Sarkophag bestattet zu werden. Diese wurden aus Kalkstein gehauen, der etwa 30 Kilometer weiter östlich in Moravče abgebaut wurde.
    Foto von Arne Hodalič und Katja Bidovec

    Das bemerkenswerteste Artefakt, das unter der Gosposvetska-Straße gefunden wurde, ist eine durchsichtige Schale aus blauem Glas, die sich neben dem Leichnam der Frau befand. Das 1.700 Jahre alte Gefäß wurde mit Weinranken, Trauben und Weinblättern verziert. Die griechische Inschrift auf der Innenseite animiert den Besitzer des Gefäßes: „Trinke, um ewig zu leben, viele Jahre lang!“

    Das auserlesene Trinkgefäß könnte sowohl im Alltag als auch bei Begräbniszeremonien zum Einsatz gekommen sein. Eine chemische Analyse lässt darauf schließen, dass es irgendwo im östlichen Mittelmeerraum gefertigt wurde. Die dekorativen Weinranken könnten auf die christliche Eucharistie oder heilige Kommunion verweisen, das Motiv hat seinen eigentlichen Ursprung aber im Kult des Dionysos, dem griechischen Gott des Weins und der Ekstase.

    Die Archäologen interessieren sich auch dafür, wie sich das Grab der Frau im Laufe der Zeit veränderte. Es gibt Hinweise darauf, dass ihre quadratische Kapelle womöglich binnen eines Jahrzehnts nach ihrer Bestattung abgerissen und durch ein größeres (etwa 9 x 12 Meter) Bauwerk ersetzt wurde. Rund um das neue Gebäude – und auch darin – begann Emonas christliche Gemeinde mit Bestattungen „ad sanctos“. Dabei werden Verstorbene ganz in der Nähe der Gräber von Heiligen oder von geheiligten Objekten beigesetzt.

    Wer aber war die Frau, die dort in der Kapelle verehrt wurde? Wenn die Archäologen damit richtigliegen, dass sie die erste Person war, die auf dem Friedhof unter der Gosposvetska-Straße beerdigt wurde, und dass ihr Grab eine zentrale Rolle für die Nekropole spielte, dann war sie im römischen Emona zweifelsfrei eine berühmte und wichtige Frau. Über ihren Geburtsort, ihren Status und ihre Religionszugehörigkeit kann man derzeit jedoch nur spekulieren. Künftige Analysen ihres Leichnams werden zumindest einige dieser Fragen hoffentlich beantworten können. Derweil werden die wertvollsten Funde aus der Gosposvetska-Straße bereits im städtischen Museum von Ljubljana ausgestellt.

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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