Rekord im Sonnensystem: Die 20 neuen Monde des Saturn

Mit seinen neuen Begleitern stößt Saturn seinen Nachbarn Jupiter vom Thron des Planeten mit den meisten Monden.

Von Michael Greshko
Veröffentlicht am 9. Okt. 2019, 13:31 MESZ
Im Oktober 2016 erhaschte die NASA-Raumsonde Cassini ihre letzten Blicke auf den Saturn und seine Ringe. ...
Im Oktober 2016 erhaschte die NASA-Raumsonde Cassini ihre letzten Blicke auf den Saturn und seine Ringe. Fast drei Jahre später haben Astronomen nun verkündet, dass sie 20 neue Monde im Orbit des Planeten gefunden haben. Die Gesamtzahl der Saturnmonde steigt damit auf 82.
Foto von NASA, JPL Cal-tech, Space Science Institute

Der Jupiter mag von seiner Größe her zwar der unangefochtene König des Sonnensystems sein, aber der Saturn hat ein größeres Gefolge: Astronomen haben verkündet, dass sie weitere 20 Monde im Orbit des Planeten entdeckt haben. Damit steigt die Gesamtzahl seiner Satelliten auf 82 – der neue Rekord in unserem Sonnensystem. Erst vor knapp über einem Jahr wurden 12 neue Monde im Orbit des Jupiter entdeckt, aber dank der neusten Funde ist Saturn nun in einem Kopf-an-Kopf-Rennen an den 79 bekannten Satelliten des Jupiter vorbeigezogen.

Der neue Schwung an vergleichsweise kleinen Monden könnte Astronomen dabei helfen, die zahlreichen Kollisionen besser nachzuvollziehen, die sich in den frühen Tagen des Sonnensystems ereignet haben. Außerdem sind sie hervorragende Ziele für einen Vorbeiflug künftiger Missionen zu dem Gasriesen.

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„Eine der spannenden Sachen an diesen äußeren Monden ist, dass dorthin immer irgendeine Mission unterwegs ist“, sagt Scott Sheppard. Der Astronom an der Carnegie Institution for Science ist einer der Entdecker der zwei neusten Saturnmonde. Derzeit sind allein drei Missionen zum Jupiter und Saturn in Arbeit: Europa Clipper und Dragonfly von der NASA sowie die ESA-Mission JUICE.

„Es gibt so viele von diesen Monden, da ist es fast schon garantiert, dass einer davon in der Nähe ist, wenn das Raumfahrzeug in das Jupiter- oder Saturnsystem eindringt“, so Sheppard.

Chaos im frühen Universum

Die neu entdeckten Saturnmonde haben allesamt einen Durchmesser von knapp unter zwei Kilometern. Damit liegen sie gerade noch im Erkennungsbereich des Subaru-Teleskops auf dem Gipfel das hawaiianischen Vulkans Mauna Kea, mit dem sie entdeckt wurden.

Auch deshalb hat es über ein Jahrzehnt gedauert, bis die Existenz der Monde bestätigt werden konnte. Von 2004 bis 2007 warfen Sheppard und seine Kollegen mit dem Subaru-Teleskop einen extrem genauen Blick auf die Bereiche rund um den Saturn, um nach unentdeckten Monden zu suchen. Dabei entdeckten sie zwar ein paar verdächtige Lichtpunkte, konnten aber nicht beweisen, dass sie sich in einem Orbit um den Planeten befanden.

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    „Das ging mir nie so richtig aus dem Kopf“, sagt Sheppard. Aber mittlerweile gibt es neue Computertechnologien, die Teleskopdaten aus mehreren Jahren deutlich schneller und einfacher analysieren und Zusammenhänge erkennen können. Als Sheppard die Daten erneut verarbeitete, bestätigten die Bilder, dass 20 der Lichtpunkte sich auf Umlaufbahnen um den Saturn befinden.

    Siebzehn der neuen Monde kreisen entgegen der Rotationsrichtung um den Saturn. Jeder diese retrograden oder rückläufigen Monde benötigt für einen Umlauf mehr als drei Jahre. Bei den restlichen drei Monden handelt es sich um prograde oder rechtläufige Monde, die den Saturn in dessen Rotationsrichtung umkreisen. Zwei von ihnen benötigen für einen vollständigen Umlauf etwa zwei Jahre, der dritte benötigt mehr als drei.

    Diese Bilder trugen zur Entdeckung des progragen Saturnmonds bei, der übergangsweise die Bezeichnung S/2004 S24 erhielt. Die Bilder wurden mit dem Subaru-Teleskop im Abstand von einer Stunde aufgenommen. Der neuentdeckte Mond bewegt sich eindeutig vor dem starren Hintergrund der Sterne und Galaxien.
    Foto von GIF courtesy of Scott S. Sheppard

    Die neu entdeckten Monde fallen in bereits bekannte Gruppen der Saturnsatelliten, von denen jede nach Riesen aus bestimmten Mythologien benannt ist. Die retrograden Monde fallen aufgrund ihrer Bahnneigung und Entfernung vom Saturn in die Nordische Gruppe. Die zwei prograden Monde, die sich näher am Planeten befinden, zählen zur Inuit-Gruppe, während der dritte prograde Mond in die Gallische Gruppe fällt.

    Sheppard und seine Kollegen vermuten, dass jeder dieser Mondcluster aus einem einzelnen Himmelskörper entstand, der in frühen Tagen des Sonnensystems von der Gravitation des Saturn eingefangen wurde. Durch kosmische Kollisionen wurden diese Himmelskörper im Laufe der Zeit zerschmettert. Aus den Trümmern gingen die Monde hervor, die wir heute im Orbit des Planeten sehen können.

    „Wir glauben, dass diese Monde uns im Grunde vor Augen führen, wie chaotisch es im Sonnensystem in ferner Vergangenheit zuging“, sagt Sheppard. „Alles kollidierte miteinander und diese Monde sind ein Überbleibsel dieser Prozesse.“

    Bislang hat noch keiner der 20 neuen Monde einen offiziellen Namen. Sheppard und seine Kollegen haben die Öffentlichkeit dazu eingeladen, im Rahmen eines Wettbewerbs Vorschläge zu machen. Die Teilnahme ist noch bis zum 6. Dezember 2019 möglich.

    Ein wahr gewordener Traum

    Die nächste Generation an Teleskopen steht schon in den Startlöchern, beispielsweise das Giant Magellan Telescope, das derzeit in Chile gebaut wird. Mit diesen hochmodernen technischen Geräten werden Forscher wahrscheinlich noch weitere Monde rund um die Gasriesen des Sonnensystems erspähen können. Derzeit können selbst unsere besten Teleskope laut Sheppard keine Monde von weniger als 1,6 Kilometern Durchmesser um den Jupiter entdecken. Beim Saturn liegt die Untergrenze bei etwa 4,8 Kilometern. Auf den Umlaufbahnen um Uranus und Netpun könnten sich sogar noch größere Objekte verbergen.

    „Die sind so weit weg, dass wir beim Uranus nur Objekte von mindestens 32 Kilometern Durchmesser und beim Neptun von mindestens 48 Kilometern Durchmesser kennen“, sagt Sheppard.

    Wissen kompakt: Saturn

    Falls sich noch weitere entfernte Objekte im Sonnensystem verstecken, ist Sheppard dieser Herausforderung mehr als gewachsen: Zusammen mit dem Astronomen Chad Trujillo entdeckte er bereits ein enorm weit entferntes Objekt, dessen Orbit von einem hypothetischen neunten Planeten am äußeren Rand des Sonnensystems beeinflusst werden könnte. 2018 machte er zusammen mit anderen Wissenschaftlern das bis dato am weitesten entfernte Objekt des Sonnensystems ausfindig – einen gefrorenen Klumpen namens Farout (dt.: Weitdraußen). Er befindet sich mehr als hundertmal so weit von der Sonne entfernt wie die Erde. Nur wenige Monate später brachen er und seine Kollegen ihren eigenen Rekord und fanden ein noch weiter entferntes Objekt: FarFarOut.

    Sheppards Entdeckungen sind für ihn nicht nur auf beruflicher, sondern auch auf ganz persönlicher Ebene etwas Besonderes. Als er ungefähr zwölf Jahre alt war, bekam er ein Wissenschaftsmagazin für Kinder, in dem alle bekannten Planeten und Monde aufgelistet waren. Er hängte die entsprechenden Seiten an der Wand seines Kinderzimmers auf.

    „Dass ich dieses Diagramm immer weiter ausfüllen konnte, ist für mich im Grunde ein wahr gewordener Traum.“

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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