Der älteste CO2-Speicher der Welt: Die enorme Absorptionskraft von Erdgestein

In den Untiefen des Planeten liegt vielleicht eine potenzielle Lösung für den Klimawandel versteckt.

Von Stephen Leahy
Veröffentlicht am 11. Nov. 2019, 12:27 MEZ
Der Ausbruch des Vulkans Tungurahua im Dämmerlicht. Vulkanausbrüche sind eine Möglichkeit für die Erde, den Kohlenstoff ...
Der Ausbruch des Vulkans Tungurahua im Dämmerlicht. Vulkanausbrüche sind eine Möglichkeit für die Erde, den Kohlenstoff in ihrem Inneren wieder an die Oberfläche zu bringen.
Foto von Mike Theiss, Nat Geo Image Collection

Als Erwachsener schleppe ich rund 15 Kilogramm Kohlenstoff mit mir herum. Jeder von uns tut das, denn bis zu knapp 30% der Atome in unserem Körper sind Kohlenstoffatome. Diese Atome stammen ursprünglich aus der Nahrung, die wir zu uns nehmen und davor aus der Luft, den Ozeanen, Gestein oder anderer Form von Leben. Kohlenstoff ist das Elemente explodierender Sterne und essenziell für alle Formen des Lebens auf der Erde. Umso erstaunlicher ist es, dass sich mehr als 90 Prozent des Kohlenstoffs unseres Planeten unter der Erdoberfläche befinden.

Noch überraschender ist die Erkenntnis, dass viele Kilometer unter unseren Füßen Mikroben und Bakterien prächtig gedeihen. Ihre Kohlenstoffmasse ist bis zu vierhundertmal größer als die der 7,7 Milliarden Menschen auf der Erdoberfläche. Dass eines der größten Ökosysteme der Erde tief im Planeten versteckt liegt, ist nur eine der vielen Entdeckungen, die das Deep Carbon Observatory-Programm im Verlauf der letzten zehn Jahre gewonnen hat. An diesem Projekt wirken 1.200 Mitarbeiter aus 55 Nationen mit, um die Vorgänge im Innern unseres Planeten zu erforschen.

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    „Wir verstehen nun, dass die Biosphäre und Geosphäre der Erde ein ganzheitlich zu betrachtendes und komplexes System sind, zu dem Kohlenstoff der Schlüssel ist“, sagt DCO Executive Director Robert Hazen vom Carnegie Institution for Science. „Das ist eine fundamental neue Herangehensweise an unseren Planeten“, gibt Hazen in einem Interview an.

    Während des vergangenen Jahrzehnts betrieb das DCO 268 Projekte und brachte 1.400 Fachstudien hervor. Im Folgenden werden einige Highlights aus den Dutzenden, wenn nicht Hunderten von überraschenden, neuen Erkenntnissen über die tiefen Erdschichten vorgestellt und welche Rolle sie beim Anbeginn allen Lebens spielten.

    Diese farbenprächtige Darstellung zeigt, wie das erderwärmende CO2 sich durch die Atmosphäre bewegt

    CO2 rein, CO2 raus

     Mit anderen Worten: Ebenso wie wir nimmt der Planet konstant Kohlenstoff auf und gibt ihn wieder ab, oftmals in Form von Kohlenstoffdioxid (CO2). Dieser einst so stabile Kohlenstoffkreislauf wurde jedoch durch den Menschen unterbrochen, der viel schneller als normal Kohlenstoff an die Oberfläche bringt. Die Erde wird umgegraben und durch die Verbrennung von Öl, Gas und Kohle werden Kohlenwasserstoffe in riesigen Mengen freigesetzt. Gleichzeitig verschwinden immer mehr Wälder, Städte und das Straßennetz wachsen und auch andere Oberflächenveränderungen beeinträchtigen die Kohlenstoffaufnahmefähigkeit des Planeten.

    Diese Unterbrechung des Kohlenstoffkreislaufs ist das, was wir Klimakrise nennen, sagt Hazen.

    Während der Carbon Mineral Challenge des DCOs wurden 31 neue Kohlenstoffminerale entdeckt, darunter auch Triazolit in Chile. Man geht davon aus, dass es teilweise durch Kormoran-Guano entstanden ist.
    Foto von Joy Desor, Mineralanalytik Analytical Services

    „Der Klimawandel ist eine existenziellen Bedrohung für die Menschheit und zwar nicht in ferner Zukunft sondern schon für die nächste oder übernächste Generation“, meint er.

    In den nächsten 20 bis 40 Jahren müssen die CO2-Emissionen aus fossilien Brennstoffen komplett abgeschafft und große Teile des bereits in der Atmosphäre enthaltenen CO2 abgebaut werden, um den Anstieg der globalen Erwärmung auf ein kritisches Niveau zu verhindern.

    Allerdings schöpft Hazen nun durch Erkenntnisse über den Kohlenstoffkreislauf in den tiefen Erdschichten, die das DCO ermöglicht hat, neue Hoffnung. Hier finden natürliche Sequestrierungsprozesse statt, die laut seiner Aussage „enorm wirkungsvoll“ sind.

    Wenn Steine glühen

    Eine dieser Sequestrierungsmethoden findet in einem großen Felsbrocken namens Samail Ophiolite statt, der vor langer Zeit aus dem Erdmantel nach oben gedrückt wurde und sich im heutigen Staat Oman befindet. Durch die Witterung und Mikroben im Gestein wird Kohlendioxid aus der Luft abgezogen und zu Kohlenstoffmineralen umgewandelt.

    Der Prozess ist so effektiv, dass „man tatsächlich dabei zusehen kann, wie Kohlendioxid aus der Atmosphäre gesaugt und vor unseren Augen in Form von Gestein angereichert wird“, sagt Hazen.

    Experimente, bei denen kohlenstoffreiche Flüssigkeiten in das Ophiolit-Gestein gepumpt wurden, zeigen, dass sich die Kohlenstoffmineralien sehr schnell bilden. Dieser Vorgang könnte potenziell Milliarden von Tonnen an CO2 aus der Atmosphäre filtern. Das wäre jedoch ein wirklich großes Projekt und schwierig für den Oman, da dieser wirtschaftlich auf seine Ölvorkommen angewiesen ist, sagt er. 

    Ophiolite gibt es außerdem in Nordamerika, Afrika und an anderen Orten auf der Welt. An andere natürlichen Formen der Kohlenstoffsequestrierung sind Gesteine aus Basaltformationen beteiligt, wie sie auf Hawaii vorkommen. Diese können CO2 aus der Luft absorbieren, wenn sie aufgebrochen werden. In Island forscht das DCO-Projekt CarbFix an einer Methode, bei der kohlenstoffreiche Flüssigkeiten in Basal injiziert und ihre Umwandlung in festes Material beobachtet werden.

    Diese neuen Erkenntnisse über die Fähigkeit der Erde, Kohlenstoff zu absorbieren „gibt Anlass zu großem Optimismus“, betont Hazen.

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    Einblicke in eine fremde Welt

    Auch in Bezug auf mögliches Leben auf anderen Planeten gibt das DCO Grund zum Optimismus. Reine Diamanten bestehen lediglich aus Kohlenstoff, doch in den meisten von ihnen befinden sich kleine Verunreinigungen. Für die Schmuckherstellung sind sie nicht gut geeignet, für die Wissenschaft jedoch von unschätzbarem Wert. Diese Verunreinigungen, auch Einschlüsse genannt, haben enthüllt, dass „abiotisches“ Methan tief im Erdinneren als Energiequelle dient.

    Wenn Wasser unter großen Druck auf das omnipräsente Mineral Olivin trifft, verändert sich das Gestein unter Abgabe von abiotischem Methan zu Serpentin, einem anderen Mineral. Wenn Mikroben chemische Energie in großer Hitze und unter großem Druck aus Gestein so tiefer Erdschichten gewinnen können, wäre das wohl auch auf anderen Planeten möglich.

    Die Entdeckung untermauert auch die Theorie, dass sich das erste Leben in den tiefen Erdschichten entwickelte und nicht in den Ozeanen, wie bislang gemeinhin angenommen wird.

    „Das Deep Carbon Observatory hat wichtige Beweise“ für diese Hypothese geliefert, erklärt Jesse Ausubel von der Rockefeller University, der auch als wissenschaftlicher Berater für die Alfred P. Sloan Foundation tätig ist.

    Diamanten lieferten den DCO-Forschern außerdem Beweise dafür, dass in den tiefen Erdschichten mehr Wasser vorhanden ist – das meiste davon nicht in flüssiger Form, sondern als Ionen in kristallinen Mineralien – als in allen Weltmeeren zusammen. Wie auch beim Kohlenstoff gehen die Wissenschaftler davon aus, dass die Subduktion der großen Kontinentalplatten mit der Ozeanischen Kruste das Wasser in die tiefen Schichten des Planeten gepresst hat.

    Die Erde schlägt Alarm

    Durch DCO-Projekte, die den Gasaustritt von Vulkanen überwachen, konnte zum ersten Mal eine Veränderung im Verhältnis der Konzentrationen von CO2 und Schwefeldioxi (SO2) vor einem Vulkanausbruch in Costa Rica gemessen werden. Daraus kann möglicherweise ein Frühwarnsystem entwickelt werden.

    „Es war nur eine Theorie, dass Mischverhältnis der Gase sich vor einem Ausbruch verändert, und das DCO hat es uns ermöglicht, genau das zu untersuchen“, berichtet Sami Mikhail von der University of St Andrews. „Das könnten wir wie eine Klingel benutzen, die uns darauf hinweist, dass jemand vor der Tür steht.“

    Inzwischen werden einige Vulkane in dicht besiedelten Gebieten wie der Tungurahua in Ecuador, der Ätna in Italien und die Soufrière Hills auf Montserrat überwacht. Diese und andere Vulkanüberwachungsstationen liefern außerdem definitive Beweise dafür, dass die CO2-Emissionen von Vulkanen im Gegensatz zur Nutzung von fossilen Brennstoffen nur einen Bruchteil der Gesamtmenge ausmachen. Einige Klimawandelleugner machen schon lange Vulkane für den Anstieg der CO2-Konzentration in der Atmosphäre verantwortlich.

    Faszination Vulkan

    Die Zukunft des DCO

    Auch wenn der Forschungsauftrag des DCOs nun beendet ist, wird die Gemeinschaft der Wissenschaftler, die sich mit Kohlenstoff in den tiefsten Erdschichten beschäftigt, weiter bestehen. Mit Unterstützung der NASA, der National Sience Foundation, der Deutschen Forschungsgemeinschaft, dem kanadischen Institute for Advanced Research und anderen Institutionen werden die Forscher auch weiterhin neue Erkenntnisse gewinnen. Das Institut du Physique de Globe du Paris wird neuer Hauptsitz des Programms.

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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