Reiskorngroßer Wellenreiter: Afrikas erstes Pygmäenseepferdchen

„Als würde man ein Känguru in Norwegen finden“ – so beschrieben Forscher die Entdeckung der Art, deren nächste Verwandte 8.000 Kilometer entfernt leben.

Von Douglas Main
Veröffentlicht am 26. Mai 2020, 12:58 MESZ
Die neu entdeckte Seepferdchenart Hippocampus nalu ist nur etwa so groß wie ein Reiskorn. Sie lebt ...

Die neu entdeckte Seepferdchenart Hippocampus nalu ist nur etwa so groß wie ein Reiskorn. Sie lebt gut getarnt zwischen Algen und Sand in der Sodwana Bay, Südafrika.

Foto von Richard Smith

In den rauen, felsigen Gewässern vor Südafrika haben Forscher eine neue Art entdeckt: ein winziges Seepferdchen von der Größe eines Reiskorns.

Die Entdeckung war vor allem deshalb überraschend, weil alle anderen Pygmäenseepferdchen aus dem Korallendreieck (und im Falle einer Art aus Japan) bekannt sind. Die artenreiche Region erstreckt sich auf mehr als fünfeinhalb Millionen Quadratkilometern im Südwestpazifik. Die neu entdeckte Art lebt aber mehr als 8.000 Kilometer davon entfernt – das erste Pygmäenseepferdchen, das je im indischen Ozean und Afrika entdeckt wurde.

„Das ist so, als würde man ein Känguru in Norwegen finden“, sagt Richard Smith. Der Meeresbiologe aus dem Vereinigten Königreich ist der Co-Autor einer neuen Studie zu der Art, die auf den Namen Hippocampus nalu getauft wurde. Das kleine Seepferd wurde in der Sodwana Bay entdeckt, ein beliebter Tauchort in der Nähe der Grenze zu Mosambik.

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Das Tier ähnelt äußerlich anderen Pygmäenseepferdchen. Eine Besonderheit sind aber die spitzen Enden seiner stacheligen Fortsätze auf dem Rücken, sagt Graham Short. Der Ichthyologe der California Academy of Sciences arbeitet auch für das Australian Museum in Sydney. Andere Pygmäenseepferdchen haben Stacheln mit stumpfen Enden.

„Wir wissen nicht wirklich, welchem Zweck diese Stacheln dienen“, sagte Short. „Tatsächlich haben viele Seepferdchenarten Stacheln. Sie könnten also vielleicht der sexuellen Selektion dienen – vielleicht bevorzugen Weibchen Partner mit mehr oder größeren Stacheln.“

Der Überraschungsfund wurde im Fachmagazin „ZooKeys“ beschrieben und zeigt den Autoren zufolge, wie wenig wir noch über das Meer wissen, insbesondere über seine kleinen Bewohner. Womöglich gibt es noch viele weitere Arten von Pygmäenseepferdchen, die noch nicht entdeckt wurden.

Ein Geschenk des Meeres

Die Tauchlehrerin Savannah Nalu Olivier entdeckte die Tierchen erstmals 2017 in der Sodwana Bay, als sie am Meeresboden ein paar Algen näher betrachtete. In der Bucht gibt es zahlreiche seltene Fische, Haie und Meeresschildkröten.

Sie zeigte ihre Fotos der Seepferdchen ihren Kollegen. 2018 fanden sie ihren Weg auch zu Smith, der mit seinem Kollegen Louw Claassens mehrere Exemplare in einer Tiefe von 12 bis 16 Metern einfing.

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    Die Forscher benannten die neue Art H. nalu nach Olivier, deren Spitzname passenderweise „Fish“ ist. In den südafrikanischen Sprachen Xhosa und Zulu bedeutet nalu so viel wie „hier ist es“.

    „Ich habe ihr gesagt, dass es ein Geschenk des Meeres ist“, sagt Louis Olivier, Savannahs Vater. Er betreibt den Tauch-Outfitter Pisces Diving Sodwana Bay. “

    Rätselhafte Anatomie

    Smith schickte mehrere Exemplare der neuen Art an Short, der ihre Genetik und Anatomie mit einem CT-Scanner untersuchte.

    Seine Forschung offenbarte, das H. nalu genau wie andere Pygmäenseepferdchen zwei flügelartige Strukturen am Rücken aufweist. Größere Seepferdchen haben davon nur eine. Welchen Zweck diese „Flügel“ erfüllen, ist nach wie vor unbekannt.

    Die afrikanische Art hat außerdem nur einen einzigen Kiemendeckel an seinem oberen Rücken. Größere Seepferdchen haben stattdessen auf beiden Körperseiten zwei Kiemendeckel unter dem Kopf – ein weiteres Mysterium.

    Das wäre so, „als hätte man eine Nase hinten auf seinem Hals“, sagt Short.

    Was das neue Seepferdchen im Vergleich zu seinen Artgenossen aber einzigartig macht, ist sein Lebensraum: Es scheint sich inmitten von dichten Algenteppichen, Felsen und Sand wohl zu fühlen. In Sodwana Bay gibt es große Dünungen, und es scheint den kleinen Seepferdchen nichts auszumachen, davon hin und her geworfen zu werden, sagt Smith. Er hat beobachtet, wie ein Pygmäenseepferdchen unter Sand begraben wurde und sich dann einfach wieder herausgewunden hat.

    „Die werden regelmäßig sandgestrahlt“, sagt Smith. Andere Pygmäenseepferdchen, die in ruhigeren Gewässern rund um Korallenriffe wurde, „sind ein bisschen zarter. Aber diese Art ist robust.“

    Man vermutet, dass sich H. nalu genau wie seine engen Verwandten von Ruderfußkrebsen und anderen Krebstierchen ernährt. Außerdem ist es gut getarnt und verschmilzt förmlich mit seiner Umgebung.

    Ein Meer voller Seepferdchen

    Der Fund „verdeutlicht, dass es in den Meeren noch viel zu entdecken gibt, sogar in den flachen Küstengewässern“, findet Thomas Trnski. Der Leiter für Naturwissenschaften am Auckland Museum in Neuseeland war an der Studie nicht beteiligt. Fast alle Pygmäenseepferdchen wurden erst in den letzten 20 Jahren entdeckt, wie er sagt.

    Das einzige andere Pygmäenseepferdchen außerhalb des Korallendreiecks ist Hippocampus japapigu, das erstmals im August 2018 beschrieben wurde.

    Neue "verspielte" Seepferdchen-Art entdeckt
    Dieses Pygmäenseepferdchen ist winzig – nur so groß wie ein Reiskorn. Forscher entdeckten kürzlich, dass das farbenfrohe Tier eine eigene Art darstellt.

    Vielerorts schrumpfen die Seepferdchenbestände, da die Tiere für den Aquarienhandel oder die Verwendung in der traditionellen chinesischen Heilkunst eingefangen werden. Zumindest die Pygmäenseepferdchen bleiben davon verschont, da sie aufgrund ihrer Größe schwer zu finden sind, sagte Short. Allerdings haben einige dieser Arten sehr geringe Bestandsdichten und es gibt nicht genug Daten, um abzuschätzen, wie groß ihr Bestand überhaupt ist, so Smith.

    Diese Fische können mithilfe der Strömung nur sehr geringe Distanzen zurücklegen. Die Studie legt nahe, dass sich H. nalu vor mehr als 12 Millionen Jahren von dem gemeinsamen Vorfahren aller bekannter Pygmäenseepferdchen abspaltete.

    „Demzufolge ist es extrem wahrscheinlich, dass es im Indischen Ozean noch viele weitere Arten von Pygmäenseepferdchen gibt, die noch nicht entdeckt wurden“, sagt Short.

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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