Die ersten Salmonellen: Zoonose vor 6.500 Jahren

Forscher haben aus 6.500 Jahre alten, menschlichen Skeletten die Genome von Salmonellen gewonnen. Das belegt die Hypothese, dass die Neolithische Revolution die Entstehung von neuen Krankheitserregern begünstigte, die bis heute existieren.

Von Anna-Kathrin Hentsch
Veröffentlicht am 30. Juni 2020, 10:15 MESZ
Erste Salmonellen

Als die Menschheit sesshaft wurde, dann Ackerbau und Viehzucht betrieb, konnten Krankheitserreger entstehen, die wir bis heute kennen.

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Während der Steinzeit lebten die Menschen in Horden und wanderten auf Nahrungssuche durch die Landschaft. Als Jäger und Sammler brachten sie Großwild, Kleingetier, Früchte und Wurzeln zum gemeinsamen Lagerplatz, meist Höhlen mit Feuerstelle. Vor etwa 12.000 Jahren begann die neolithische Revolution und mit ihr der wohl größte Umbruch der Menschheitsgeschichte, der bis heute prägt, wie wir essen, leben und interagieren. Denn mit ihr entwickelte sich die Jäger-Sammlerkultur zu einer sesshaften Gemeinschaft, die gezielt der Landwirtschaft und Viehhaltung nachging.

Systematische Zoonosen

Lange wurde vermutet, dass dieser alles verändernde Schlüsselmoment der Grund für das Aufkommen neuer menschlicher Krankheiten war - Zoonosen, weil Mensch und Tier nun eng zusammenlebten. „Erste Zoonosen gab es sicher schon lange zuvor in Form von immer Mal wieder auftretenden Infektionen, zum Beispiel bei der Verarbeitung von Jagdbeute“, erklärt Dr. Alexander Herbig, Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte. „Als jedoch die Menschen begannen Tiere zu halten und näher mit diesen zusammenlebten fanden Zoonosen systematischer statt und die entsprechenden Erreger konnten sich nach und nach besser an den Menschen anpassen. Das Zusammenleben war sicher ein entscheidender Aspekt, der dazu geführt hat, dass neue Krankheitserreger auf den Menschen überspringen und sich auch an diesen anpassen konnten. Hinzu kam, dass Menschen nun in immer größeren Gruppen zusammenlebten, was es Krankheitserregern einfacher macht sich zu verbreiten.“

Belegte Hypothese: Viehhaltung begünstigte Krankheiten

Mit seinem Team konnte Dr. Herbig in einer Studie nun die Vermutung vieler Wissenschaftler belegen, dass die Neolithische Revolution der Grund für das Aufkommen menschlicher Krankheiten war. Aus bis zu 6.500 Jahre alten Skeletten von steinzeitlichen Landwirten und Viehzüchtern gewannen die Forscher Genome des Bakteriums Salmonella enterica. Die Analyse brachte sechs Salmonellen-Genome hervor, die Vorläufer eines heute selten gewordenen Bakterienstammes sind, der speziell Menschen infiziert und typhusähnliche Symptome auslöst, die unbehandelt oftmals tödlich verlaufen. „Es ist davon auszugehen, dass es eine Vielzahl von Erregern gab, für deren Entwicklung die veränderte Lebensweise der Menschen eine entscheidende Rolle gespielt hat. Salmonellen werden normalerweise durch verunreinigte Nahrung oder verunreinigtes Wasser aufgenommen und mit dem Stuhl wieder ausgeschieden. Als Menschen nun begannen auf engerem Raum in größeren Gruppen und in großer Nähe zu Tieren zu leben, können wir davon ausgehen, dass die Bedingungen aus heutiger Sicht sehr unhygienisch waren und dies entsprechend den Salmonellen die Gelegenheit bot sich auszubreiten.“

Salmonellen sind weltweit vorkommende Bakterien. Sie verursachen, meist durch den Verzehr von erregerhaltige Lebensmitteln, Magen-Darm-Erkrankungen.

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Widerlegte Annahme: Salmonellen nicht von Schweinen verbreitet

Die Forschungen des am Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte widerlegen mit dem Fund der Salmonellen-Genome in den 6.500 Jahre alten Skeletten die bisher verbreitete Annahme, dass sich der Salmonellen-Stamm vor 4.000 Jahren über domestizierte Schweine auf den Menschen ausbreitete. Stattdessen lässt die Entdeckung des Vorläuferstammes vermuten, dass dieser früher entstand und sich eventuell umgekehrt vom Menschen auf die Schweine ausbreitete. Trotzdem plädieren die Autoren der Studie erstmal für die moderatere Hypothese: Sowohl die menschen- als auch die schweinespezifischen Salmonellen sollen sich unabhängig aus unspezifischen Vorläufern innerhalb einer gemeinsamen Umgebung und in engem Kontakt zwischen Mensch und Tier entwickelt haben. „Wir können bei der von uns identifizierten Salmonellen-Art eine Veränderung über die Zeit beobachten. Wir gehen davon aus, dass die alten Salmonellen zunächst Tiere und Menschen relativ unspezifisch infizieren konnten. Unsere genetischen Analysen deuten darauf hin, dass sich der Erreger dann im Laufe der Zeit immer mehr an einzelne Wirtsspezies angepasst hat, also auch an den Menschen.“ Diese Ergebnisse lassen Rückschlüsse auf Anpassungsprozesse von Bakterien zu. „Es gibt Hinweise darauf, wie derartige Anpassungsprozesse ablaufen. Oft scheint dies durch die Inaktivierung von Genen zu geschehen. Zum Beispiel solche, die mit bestimmten Oberflächenstrukturen der Bakterien in Zusammenhang stehen, die vom Immunsystem des Wirts erkannt werden können. Man könnte fast sagen der Erreger lernt sicher immer besser vor dem Immunsystem zu verstecken.“

Skelette aus verschiedenen Teilen Europas

Das Forschungsteam untersuchte insgesamt 2.739 menschliche Überreste. Die insgesamt acht Salmonellen-Genome sind damit die bislang ältesten rekonstruierten bakteriellen Genome überhaupt. Im Fall der vorliegenden Studie konnte das Erbgut des Erregers mit Hilfe eines neuen computergesteuerten Verfahrens, genannt HOPS, in den Zähnen der menschlichen Überreste identifiziert werden. Die untersuchten Individuen kamen aus verschiedenen europäischen Regionen. Sie waren späte Jäger und Sammler, nomadische Viehzüchter oder frühe Ackerbauern aus Gegenden von Russland bis in die Schweiz. „Dieses breite zeitliche, geografische und kulturelle Spektrum ermöglichte es uns, erstmals mit Hilfe der Molekulargenetik, die Evolution von Krankheitserregern mit dem Aufkommen einer neuen menschlichen Lebensweise zu verknüpfen,“ erklärt Herbig. „Es hat sich gezeigt, dass sich diese Salmonellen-Art schon vor tausenden von Jahren in Europa und auch Zentralasien sowie wahrscheinlich auch weiter östlich verbreitet hat. Dabei haben sich auch regionale Unterschiede entwickelt, was wir auf genetischer Ebene sehen können.“

 

Dr. Herbig, was treibt Sie an?

Ich war schon immer von Kleinstlebewesen und ihrem „Mikrokosmos“ fasziniert. Es handelt sich um eine ganz eigene Welt, die uns ständig umgibt, aber die wir nicht sehen können. So sind z.B. die allermeisten Bakterien völlig harmlos. Sie leben überall in der Umgebung aber auch auf unserer Haut oder in unserem Darm und manche helfen uns sogar bei der Verdauung. Es gibt aber auch manche, die uns krank machen und es ist wichtig zu verstehen wie sich diese zum Teil höchst unterschiedlichen Eigenschaften entwickelt haben.

 

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