Abgang mit großem Knall: Explosionen am Ende des Universums

Neueste Modellrechnungen der Überreste sonnenähnlicher Sterne liefern Hinweise darauf, dass das Universum mit einem Feuerwerk enden könnte.

Von Dan Falk
Veröffentlicht am 19. Aug. 2020, 17:19 MESZ
Weiße Zwerge

Weiße Zwerge in der Milchstraße, aufgenommen vom Hubble-Weltraumteleskop der NASA im Jahr 2012. Diese Sterne sind zwischen 12 und 13 Milliarden Jahre alt und gehören damit zu den ältesten Sternen im Universum. Neuen Forschungen zufolge, werden Weiße Zwerge auch die letzten Sterne sein, bis sie in weit entfernter Zukunft explodieren. 
 

Foto von NASA & H. Richer University of British Columbia

Das letzte Kapitel der Geschichte unseres Universums sieht ziemlich düster aus. Physiker gehen derzeit davon aus, dass irgendwann, in Abermilliarden von Jahren, alle Sterne verglüht sein werden. Dann senkt sich Dunkelheit über das Universum und nimmt ihm jede Fähigkeit zur Entwicklung. Bei der Ausdehnung des Weltalls dehnt sich auch die Materie mit und damit steht immer weniger Energie zur Verfügung. Irgendwann, nach Äonen, durchläuft das Universum dann ein Szenario, das sich Wärmetod nennt.

Doch bevor die Lichter ein für alle Mal ausgehen, könnte es noch ein letztes Feuerwerk geben. Astronomen glauben, dass kompakte Sterne, sogenannte Weiße Zwerge, mit als letzte Objekte im alternden Universum bestehen können. Nun wurde ein Paper im Wissenschaftsmagazin „Monthly Notices of the Royal Astronomical Society“ zur Veröffentlichung angenommen, das davon ausgeht, dass diese Sterne möglicherweise eine unendlich langsam Kernfusion durchlaufen werden, die in Form von Supernova-Explosionen enden werden. 

Die Idee von explodierenden Weißen Zwergen ist durchaus neu, da die Wissenschaft diese ausgebrannten Sterne eher als „stetig abkühlend“ einstuft, sagt Abigail Polin, die als Astrophysikerin am California Institute of Technology und den Carnegie Observatories forscht und nicht an der Studie beteiligt war.

Basierend auf dem neuen Modell ist die erste Explosion eines Weißen Zwergs erst in frühestens 101100 Jahren fällig. Das ist eine 1, gefolgt von 1.100 Nullen – eine Zahl, die so groß ist, dass wir keinen Namen für sie haben. „Wenn man das ausschreibt, füllt man ein ganzes Blatt mir Nullen“, meint Studienautor Matt Caplan, Astrophysiker an der Illinois State University. (Das Alter des Universums beträgt aktuell erst 13,7 Milliarden Jahre.)

„Das ist jenseits jeder Skala, die wir uns aktuell vorstellen können“, stimmt Polin zu. Aber wenn Caplan recht hat, wären diese Explosionen die letzten, großen, astrophysikalischen Ereignisse, bevor alles in Dunkelheit verschwindet.

Betrieb mit Weltraumsprit

Sterne brennen, indem sie Wasserstoff und Helium in ihrem Inneren miteinander verschmelzen lassen. Wenn ein durchschnittlicher Stern, etwa von der Größe unserer Sonne oder ein bisschen mehr, all seinen Wasserstoff aufgebraucht hat, kann er seiner eigenen Gravitation nichts mehr entgegensetzen. Dann beginnt der Kern, sich zusammenzuziehen, während die äußeren Schichten sich drastisch ausweiten. Wenn der Kern kleiner wird, steigen Druck und Temperatur, was den schwereren Elementen erlaubt, sich miteinander zu verbinden. Irgendwann stößt der Stern dann seine äußere Hülle ab, und was übrig bleibt, ist ein extrem kompaktes Objekt mit wenigen Kilometern Durchmesser – ein Weißer Zwerg.
 

Diese Weißen Zwerge wurden 2006 während einer astronomischen Beobachtung durch das Hubble-Weltraumteleskop der NASA aufgenommen. 

Foto von NASA, Esa, A. Calamida & K. Sahu STScI & SWEEPS Science Team

Über einen Zeitraum von Billionen bis Hunderte Billionen von Jahren geben Weiße Zwerge dann die verbleibende Hitze ab und übrig bleiben ihre gefrorenen Überreste, die manchmal auch als Schwarzer Zwerg bezeichnet werden. Schwarze Zwerge sind zwar klein und kalt – was ihnen Stabilität über unglaublich lange Zeiträume hinweg ermöglicht –, doch Caplans Kalkulationen zeigen, dass eine Kernfusion auch dann noch möglich ist: durch ein Phänomen namens Tunneleffekt. 

Im Inneren der Schwarzen Zwerge sind die einzelnen Atomkerne positiv geladen, sodass sie sich gegenseitig abstoßen wie die Pole eines Magneten. Der Quantentheorie zufolge verhält sich jeder Kern jedoch zugleich als Welle und Partikel. Dank dieser Wellen-Eigenschaften, kann ab und zu ein Kern die Abstoßung seines gleichgeladenen Nachbars überwinden – wie durch einen Tunnel

„Weiße Zwerge sind für uns bisher diese vollkommen inaktiven Objekte“, meint Marten van Kerkwijk, der als Astrophysiker an der University of Toronto forscht und nicht an der Studie beteiligt war. „Der Gedanke, dass in diesen stillen, toten Sternen immer noch Fusionen stattfinden, ist faszinierend.“

Über Billionen von Jahren hinweg werden diese unglaublich langsamen Fusionen das schwere Element Eisen erzeugen, so Caplan. Bei diesem Prozess werden außerdem Positronen frei, die Elektronen ähneln, jedoch positiv geladen sind. Wenn diese Positronen im Inneren des Sterns auf Elektronen treffen, vernichten sie sich gegenseitig. Ohne die Elektronen und den Druck, den sie abgeben, kann der Weiße Zwerg dem Zwang seiner Gravitation nicht länger standhalten. Er wird immer kleiner, bis er schließlich in einer Explosion, die einer herkömmlichen Supernova gleichkommt, nach außen „springt“. 

Caplan erklärt, dass nur die schwersten Weißen Zwerge – deren Masse mehr als 1,2-mal so viel wie die der Sonne beträgt – solch eine Explosion durchlaufen können. Dennoch wird dieses Schicksal etwa ein Prozent der 1023 Sterne treffen, die wir aktuell kennen, sagt er.

Vor der Explosion gibt der still vor sich hinfusionierende Schwarze Zwerg kein sichtbares Licht ab. „Man würde ihn nicht einmal sehen, wenn er direkt vor einem wäre, bis er explodiert“, meint Caplan. 

Wenn Materie selbst jedoch instabil ist, könnten Überreste wie Weiße Zwerge vielleicht gar nicht lange genug existieren, um der langsamen Kernfusion genug Zeit zu geben. Physiker spekulieren, dass die subatomaren Bausteine von Materie – die sogenannten Protonen – sich möglicherweise über enorm lange Zeiträume von 1031 bis 1036 Jahren hinweg langsam zersetzen. Wenn das stimmt, könnten Weiße Zwerge sich auflösen, bevor sie die Gelegenheit bekommen, zu explodieren. 

Galerie: Der imposante Weg der Milchstraße am australischen Nachthimmel

Solange die Protonen jedoch ihren Dienst tun, „sieht die Physik in Caplans Paper schlüssig aus“, kommentiert Fred Adams, ein Astrophysiker der University of Michigan und Co-Autor des 1999 erschienenen Buchs „Die fünf Zeitalter des Universums: eine Physik der Ewigkeit“. Dieses beschäftigt sich mit der langfristigen Zukunft des Universums.

Der Wärmetod gilt zwar als gemeinhin anerkannte Theorie für das Universum, doch Astrophysiker diskutieren auch weiterhin andere Möglichkeiten. Das Universum könnte in sich kollabieren, wobei die gesamte Materie an einem einzigen Punkt zusammengepresst werden und so einen neuen Urknall auslösen könnte. Oder vielleicht schreitet die Ausdehnung des Universums so weit fort, dass sie den Raum selbst vernichtet, wodurch die einzelnen Atome auseinandergerissen werden. 

Das letzte Licht in unendlicher Dunkelheit

Wenn die Weißen Zwerge irgendwann anfangen, den metaphorischen Löffel abzugeben, wird das Universum längst nicht mehr so aussehen, wie wir es heute kennen. Galaxien werden ihre Struktur verloren haben und die Überreste einzelner Sterne treiben frei durchs Weltall. Selbst die größten bekannten Schwarzen Löcher haben sich in 10100 Jahren wahrscheinlich bereits aufgelöst. Verantwortlich dafür ist ein Vorgang namens Hawking-Strahlung. Schon dieser Zeitraum erscheint unbegreiflich lange, doch er ist ein Witz gegen das Zeitfenster, das die Explosion eines Weißen Zwergs einnimmt. 

Dunkle Energie – die geheimnisvolle Macht, die Gravitation negiert und alles von allem wegdrückt – hat zu diesem Zeitpunkt die verbliebenen Objekte, zu denen auch die Weißen Zwerge gehören, so weit voneinander weggeschoben, das nichts mehr in Sichtweite ist.

Ohne brennende Sterne, die Wärme produzieren, ist es mehr als unwahrscheinlich, dass dann noch irgendeine Form von Leben existiert – doch selbst wenn es ein solches Lebewesen noch gäbe, würde es nur eine einzige Explosion eines Weißen Zwergs sehen, weil alle anderen jenseits seines „kosmologischen Ereignishorizonts“ lägen. Dieser bezeichnet die maximale Distanz, über die Information jeder Art – auch Licht – empfangen werden kann. 

Eine Zeitspanne von 101100 Jahren sprengt zwar jede Vorstellungskraft, doch das ist nur der Anfang vom Ende, wenn der schwerste der Weißen Zwerge in die Luft geht. Die leichteren brauchen dazu länger – bis zu 1032,000 Jahre, laut Caplans Kalkulationen. Und auch durch dieses Feuerwerk würde der Wärmetod des Universums nicht aufgehalten werden. Explodierende Weiße Zwerge könnten dann also so etwas wie die fliegenden Fahnen des Kosmos sein.

„Danach wird das Universum für alle Zeit kalt und trist“, sagt Caplan. „Es sei denn, es gibt noch neue Felder der Physik, die wir bislang nur nicht entdeckt haben.“

 

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